Gigantisches Kunstwerk aus Balken und Kreuzen
Die katholische Kirche hat nichts zu verbergen – auch nicht auf dem Dachboden. Bei der "Langen Nacht der Kirchen" sperrte der Steyrer Theologe Franz Schmidsberger Türen zu den hintersten Winkeln der Marienkirche auf, über deren Schwellen noch kein Kirchgänger seinen Fuß gesetzt hat.
Zweifler, was es denn auf einem Dachboden schon Großes zu sehen gebe, trieb die Neugierde zu dem barocken Gotteshaus, das der Jesuitenorden zur Gegenreformation in Steyr betreute. "Eigentlich hatten wir nur drei Anmeldungen", sagte Stadtführer Wolfgang Hack, als er vor einer großen Reisegruppe stand, als wäre diese gerade einem Autobus entstiegen.
Wie sich herausstellte, lohnten sich die Stufen die Stiege hinauf zu den Räumen über dem Hochaltar und dem Kirchenschiff. Die Besucher wurden mit Geländern und Steigen zu unglaublichem Zimmermannshandwerk geführt. In die Balken, die aus dem 17. Jahrhundert stammen, sind kunstvoll Buchstaben und Zahlen eingekerbt. "Der Dachstuhl wurde am Boden gezimmert und dann zerlegt und nummeriert, nach oben geschafft und wieder zusammengebaut", erzählte Hack. Exakt von Hand gehobelte Holzverbindungen beeindruckten die Besucher nachhaltig – ebenso wie die Offenheit der Vorführung.
Barocke Zimmermannskunst: Dachstuhl der Marienkirche
Bei allem barocken Glanz und Glorie des Gotteshauses bekannten Schmidsberger und Hack auch die Sünden ein, die die Katholiken gegenüber Mitchristen begangen hatten. "Als das Gotteshaus hier am Grünmarkt gebaut wurde, da musste eben ein Dutzend Bürgerhäuser weichen. Weil die Besitzer evangelisch waren, scherte sich niemand darum", sagte Hack.
Wolfgang Hack und Franz Schmidsberger
Das Licht, in das im Hauptschiff und bei den Seitenaltären Tabernakel, Gottesmutter und Heiligenstatuen getaucht wurden, war in warmen Violett- und Rottönen gehalten. Die Elektriker-Gebrüder Reinhard und Arno Waldhauser hatten die Farbscheinwerfer aufgestellt. Das barocke Gotteshaus erschien in einem Licht der Mystik und demütigen Hingabe. Natürlich ist die "Lange Nacht der Kirchen" eine ökumenische Veranstaltung und die Gegenreformation war ein Kapitel, das auch in der Marienkirche kritisch beleuchtet wurde.
Ensemble "Zeitlos" in der Michaelerkirche