HTL-Schüler lüften Stradivaris Konstruktionsgeheimnis

Von ebra   16.Jänner 2015

Die Instrumentenbaukunst von Antonio Giacomo Stradivari (1644–1737) gilt bis heute als unübertroffen. Seit Jahrhunderten beschäftigt Forscher die Frage, warum Stradivari-Geigen so einzigartig klingen.

Vor zehn Jahren tauchte die Theorie auf, die "kleine Eiszeit" zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert hätte das Baumwachstum verlangsamt, damit engere Jahresringe hervorgebracht und den Spätholzanteil (dunkle Ringe) reduziert – was zu einer besseren Klangqualität führen soll.

Entscheidende 18,66 Millimeter

Besonders gut geeignet für den Instrumentenbau ist auch das Holz der Bergfichten, die am Fuß des Dachsteins wachsen. Die kargen Böden und harten Winter verursachen ein langsames Wachstum und gute Klangeigenschaften. Der Instrumentenbau hat im inneren Salzkammergut deshalb eine lange Tradition, und in der HTL Hallstatt werden Instrumentenbauer sogar ausgebildet.

Schülern dieser Einrichtung gelang es jetzt, das bisher unbekannte Konstruktionsgeheimnis der Stradivari-Geigen zu entschlüsseln. Sie entdeckten, dass sich alle Proportionen der Geigen auf eine einzelne Maßeinheit zurückführen lassen, die sie auf einem Lineal aus dem Nachlass von Stradivari entdeckten. Diese Maßeinheit ist 18,66 Millimeter lang und war keine Idee des berühmten Geigenbauers selbst. Stradivari und seine Zeitgenossen übernahmen sie von ihrem Cremoneser Vorgänger Andrea Amati (1505–1577).

Allerdings wusste man bisher nicht, was es mit dieser Maßeinheit auf sich hat. "Meine Schüler fanden heraus, dass alle Kreisradien und Abstände auf den alten Violinen genau ein Vielfaches dieser Einheit sind", sagt die Instrumentenbau-Lehrerin Simone Zopf. "Alle relevanten Umrissmaße sind durch das Amati-Inch teilbar. Dieses Proportionsprinzip war bisher völlig unbekannt."

Verblüffend einfach zu zeichnen

Und es zeigt, dass der Entwurf der Stradivari-Violinen verblüffend einfach war. Die Cremoneser Geigenbauer brauchten dazu nur ein Lineal mit dem Amati-Inch und einen Zirkel. Das Maß wurde auf dem Holz genau ein-, zwei-, dreimal oder noch öfter abgeschlagen, um die Umrisse und Kreisbögen zu zeichnen. "Am Ende entsteht die perfekte Proportion, die auch eine wesentliche Voraussetzung für den einzigartigen Klang dieser Geigen bildete", sagt Zopf.

Die Entdeckung der Schüler verbreitet sich in Fachkreisen wie ein Lauffeuer. Inzwischen werden die angehenden Instrumentenbauer zu Fachkongressen eingeladen, um dort das bisher unbekannte Grundprinzip der Stradivari-Konstruktion zu erläutern.