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"Aufstand 1934 war wie Selbstmord"

Von Hannes Fehringer, 17. Februar 2014, 00:04 Uhr
Gerald Hackl
"Noch bis in die Sechzigerjahre hinauf war Österreich ein erzkonservativer Bauernstaat.« Gerald Hackl, der Steyrer Bürgermeister (SP) sieht die Sozialdemokratie in Österreich damals wie heute als eine reformerische Kraft. Die Sicherung des Wohlstandes sei aber bleibender Auftrag. Bild: Hannes Fehringer

STEYR. Von politischen Kämpfen abgesehen, hing das Geschick der Stadt einzig von den Steyr-Werken ab. Heute hat die Stadt mehrere Standbeine, doch eine Weltwirtschaftskrise in der Fahrzeugindustrie wäre schwer verkraftbar.

Die Stadt Steyr hat mit einem Fackelzug und einer Kundgebung mit über 300 Teilnehmern würdig der Opfer des Aufstandes gegen die Machtergreifung des Faschismus in Österreich gedacht. Bei einem Gespräch im Rathaus versuchten Bürgermeister Gerald Hackl (SP) und der Historiker und Buchautor Josef Stockinger ("Zeit, die prägt") Lehren aus den Februarkämpfen 1934 zu ziehen.

 

OÖNachrichten: Bei der Kundgebung vor dem Opfermahnmal auf der Ennsleite war es bei den Kranzniederlegungen mucksmäuschenstill. Was ist Ihnen durch den Kopf gegangen?

Hackl: Wie verzweifelt mussten die Männer vom Republikanischen Schutzbund gewesen sein, dass sie sich sagten: Jetzt ist mir schon alles egal, es kann nicht gut gehen, ich kann da niemals gewinnen, aber ich wehre mich jetzt, auch wenn ich weiß, dass ich wahrscheinlich erschossen oder eingesperrt werde. Das war wie Selbstmord. Stockinger: Es war kein Bürgerkrieg. Es wurden andauernd Waffen gesucht, der Schutzbund wurde verboten und die Maiaufmärsche eingeschränkt und untersagt. Das war eine Zuspitzung. Hackl: Das Regime trieb sie dorthin: "Irgendwann wehren sie sich, und dann zerschlagen wir sie ganz."

"Geteilte Schuld" gab es nicht?

Stockinger: Die Dokumente beweisen, dass es das Regime so anlegte, die Arbeiter und die Sozialdemokratie aus dem politischen Leben auszuschalten. An den Kampfhandlungen in Steyr und in anderen Gebieten in Österreich war die Heimwehr nur noch ganz am Rande oder überhaupt nicht beteiligt. Ich halte geteilte Schuld für falsch, nicht einmal für eine Aufteilung 70 zu 30 zu Lasten der Heimwehr.

Sehr oft werden die Massenentlassungen in den Steyr-Werken in den frühen Dreißigerjahren als die eigentliche Wurzel des Blutvergießens betrachtet.

Stockinger: In der Geschichte zeigte sich immer, dass Elend und Armut nie einen Fortschritt brachten. Daher blieben auch Pläne, in Steyr ein zweites rotes Wien zu schaffen, in den Schubladen.

Stattdessen Hunger und Überlebenskampf, weil die Stadt an einem einzigen Großbetrieb hing?

Hackl: Man kann nicht nur diesen Nachteil sehen. Wenn ich an Werndl zurückdenke, was in dieser Stadt alles Positive entstehen hat können, weil es eben einen so großen Arbeitgeber gegeben hat, dann ist das die zweite Seite. Wenn ich es heute beklagen sollte, dass Steyr so abhängig ist von der Fahrzeugindustrie: Wir haben im Stadtgut allein 1200 Beschäftigte aus anderen Branchen. Aber klar, wir haben einen Schwerpunkt. Stockinger: Dieser eine Großbetrieb spielte in der Zwischenkriegszeit eine große Vorbildrolle, weil in ihm sehr viel Soziales durchgesetzt wurde, es etwa geregelte Löhne gegeben hat. Hackl: Aus diesen Großbetrieben gehen große Impulse aus. Gerade auch, was die gewerkschaftlichen Aktivitäten betrifft, bis heute. Wenn in Österreich Lohnverhandlungen anstehen und es an der Kippe steht, ob gestreikt wird oder nicht, schaut man nach wie vor nach Linz und Steyr: Was machen die Betriebsräte hier? Das war auch damals so: Was die Arbeiterschaft in den Steyr-Werken entschieden hat, hatte Auswirkungen bis Wien.

Vielleicht ließ auch gerade das die Heimwehr um so wilder nach dem "starken Mann" rufen.

