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Rund um den "Stoa"

Von Lutz Maurer, 22. Juni 2019, 00:04 Uhr
Rund um den "Stoa"
1882 war der Adlerhorst das Ziel von drei kühnen Gmundnern.

Der Traunstein macht fast allmonatlich Schlagzeilen. Kein anderer Berg Österreichs forderte in den vergangenen 120 Jahren mehr Opfer; trotzdem fasziniert er die Menschen, vor allem die Künstler.

Schon am Fuß des Berges hatte mich eine Art Freudenrausch ergriffen. Meine Zuversicht stieg mit jedem Schritt. Ganz oben trat ich dann heraus – auf den äußersten Rand des Abgrunds. Der Jäger frohlockte: ,Das ist Kuraschi! Da ist noch keiner von die Stadtherrn aussitretn!’ Bruder, die Minute, die ich auf jenem Rande stand, war die schönste meines Lebens!" Ein Dichter, dessen Leben von Schwermut geprägt und auch in Schwermut geendet hatte, schrieb dies im Juli 1831 seinem Schwager: Nikolaus Lenau.

Er wird wohl an der Kante einer der Wände gestanden sein, die an der Westseite des Berges steil in die Tiefe zum Traunsee stürzen. Trotz seiner geringen Höhe von 1691 Metern ist der Traunstein weithin sichtbar, bei schönem Wetter über 100 Kilometer. Faszinierend das Panorama, das sich dem Bergsteiger vom Gipfelplateau mit seinen zwei Hütten, der Gmundner AV- Hütte und dem Naturfreundehaus, aus bietet: Im Norden erblickt er an klaren Tagen den Böhmerwald, im Südwesten das Höllengebirge mit dem Feuerkogel; im Südosten hinter dem Erlakogel, ob seiner Silhouette "die Schlafende Griechin" genannt, das Tote Gebirge und den Dachsteingletscher. An der Südostseite des "Stoa", wie ihn viele nennen, liegt der idyllische kleine Laudachsee, ein Lieblingsort Lenaus.

Rund um den "Stoa"
Kaiserliche Jäger mit Gämsen, die im Traunsteinrevier gefangen wurden.

"Schöne Sennin, noch einmal Singe deinen Ruf in’s Thal, Dass die frohe Felsensprache Deinem hellen Ruf erwache."

Auf einer nahen, längst aufgelassenen Alm muss wohl die junge Frau, die ihn mit ihrem Bruder, einem Gamsjäger, zum Gipfel geführt hatte, Sennerin gewesen sein. Ihr widmete er sein Gedicht "Die Sennin". Aufgestiegen waren die drei wohl über den ältesten und leichtesten Anstieg, den heutigen Mairalmsteig aus dem südlichen Lainautal.

Zerstörung des Adlerhorstes

Der wagemutige Durchstieg durch die steilen Westwände des Traunsteins begann im heroischen Zeitalter des Alpinismus. 1882 war der schroffe Adlerhorst das Ziel dreier kühner junger Gmundner – aus triftigem Grund. Auf der Felsnadel nisteten seit frühen Zeiten Raubvögel, den Berufsfischern am Traunsee verhasste Fischadler. Nach einigen vergeblichen Versuchen gelang Hans Hernler, Johann Daxner und Karl Fried im Oktober jenes Jahres der Aufstieg und die Zerstörung des Nestes. Hernler, von Beruf Lederhändler, war die treibende Kraft gewesen. Nach ihm, später auch Ehrenbürger Gmundens, wurde der Hernlersteig, eine der heute 265 Routen auf den Traunstein, benannt.

Kaiserliches Jagdrevier

Wie auf allen Bergen des Salzkammerguts hatten Gamsjäger, zumeist Wilderer, als Erste den Traunstein erklettert, das "vielleicht beste Gamsrevier Österreichs", so ein heutiger Jagdpächter. Der erste urkundlich erwähnte Waidmann war ein allerhöchster Gast und wichtiger Reformator des Bergwesens im Salzkammergut gewesen: Kaiser Maximilian I., "der letzte Ritter". Er weilte im November 1506 fünf Tage in seiner Residenzstadt Gmunden und stieg am 14. November "auf das sehr hohe Gepürg". Mit Erfolg, wie etliche seiner Nachfolger. Erzherzog Johann, "der steirische Prinz", schoss seine erste Gams nicht in der geliebten Steiermark, sondern am Traunstein, auch ein bevorzugtes Revier seines kaiserlichen Großneffen Franz Joseph.

