Vitaminreiche Happen zum Flying Dinner

Der Neujahrsempfang ist nicht mehr die üppige Tafelrunde. Fettarme Kost, die Steyrs Bürgermeister kredenzte, tut der Stadt gut.
Nach 35 Jahren, in denen der Neujahrsempfang im Steyrer Rathaus schon etwas Patina der Tradition angesetzt hat, durfte sich etwas ändern: Die Bestuhlung wurde reduziert, stattdessen Stehtische aufgestellt und nach der Neujahrsansprache von Bürgermeister Gerald Hackl beim "Flying Dinner" die Speisen in fingergerechten Happen gereicht. Das hat dem Hitzestau im Saal der aneinander im Spalier gepferchten Zuhörer ein Ende bereitet und wahrscheinlich auch die Aufmerksamkeit gesteigert.
Auf das Wesentliche reduziert, so kann man auch die vom Bürgermeister vorgetragenen Vorhaben betrachten. Nicht von ungefähr stellte Hackl seiner Rede Überlegungen über die Notwendigkeiten in einer Stadt voran. Die Reduzierung auf das Zweckmäßige mag auch den auf "Lean Production", auf schlanke Herstellungsprozesse getrimmten Industriemanagern von BMW-Vorstand Gerhard Wölfel über MAN-Vorstand Karlheinz Rauscher bis zu Franz Hammelmüller (SKF) und Willibald Salomon (Systema) gefallen haben. Hackl redete auch zu diesem Jahresanfang dem goldenen Mittelweg von "Jeden-Euro-dreimal-Umdrehen" und "Die-Stadt-nicht-kaputt-Sparen" das Wort.
Was sein muss, muss sein im neuen Jahr in Steyr. Wieder versickern unscheinbar Millionen in den Kanalbau am Tabor, damit das nicht die Fäkalien im Grundwasser tun. Mit drei modernen Altenheimen und vielfältigen Kinderbetreuungseinrichtungen will Steyr weiterhin der Musterfall einer sozialen Stadt sein.
Darüber hinaus kündigte Hackl Projekte an, die nichts Gigantisches in der Weltgeschichte bedeuten, für die Stadt aber von Wichtigkeit sind: Für einen transparenten Panoramalift auf den Tabor, eine 40 Meter hohe Konstruktion, wird der Architektenwettbewerb ausgeschrieben. Damit kommt das Langzeitwunschprojekt endlich auf Schiene. Die Aufstiegshilfe wird die Fußläufigkeit in der Stadt ändern. Das Zentrum wird besser begehbar, das führt letztlich zu mehr "Begegnung" der Bewohner der Stadtteile. Auch bei der Hanggarage am Ennsufer mit dem Steg über den Fluss sieht der Stadtchef die Verfahrensbremse gelöst. "Es sieht nach einer Lösung aus, ohne dass die Behördenwege von vorne beginnen müssen."
Nach wenig Sensation schaut es aus, wenn sich dieses Jahr Baukräne in der Innenstadt in die Höhe strecken. Weil aber 700 Wohnungen in Planung und in Bau sind, sprach Hackl von einem "Wohnbau-Boom". Tatsächlich müssten diese Wohnraumbeschaffung und eine neue Bevölkerungsdichte im Zentrum Spuren hinterlassen. Steyr müsste dann zu manchen Randzeiten nicht mehr so ausgestorben wirken, müsste mit mehr Menschen auch wieder ein gutes Stück urbaner werden.
Der Vorausblick des Rathauschefs strahlte irgendwie eine Unaufgeregtheit aus. Das trifft vielleicht die Sehnsucht der Gegenwart. Die Gäste aus den anderen Statutarstädten, Wels’ Bürgermeister Andreas Rabl (FP) und die Linzer Vizebürgermeisterin Silvia Huber (SP) trafen im Steyrer Rathaus auf ein Klima zwischen den Parteien, das in den Monaten nach der Gemeinderatswahl frei von Gezänk war. Die SP hat offenbar schnell gelernt mit der neuen Rolle zu leben, anstelle der absoluten nur noch eine relative Rathausmehrheit zu besitzen. Die zwei Stadträte der FP, Vizebürgermeister Helmut Zöttel und Mario Ritter , bewegten sich beim Neujahrsempfang sichtlich engagiert in der Rolle, Regierungsverantwortung zu tragen. Dabei verbietet sich die Deftigkeit der Worte, die mitunter am Stammtisch, Bierzelt oder beim Wahlauftritt von Heinz Christian Strache am Stadtplatz herrschte. Hackl wich auch der Flüchtlingsfrage nicht aus. "Wir müssen pragmatisch sein und dem Grundsatz der Menschlichkeit gerecht werden." Dafür erhielt er allseits Zwischenapplaus.
„Zehn Minuten“ ist die Vorgabe, die sich Bürgermeister Gerald Hackl jedes Mal beim Neujahrsempfang macht als Zeitlimit seiner Begrüßung. Die Nationalräte Johann Singer (VP) und Markus Vogl (SP) waren die Abgesandten des Parlamentes, für den OÖ. Landtag nahmen die Landtagsabgeordneten Regina Spalter (VP) und Evelyn Kattnigg (FP) sowie die Zweite Landtagspräsidentin Gerda Weichsler-Hauer (SP) teil. Stets vertreten sind auch die „Blaulichter“ Christian Moser als Stadtpolizeikommandant, Urban Schneeweiß als Bezirkschef des Roten Kreuzes und Feuerwehrkommandant Thomas Schurz. Der Stadt die Ehre geben jedes Jahr auch die Nachbarbürgermeister Johannes Kampenhuber (Dietach, VP), Annemarie Wolfsjäger (St. Ulrich, VP), Hubert Kern (Aschach/Steyr, VP), Karl Mayr (Wolfern, VP), Manfred Kalchmair (Sierning, VP) und Anton Silber (Garsten, VP). In bester ökumenischer Eintracht kamen die Kirchenvertreter und Pfarrer Roland Bachleitner, Brian Fernandez und Friedrich Rössler zum Neujahrsempfang. Die Gerichtsbarkeit vertraten der leitende Staatsanwalt Guido Mairunteregg und der Präsident des Landesgerichtes Steyr Erich Dietachmair. Für die Wirtschaft nahmen u. a. BMW-Vorstand Gerhard Wölfel und BMW-Kommunikationschef Peter Weixelbaumer, MAN-Vorstand Karl-Heinz Rauscher, die SKF-Manager Franz Hammelmüller und Werner Freilinger, ZF-Vorstand Johann Reif und Willibald Salomon (Systema) teil.
130 Millionen Euro setzte ZF aus Steyr im vergangenen Jahr um. „Damit war 2015 für uns ein Rekordjahr“, berichtete ZF-Vorstand Johann Reif, der heuer die Dankesrede beim Neujahrsempfang hielt. Der 530-Mitarbeiter-Betrieb feierte auch sein 100-jähriges Bestehen.