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Revolution der Liebe

Von Klaus Buttinger   04.Dezember 2021

Die Szene, die heute noch jede Weihnachtskrippe zeigt, ist ein Mythos. Der Komet kam zu spät, um zur Geburt von Jesus Christus zu leuchten, errechneten Astronomen. Der Geburtsort war – wenn nicht ein ganz normales Haus – eine Höhle für Nutzvieh in Nazareth und kein Stall in Bethlehem, schreiben Historiker, und die drei Könige aus dem Morgenland waren wohl Priester, Sternenkundige oder Gelehrte – je nach Übersetzung. Doch trotz der profanen Entzauberung tradiert sich die Szene mit dem Kind, seinen Eltern und allerlei Begleitern seit Jahrhunderten. Menschen rund um die Welt verorten sie auf ihre ganz lokale Weise – ob unter Rindendach im Salzkammergut, in einem Binsenboot auf dem Titicacasee oder inmitten eines Palisadendorfs in Tansania. "Sie ist eine von Menschen eingekleidete Weihnachtsbotschaft in ihrem Dorf, in ihrer Stadt", sagt der Innsbrucker Pastoraltheologe Franz Weber. "Weihnachten ist dort, wo wir sind, im Alltag, in der Volkskunst."

Wann und wo aber begann die Geschichte der Krippe an sich? Das ist schwer festzumachen. Denn um ihren Ursprung ranken sich ebenfalls Mythen.

Lange galt Giovanni di Pietro di Bernardone als Vater aller Krippen. Der spätere Franz von Assisi soll im Jahre 1223 in Greccio anstelle einer Predigt das Weihnachtsgeschehen mit Menschen und Tieren nachgestellt haben. Damit begründete er aber mehr das Krippenspiel als die figürliche Darstellung der überlieferten Ereignisse. Statische Krippendarstellungen entwickelten sich ebenfalls in Italien. Der erste schriftliche Beleg für eine Krippe stammt aus 1478. Es handelt sich um eine Liste von Figuren, die für die Kirche San Giovanni a Carbonara in Neapel geschnitzt werden sollten. Einige der spätgotischen Figuren sind sogar noch erhalten und im Museo di San Martino in Neapel zu besichtigen.

Die Krippe im Mariendom erstrahlt in neuem Glanze
Die renovierte Krippe im Mariendom Linz

Glaubensvertiefung

Offensichtlich von der Reformation getrieben, versuchten insbesondere die Orden der Jesuiten, Serviten und Franziskaner, die Kenntnis des Lebens Jesu durch szenenhafte Darstellungen in der Bevölkerung wieder zu vertiefen. Und so stellte man Kästchen mit biblischen Darstellungen in Kirchen auf, die bald auch vom Adel aufgegriffen wurden. Als erste Krippe nördlich der Alpen gilt jene vom Hauptaltar der Jesuitenkirche St. Klemens in Prag aus 1562. Lebensgroß sollen die Figuren gewesen sein und ihre Darstellung – musikalisch untermalt – sehr eindrucksvoll, wie 1619 der katholische Theologe Philippe de Berlaymont schrieb: „Das Ganze ist so geschickt arrangiert, dass das Frömmigkeitsgefühl der Beschauer aufs Lebhafteste erregt wird. Sie glauben dem wunderbaren Ereignis selbst beizuwohnen, mit eigenen Ohren das Wimmern des Kindes und die himmlische Musik zu hören, mit eigenen Händen die Windeln zu ertasten, und ein Schauer erfasst sie.“

Ein wenig Schauer mag den Betrachter auch umfächeln, wenn er sich heute der frisch restaurierten Krippe des Mariendoms in Linz nähert – und zwar nicht in der Krypta, wo sie jedes Jahr aufgestellt wird, sondern neuerdings im Deep Space des Ars Electronica Centers. Dort kann man – so es die Lockdown-Regeln wieder erlauben – durch die hochaufgelöste Landschaft des Krippenbauers Sebastian Osterrieder schlendern der sie zwischen 1908 und 1913 geschaffen hat. Tausende Fotografien liegen der 3-D-Illusion zugrunde, der man sich auch im Dom selbst mittels einer VR-Brille nähern kann (www.krippeimdom.at).