Gämsen für Neuseeland

Wussten Sie, dass ein Gletscher und eine kleine Bahnstation in den mächtigen Bergen Neuseelands den Namen des Kaisers tragen? Es war der Dank der Doppelinsel am anderen Ende der Welt für ein Tauschgeschäft, eingefädelt von einem Bergsteiger und Seefahrer der K.u.k.-Monarchie. 1888 versuchte der Linienschiffsleutnant Rudolf von Höhnel, von Graf Samuel Teleki aus Ungarn begleitet, als Erster den Kilimanjaro und danach den Mt. Kenia zu besteigen. Beide Versuche misslangen; so wandte man sich dem damals noch unerforschten Norden Kenias zu und entdeckte einen riesigen, von Krokodilen wimmelnden Salzwassersee. Zu Ehren des österreichischen Thronfolgers erhielt er den Namen "Rudolfsee". Lake Turkana heißt er heute.

Rund um den "Stoa"
Peter Altenberg auf der Esplanade

Jahrzehnte später besuchte Höhnel, inzwischen ein Admiral der K.u.k.-Kriegsflotte, mit seinem Kreuzer "Panther" einige Staaten des Commonwealth. In Neuseeland erfuhr er, dass nach der Entdeckung 1769 durch James Cook bereits alles jagdbare Wild, vor allem die Emus, eine Straußenart, schon längst ausgerottet war. 1861 importierten die jagdlustigen Engländer stattdessen Hirsche aus dem Mutterland. Als Neuseelands Premier erfuhr, dass sein König Edward VII. bei einem Besuch Franz Josephs in Bad Ischl Gämsenjagden beigewohnt hatte, bat er Höhnel um Unterstützung eines Deals: seltene neuseeländische Vögel und Reptilien für den Tiergarten Schönbrunn, als Gegengabe Gämsen für das Berggebiet des über 3000 Meter hohen Mt. Cook. Höhnel schaffte die Aufgabe – ob er auch jemals den Traunstein bestieg, war nicht in Erfahrung zu bringen. Ein erster Versuch, Gämsen im kaiserlichen Revier Mürzzuschlag zu fangen, misslang. Der Forstmeister von Ebensee verstand sich darauf besser.

Frühjahr 1906. Im Revier um den Traunstein wurden mit Netzen vorsichtig zwei Böcke und sechs Geißen gefangen, den Rest des Jahres so gut betreut, dass sie zuletzt dem Jagdpersonal aus der Hand fraßen. In gepolsterten, mit Futter und Wasser gefüllten Transportkisten reisten sie zunächst nach London. Dort übernahm ein englisches Schiff den Weitertransport. Im März 1907 erreichten die Tiere am Ende ihrer 49-tägigen Weltreise wohlbehalten ihr Ziel und wurden sofort ausgesetzt. Gut gemeint ist aber oft das Gegenteil von gut! Da die Gämsen in der neuen Heimat keine Gegner hatten, vermehrten sie sich rapide und zerstörten die Gebirgsflora mit ihren Hufen so stark, dass sie bald zum lizenzfreien Abschuss freigegeben und später sogar vom Hubschrauber aus erlegt wurden.

Das größte Glück von Burgl Schramml – Gamsbartbinderin ihr Beruf – ist es, ab und zu neuseeländische Gamshaare aus dem Aalstrich, dem schwarzen Streifen am Rücken der Gams, zu bekommen. "Die schönsten Haare für einen Gamsbart", sagt die Ausseerin.

