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Astrid Miglar: Einmal Anschieben bitte

02.Juli 2020

Verschaukeln: Einmal Anschieben bitte

Wer lässt sich schon gern verschaukeln? „Ich, ich!“, rufe ich laut, einfach weil ich prompt einer falschen Auslegung aufsitze. Ich werde soeben verschaukelt. Von meinem kleinsten Neffen, der mich auf seinem liebsten Spielzeug Platz nehmen lässt. Die Hutsche (kennen Sie das Wort noch?) hält 120 Kilo aus, also auch mich.

Während er mich schaukelt, ist ihm wichtig, dass ich dabei vor Angst quietsche. Möglichst laut. Aus Solidarität quietscht er mit, was eher nach herzerfrischendem Bubenlachen klingt. Ich will aber nicht vorwurfsvoll erscheinen, denn in Wirklichkeit gefällt es mir, wenn ich vom Kleinsten verschaukelt werde. Also spiele ich sein Spiel mit.

Sonst allerdings macht verschaukelt zu werden keinen rechten Spaß.

Das milde, beinahe niedliche Wort "Verschaukeln" ist in Wahrheit nichts anderes als Betrug. Ich werde ausgetrickst. Mir wird etwas vorgetäuscht, z. B. das Versprechen eines hippen Lifestyles, den ich durch den Erwerb eines besonders tollen Produkts auf mich übertragen kann. Ganz bestimmt! Beeindruckend passend gewählte Hintergrundmusik, die mich beim Einkaufen auf Spur bringen soll. Rote Preisschilder, die meine Aufmerksamkeit erregen und mich zum Kauf animieren möchten, denn so günstig treffen wir uns – das Produkt und ich – sicher nie wieder. Darauf bin ich konditioniert. Werbung wirkt.

Limitierte Angebote, die mich in wilde Panik versetzen. Limits sind nahezu perfekt dazu geeignet. Sie wirken magisch, wenn es um beschleunigten Kaufrausch gehen soll. Kauf drei, zahl zwei! Obwohl man das dritte Teil nicht braucht und es schließlich wegwirft, weil ein Verschenken nicht mehr möglich ist oder gar nicht erst in Betracht gezogen wurde. Besonders schmerzhaft, wenn es um Nahrungsmittel geht, die verdorben im Müll landen, weil drei einfach eines zu viel war.

Aber auch Fake-News, die uns mit Verschwörungstheorien versorgen. Uns einkochen. Uns unkritisch werden lassen. Uns gegeneinander ausspielen.

Sex sells. Häufig darf ich Brüste in Werbungen betrachten. Beinahe völlig gleichgültig welches Thema bedient wird. Schokolade, Hygieneartikel, Fliesen, Gerüstebau oder Pizzadienste. Ist noch niemandem aufgefallen, dass wir mit derartiger Werbung regelrecht hereingelegt werden? In die Irre geführt! Sex sells. Ich bekomme Süßigkeiten, Sanitärzeugs, Eisenwaren, schlammfarbene Smoothies, Nasenspray und belegte Teigfladen, sogar pinkfarbenes (!) Werkzeug, aber niemals, wirklich niemals die Brüste jener Frau, die mir alles hautfarben präsentiert.

The show must go on.

Politiker und Politikerinnen, die sich volksnah geben und sich hinter unseren Rücken über unsere Gutgläubigkeit womöglich amüsieren. Mit Beratern umgeben, die jedes rhetorische Stilmittel nutzen, jedes Knöpfchen drücken, das sich drücken lässt. Widerwille befällt mich, sehe ich Wahlplakate, auf denen sich die zur Wahl gestellten Personen mit Kindern und Tieren umgeben, die nicht ihre Kinder und nicht ihre Tiere sind.

Achtung, sie kommen, und sie haben nichts mit der saisonal lästigen Influenza, mit der Grippe zu tun, sind aber zumeist ebenso entbehrlich: Influencer. Eine Gemeinschaft von Selbstdarstellern, die völlig natürliche, absolut unretuschierte Fotos von sich und von sich und von sich und von Landschaften posten, ohne daran zu denken, was sie mit ihrem Verhalten auslösen.

Letzter Trend: Zeig dich mit einem aufblasbaren Flamingo-Schwimmreifen im Gewässer eines Landschaftsschutzgebiets und sei so selbstherrlich alle zu erinnern, dass sie genau dorthin müssen. Dorthin, wo die Natur und die Tiere ihre Ruhe vor Menschen haben wollen, damit – am bitteren Ende – Naturzerstörung und Müll übrigbleiben.

Gaukler und Gauklerinnen. Blender und Blenderinnen. Mogelpackungen.

Und einer der größten Blender? Oder sollte ich sagen ein Verblendeter? Einer der sich auf das Verschaukeln seiner Mitmenschen eingeschworen hat. Dazu noch einer, der bedauerlicherweise mächtig ist, was ganz bestimmt eine brandgefährliche Kombination ist. US-Präsident Donald Trump. Dieser Präsident geht in die Analen ein, und dieser Schreibfehler ist keiner!

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28. März 2024