Nachthimmel wie in Afrika: Hohe Dirn soll ein "Lichtschutzgebiet" werden

Von Hannes Fehringer   14.August 2018

In der Nacht der Perseiden flackerten Sternschnuppen über das dunkle Firmament. "Eigentlich sieht man den erhellten Luftkanal, durch den der Meteor mit 250.000 Stundenkilometer durch die Atmossphäre verglüht ist", sagt Hans-Heinrich Wenk. Der Techniker aus Losenstein hat in der Sternschnuppennacht ein Dutzend interessierte Naturbeobachter in sein Privat-Observatorium eingeladen, das er sich mit eigener Hände Arbeit in der Einöde der Berge errichtet hat. Hundert Höhenmeter über ihm haben 80 Interessierte bei dem soeben fertig gestellten Sternenpark der Sternenfreunde Steyr und der Linzer Astronomischen Gesellschaft (LAG) die Fernrohre auf die verglühenden Himmelskörper gerichtet. Das Naturschauspiel war nicht nur wegen des Neumondes am sonst stockfinsteren Nachthimmel so gut zu beobachten wie sonst nirgendwo. Über der Nebelmauer auf über 1000 Metern Seehöhe gelegen, ist das Gebiet der Hohen Dirn ein Reservat, in dem noch kein Kunstlicht leuchtet.

Sternenfreunde und LAG haben auf einer Hütte der Bergrettung ein Lichtmessgerät installiert, das den Hobby-Astronomen eine Leuchtkraft des Sternenhimmels von in guten Nächten bei 21,5 Magnituden anzeigt. Keine Leuchtreklame blendet das Auge, keine Straßenlampe überstrahlt das Sternengefunkel, auf der Hohen Dirn herrscht stockfinstere Nacht. "Eine solche Dunkelheit findet man ansonsten in Namibia", sagt Bernhard Mayr von den Steyrer Sternenfreunden.

Die Finsternis erfreut nicht nur die Sternengucker, sondern ist auch eine Wohltat für die Insekten, die sich hier oben nicht zu Tausenden in das gleißende Licht verfliegen und an den Glühlampen verbrennen. "Die Umweltauswirkungen der Lichtverschmutzung spürt schon jeder", sagt Wenk. Dass Vogelfreunde Amsel, Fink und Star jetzt auch schon den Sommer über mit Körnern durchfüttern müssen, hat seinen Grund: Die Tiere finden keine Insekten mehr zu fressen, die das tödliche Nachtlicht in Massen anzieht.

Die Bestrebung, nicht den letzten Winkel des Ennstales auszuleuchten, will nun das Regionalmanagement zu einem Markenzeichen machen. "Es gibt nichts, das den Menschen mehr staunen lässt, als eine Sternennacht im Sommer", sagt Reichramings Bürgermeister Reinhold Haslinger (SP), "das ist auch eine Erziehungsfrage für die Jungen". Wie sein Amtskollege Gerhard Klaffner (SP) aus Weyer unterstützt er jede Initiative im Ennstal, welche die Lichtflut wieder dämmen will. "Ein Weg sind Straßenlaternen, die nicht mehr nach oben abstrahlen. Aber die kosten leider viel Geld", sagt Klaffner.

Das Gebiet auf der Hohen Dirn, das sich zum Großteil im Nationalpark Kalkalpen befindet, will man nun zum "Lichtschutzgebiet" erklären lassen. "Ich rede nicht nur vom Umweltschutz", sagt der Obmann des EU-Leaderprogrammes, der Landtagsabgeordnete und Bürgermeister von Steinbach an der Steyr, Christian Dörfel (VP), "die Auszeichnung etwa als ein ,International Dark Night Place’ würde auch touristisch etwas bringen." Weltweit planen Sternenbeobachter bereits ihre Reisen nach den besten Beobachtungsplätzen.

"IDA"-Zertifikat oder UNESCO-Welterbe

Leader-Obmann Christian Dörfel würde eigentlich eine Listung als „International Dark Sky Place“ bei der „International Dark Sky Association“ (IDA) bevorzugen. Die IDA mit Sitz in Tucson, Arizona, ist die weltweit führende Organisation gegen die Lichtverschmutzung. Die IDA stellt nach Vorlage von entsprechenden Belegen und Beweisen Zertifizierungen von Gebieten als „internationale Dunkelzonen“ durch, was von Wertigkeit und Prestige einer Unterschutzstellung gleichkommt. Eine ständig wachsende Zahl von internationalen Himmelsbeobachtern wählt ihre Reiseziele bereits bewusst nach der IDA-Liste aus, auf der sich noch kein Gebiet in Österreich befindet. Der nächste „Dark Sky Place“ ist die Winklmoosalm in Bayern, deren Zone an die österreichische Staatsgrenze in Tirol heranreicht.

Eine zweite Möglichkeit wäre der Versuch einer Anerkennung des Nachthimmels der Hohen Dirn als UNESCO-Weltnaturerbe, wie sie soeben der Nationalpark Kalkalpen mit seinen Buchen-Urwäldern erlangt hat. „Das dürfte aber zu langwierig werden“, sagt Dörfel, dem die Einreichung bei der IDA besser gefällt.