Sturm auf den "Stoa"

Von den nahen Städten des Alpenvorlandes war der Traunstein immer schon leicht zu erreichen. Vor allem auch seit dem Bau einer Seilbahn auf den Grünberg, den Hausberg Gmundens. Das führt im Naturschutzgebiet, in dem der Traunstein liegt, oft zu Massentourismus, zum Ansturm von erlebnishungrigen, sich oft überschätzenden Bergsteigern. Fast 140 Menschen starben seit 1898 am Berg; die letzten erst vor wenigen Wochen. Eine große Herausforderung für die 1920 gegründete Gmundner Bergrettung, eine aus vielen Bevölkerungsschichten zusammengesetzte elitäre Mannschaft.

"Den See anstarren"

"Die Natur erobern durch Strapazen, durch körperliche Opfer?!? Du eroberst sie doch hoffentlich momentan stets und überall durch deine empfänglichen Augen, deine empfängliche Seele, auch ohne direkt ,angeseilt’ zu sein auf S c h w i n d e l - Platten?!? Wehe dir, wenn du erst ,Mühe’ brauchst, um das zu genießen, was Gott dir ganz von selbst spenden wollte in seiner Gnade! An ,versicherte Steige’ in Felswänden dachte der Allgütige freilich nicht", spottete bereits vor weit mehr als hundert Jahren ein berühmter Wiener Schriftsteller: Peter Altenberg. Als Kaffeehauspoet mit Visitenkartenadresse "Wien, I. Bezirk, Herrengasse, Café Central" war er, wenn auch kein Bergsteiger, so doch ein begeisterter Bergwanderer auf Rax und Schneeberg am geliebten Semmering, sogar in den Dolomiten. Viele Sommer genoss er an den Ufern des Traunsees und antwortete, in Wien einmal nach seiner Lieblingsbeschäftigung gefragt: "Den Sommer in meinem heiligen Gmunden verbringen und den See anstarren vom Morgen bis zum Abend!"

Daraus entstanden viele seiner kostbaren literarischen Miniaturen wie "Die Landungsstege an den Salzkammergutseen". Seine Unterschrift findet sich auch neben jener unzähliger Berühmtheiten im Gästebuch seines Gmundner Stammcafés, dem "Grellinger". Zu ihnen zählte auch der Ischler Sommergast Johannes Brahms. Dem Wiener Kunstsammler und Industriellen Dr. Viktor Miller Ritter zu Aichholz eng verbunden, fand er in dessen Gmundner Villa oft Quartier. Nach dem Tode des Komponisten ließ Miller-Aichholz im Garten der Villa ein kleines Brahmsmuseum einrichten. Das Stadtmuseum Gmunden bewahrt heute dessen Schätze. Auch ein enger Freund beider fand in Gmunden sein Refugium und idealen Arbeitsplatz. "Alles, was ich in den letzten 40 Jahren schuf, entstand in Gmunden", bekannte zu seinem achtzigsten Geburtstag der einst weltbekannte Wiener Komponist Carl Goldmark.

Pass fürs Salzkammergut

Um in der Sommerfrische dem Kaiser nahe zu sein, errichteten viele Adelige einst in Ischl ihre Villen. In Gmunden erinnern prächtige Schlösser an einstige, 1871 durch Bismarck zur Abdankung und ins Exil gezwungene deutsche Herrscher, etwa an Georg V., König von Hannover und Herzog von Cumberland. Gmunden, der Traunstein und der Traunsee, den schon die Römer "Lacus Felix", glücklicher See, genannt hatten, war – ehe Ischl durch Kaiser Franz Joseph zur weltberühmten Sommerfrische wurde – lange Jahrhunderte durch Salz, das "weiße Gold", wirtschaftlicher und politischer Mittelpunkt des habsburgischen Salzkammerguts. Bis 1848 konnte man es erst mit einem eigenen, im Gmundner Salzamt ausgestellten Pass bereisen.