Ob die Renovierung plus Ausweitung der Betrachtungszone um insgesamt 300.000 Euro den Wert einer Krippe spiegelt im Sinne eines modernen missionarischen Gedankens, das darf man sich allerdings fragen. Andererseits ist es nicht überall auf der Welt selbstverständlich, dass die Darstellung einer religiösen Szene Zustimmung erfährt. Im traditionell laizistischen Frankreich etwa riet 2015 die Vereinigung französischer Bürgermeister in einem Leitfaden (bonne conduite laique), in öffentlichen Gebäuden keine Weihnachtskrippen aufzustellen. Die Reaktion des Vatikans erfolgte schon ein paar Jahre später im Apostolischen Schreiben „Admirabile signum“ (wunderbares Zeichen), in dem sich Papst Franziskus mit der Tradition und Bedeutung der Weihnachtskrippe befasste. Darin heißt es, die Krippe sei implizit ein Appell, dem Sohn Gottes „auf dem Weg der Demut, Armut und Entäußerung zu folgen, der von der Futterkrippe in Bethlehem zum Kreuz führt. Sie ist ein Aufruf, ihm in den bedürftigsten Brüdern und Schwestern zu begegnen und in Barmherzigkeit zu dienen“.

Und weiter: „Durch die Geburt in der Krippe beginnt Gott selbst die einzige wahre Revolution, die den Enterbten und Ausgeschlossenen Hoffnung und Würde verleiht: die Revolution der Liebe, die Revolution der Zärtlichkeit. Von der Krippe aus verkündet Jesus mit sanfter Macht den Aufruf zum Teilen mit den Geringsten als den Weg zu einer menschlicheren und solidarischeren Welt, in der niemand ausgeschlossen und an den Rand gedrängt wird.“

Für Veronika Prüller-Jagenteufel, theologische Referentin in der Caritas der Diözese St. Pölten, zählt weniger die philosophische Idee als die Realität: „Gott wird Mensch, ganz konkret. Mit Blut, Schleim und Schreien“, wie sie in einer ORF-Doku sagte. Sie regte an, das Heute in die Krippe einzubeziehen, zum Beispiel eine Tageszeitung dazuzulegen, mit Krise, mit Sorgen und auch „mit dem, was schön ist in der Welt“. Ja, und Hirtinnen gehörten auch noch in die Krippe.

Weitere Infos: Österreichischer Verband der Krippenfreunde:
krippe.at, ooe-landeskrippenverband.at

Führung durch die Krippe des Linzer Mariendoms via Stream:
https://ars.electronica.art/homedelivery/de/deep-space-live-die-virtuelle-krippe-in-voller-pracht

„coop_zweierlei“ und ihre außergewöhnliche Krippe

Das Linzer Künstlerkollektiv „coop_zweierlei“ arbeitet derzeit an seiner „Logos-Krippe“. Dafür haben Ilona Ágnes Tömö und Thomas Schlager-Weidinger 15 Schreibmaschinen zerlegt.

"coop_zweierlei" und ihre außergewöhnliche Krippe
Arbeit an der Logos-Krippe

Die Typen hängen von der Decke und formen Wörter. Insofern ist es logisch, dass sich die Künstler nicht ans Lukas-Evangelium anlehnen, sondern an Joh 1,1: „Im Anfang war das Wort.“ Zu sehen ist die Installation erstmals am 18. 12. bei der „Haager Kripperlroas“ im Pfarrheim Haag am Hausruck.

Gezeichnete Krippen für die Online-Galerie

Manfred Scheuer, Diözesanbischof von Linz, ermutigt heuer besonders die Kinder, sich näher mit der Krippe zu beschäftigen.

Gezeichnete Krippen für die Online-Galerie
Katharinas Krippe

Er lädt sie dazu ein, Zeichnungen von der Krippe zu senden. Katharina (9 Jahre) hat dies bereits getan. Alle Kinder, die Bischof Scheuer eine Zeichnung senden und ihre Postadresse angeben, erhalten von ihm einen Antwortbrief. Die Bilder werden auch im Rahmen einer Online-Galerie präsentiert. Der Bischof freut sich auf viele Zusendungen.

Adresse: Bischof Manfred Scheuer, Herrenstraße 19, 4021 Linz, online uploaden unter dioezese-linz.at/krippenupload

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29. März 2024