Stockinger: Von der Weltwirtschaftskrise und den Einschränkungen der Sozialleistungen waren alle betroffen, aber Februar 1934 war europaweit gesehen Österreich das erste Land, in dem jemand aktiv gegen den aufkommenden Faschismus aufgestanden ist. Die Menschen waren überzeugt: "Die Rechte, die wir erkämpft haben, die wollen wir weiter haben!" Das waren anfängliche materielle Verbesserungen, dass man sich beim Sonntagsausflug beim Dambergwirt eine Halbe Most kaufen konnte – ein Erlebnis, von der man einen Monat lang zehrte. Es gab auch den kulturellen Aufschwung mit Gesangsverein, Mandolinenorchester, Arbeiterbriefmarkensammlerverein. Es war ein Erlebnis von Freiheit, aber nicht jeder für sich alleine, sondern in einem Lebensgefühl der Gemeinsamkeit.

Gegenentwurf zum starken Mann ist, jeden Lebensbereich mit Demokratie zu durchfluten, wie Kreisky sagte.

Hackl: Wir müssen wieder aufpassen, dass diese Bereiche, die von Demokratie durchflutet gehören, nicht wieder verstopft und zugemauert werden. Tendenzen sind da von ganz anderer Seite: Die Produktivitätssteigerung ist das Credo unserer Zeit und der Gewinnmaximierung. Das bringt nicht nur uns, sondern auch unsere europäisch und sozial denkenden Industriemanager hier in Steyr in ein großes Spannungsfeld.

1934 wurde die Sozialdemokratie mit Waffengewalt niedergeschlagen. Zum 100-Jahr-Jubiläum wurde ihr zu Tode gratuliert: Bei ihren Errungenschaften brauche man sie nicht mehr.

Hackl: Die Linke ist unsterblich. Heute aktuell sind etwa Fragen der Integration. Auch hier ist das Streben nach breitem Wohlstand und breiter Bildung wichtig und die Antwort konservativ denkender Bewahrer, dass es Unterschiede und Klassen in der Gesellschaft geben muss, ist weiter falsch.

Für die Gedenkveranstaltung am 12. Februar hatte die FPÖ als einzige Partei keine Zeit.

Hackl: Gedenkkultur ist etwas Wesentliches. Wir müssen sehen wo wir herkommen und wo wir hinwollen. In der sozialdemokratisch geführten Stadt sind sozialer Friede und Wohlstand für möglichst alle die höchsten Ziele – sie müssten aber die Ziele für alle sein und das Gefühl habe ich auch.

 

Die Personen

Bürgermeister Gerald Hackl: Vor seiner Wahl zum Bürgermeister der Stadt Steyr war Hackl bereits auch beruflich bei der Sozialdemokratie tätig: Der ehemalige Magistratspressesprecher führte als Bezirksparteisekretär die Geschäfte der SP im Steyrer Bezirk. Als Bürgermeister ist Hackl ein Pragmatiker, der lösungsorientiert arbeitet und möglichst breite Mehrheiten sucht.

Josef Stockinger: Stockinger ist Politologe und Zeithistoriker. Stationen seiner Laufbahn: Akademie der Wissenschaften und das Museum Arbeitswelt. Seit 1988 ist er im Bereich der beruflichen Aus- und Weiterbildung von Menschen mit Behinderung tätig. Stockinger ist Autor des Buches „Zeit, die prägt“, das das Steyr der Zwischenkriegszeit dokumentiert.

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2  Kommentare
2  Kommentare
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( Kommentare)
am 18.02.2014 15:25

Ja, Steyr zahlt den Steg von der Hanggarage zum Stadtplatz, auch dessen Erhaltung ....... und wann wurden die Bürger befragt, ob sie diese Millionenausgabe überhaupt wollen ?

Die SPÖ fährt mit ihrer Mehrheit über die Bevölkerung drüber und das wird sich furchtbar rächen bei der nächsten GR-Wahl 2015.

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platin (1.739 Kommentare)
am 17.02.2014 11:43

Wenn ich es heute beklagen sollte, dass Steyr so abhängig ist von der Fahrzeugindustrie: Wir haben im Stadtgut allein 1200 Beschäftigte aus anderen Branchen.

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Die Fahrzeugindustrie, vornehmlich als Werkbank deutscher Unternehmen deklariert, hält die Stadt Steyr noch am Leben, erlaubt es, eine aufgeblasene Bürokratie zu haben, einen Verwaltungsapparat wie in einer Großstadt, unzählige schwerverdienende Vizebürgermeister, die nicht alle qualifiziert sind, zu entlohnen.......... etc. etc.

Wäre Hackl jemals in der Privatindustrie gewesen, müsste er wissen, dass "Wirtschaft" auch "Anpassung" benötigt, dass man gewisse Verwaltungsebenen einfach canceln kann und so das Defizit verringert.

Aber solange die Industrie brummt, wird sich nichts ändern, sind ja alle Magistratler brave Wähler.

Aber die GR-Wahl 2015 wird die SPÖ ordentlich absacken lassen, Hackl, Oppl + Hauser sei DANK.

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