Heute gehören eine Besteigung des "Stoa" und die Überquerung des Sees – schwimmend, nicht mit dem Boot – zu den tiefen Erlebnissen eines weltberühmten Schriftstellers: Christoph Ransmayr. Er hatte als Fünfjähriger an der Hand des Vaters erstmals Gipfelglück am "Wächter des Salzkammerguts" genossen …

TV-Tipp: ORF III sendet Lutz Maurers neue "Land der Berge"-Dokumentation "Der Traunstein – Wächter des Salzkammerguts" am 26. Juni, 21.05 Uhr (Wiederholung am 29. Juni, 19.25 Uhr)

 

Schriftsteller Christoph Ransmayr über die Berge

„Viele meiner Fantasien, auch Märchenfantasien, bewegen sich um den Traunstein, nachdem in meiner Kindheit eines meiner ersten Bücher „Die Alpensagen“ waren. Und als ich dann als Fünfjähriger den Gipfel erreichte, hatte ich das Gefühl, dass alle Fantasien berechtigt waren.

Man steigt tatsächlich vom Wasser in die Höhe, durch alle Ebenen der Fantasie, durch das Reich der Elfen und Zwerge einerseits, der Wettergötter, der Sturm- und Windgötter, und gleichzeitig war es aber auch damals – und das galt dann späterhin in sehr viel höheren meiner Berge in Nepal und Tibet – eine Art Zeitreise. Denn vom Fuß eines Berges in die Höhe zu steigen, bedeutet ja immer durch Zeitalter zu gehen; mit jedem Schritt in die Höhe bleiben die Zivilisation und alles, was an die Gegenwart erinnert, immer weiter zurück. Dann findet man sich oben oder vielleicht schon nicht ganz oben in einer Landschaft, die sich jetzt nicht viel anders präsentiert als vor hunderttausend, dreihunderttausend, fünfhunderttausend Jahren.

Und aus dieser tiefsten Vergangenheit und Menschenferne wieder zurückzukehren in die Geborgenheit der Zivilisation, wie einst ins Elternhaus, das war eine Reise in die Abenteuerlichkeit, die nicht zu überbieten war.“

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8  Kommentare
8  Kommentare
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Harbachoed-Kater (4.909 Kommentare)
am 23.06.2019 17:29

Wegen der Fehler HIER:

Kennt jemand sowas:

„Bilder aus Grünberg am Traunsee“ [der Redaktion am 20. Juni 2019 gemeldet]
https://www.nachrichten.at/oberoesterreich/sonne-regen-und-gewitter-am-wochenende-dann-wird-es-heiss;art4,3140494

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rudigier (350 Kommentare)
am 23.06.2019 15:59

Georg von Hannover wurde 1866 von Bismarck zur Abdankung gewungen und aus Deutschland vertrieben (preussisch-österreichischer Krieg, die Preussen besetzten Hannover) nicht 1871 da war der deutsch-französische Krieg, d.h. es war vor der Gründung des deutschen Kaiserreiches.

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MarTin84 (392 Kommentare)
am 22.06.2019 21:57

"Stoa" nennen ihn meiner Erfahrung nach vor allem die, die "cool" klingen wollen...

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Zaungast_17 (26.399 Kommentare)
am 24.06.2019 10:24

nein, die Einheimischen

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Stuz1945 (152 Kommentare)
am 22.06.2019 09:08

Große Teile des Artikels/Beitrags haben mit dem Traunstein wirklich nichts zu tun, außerdem liegt der Laudachsee nicht südlich vom Traunstein....usw.

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FakeNewsLeser (2.157 Kommentare)
am 22.06.2019 16:56

Gibt auch nicht 265 Routen AUF den Traunstein, wahrscheinlich werden da weit über 200 Kletterrouten mit gebohrten Hacken mitgezählt die den Berg mit Eisenmüll verschandeln, davon nur ganz wenige die wirklich AUF den Berg führen, der Rest ist irgendwo AM Berg

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FakeNewsLeser (2.157 Kommentare)
am 22.06.2019 16:58

Heißt natürlich Haken, "Autokorrektur"

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metschertom (8.030 Kommentare)
am 24.06.2019 11:14

Seit wann verschandeln Bohrhaken den Berg? Du kennst Bohrhaken anscheinend auch nur vom Hörensagen. Und zu deiner Info - die sieht man nur wenn man genau schaut bzw. weiß wo die Routen verlaufen!!!! Da stoßen mir viel mehr die Halbschuhtouristen und der weg geworfene Müll sauer auf!

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