Hingerissen von drei Millionen Narzissen

Von Marlies Czerny aus Bad Aussee   01.Juni 2015

Der Hans wollte bloß seine Stimme bei der steirischen Landtags-Wahl abgeben in einem Wahllokal in Bad Aussee. Doch dann ist er doch in einer Hinterstube des Ausseer Lebkuchen-Geschäftes hängengeblieben – und die Wahl war für ihn geschlagen. Offiziell 20.000 Besucher strömten gestern zum 56. Narzissenfest, das die OÖNachrichten präsentierten. Die Wahlwerbungen gingen an diesem schönen Fleckerl der grünen Mark unter zwischen all den Dirndln und Ledernen. Der steirische VP-Spitzenkandidat (und in Sachen Tourismus aktive) Hermann Schützenhöfer ließ sich einen Abstecher zum Narzissenfest trotz Großkampftags nicht nehmen, ehe er vormittags wieder in Richtung Parteizentrale in die Landeshauptstadt abgebogen ist.

Die meistbeachteten Leit-Figuren an diesem Tag waren im Ausseerland aber andere: jene aus Narzissen, die noch öfter fotografiert wurden wie die Sieger und Verlierer des Wahltages. Auch Narzissen-Hoheiten, die ein Jahr lang die Gegend repräsentieren, strahlten mit der (endlich aufgehenden) Sonne um die Wette. "Ich komme aus dem Dauer-Grinsen nicht mehr heraus", sagte die Bad Ischler Prinzessin Lisa Niederauer.

"Wir beim Narzissenfest halten uns aus dem Politischen heraus", merkte Ernst Krammer an. Der Tourismuschef der Region Ausseerland-Salzkammergut hat sein Kreuzerl wie 40 Prozent andere Ausseer schon am Vorwahltermin abgegeben und steht nun entspannt im VIP-Zelt und blickt über den Grundlsee. "Dort drüben ist der Zlaim, die wichtigste Wiese am Grundlsee für die Narzissenernte", erzählt er. Knapp drei Millionen Narzissen sind der wesentliche Bestandteil dieses mehrtägigen Festes. Sogar Schulklassen sind losgezogen, um sie kübelweise zwischen Pötschenpass und Tauplitz zu pflücken.

Herausgekommen sind nach tage-, wochen- und teilweise monatelanger Handarbeit 24 fantastische Figuren. Vom Dinosaurier über den mit Baby klappernden Storch Adebar. Diese kreativen Blumengeflechte rollten im Auto-Umzug durch Bad Aussee und schipperten danach in einem Bootskorso über den Grundlsee. Tausende Menschen aus nah und fern (sogar die chinesische Nachrichtenagentur reiste an) zogen friedlich und freudig nebenher. In jeder zweiten Hand steckt eine Eistüte oder ein kleiner Narzissenstrauß – und dann wieder der Fotoapparat. Die Menschen schnupperten und staunten – auch wer denn da als Beifahrer am Traktor bei diesem riesigen Narzissen-Bären sitzt.

"Goldi!", ruft einer. Andreas Goldberger weiß, wie viel Arbeit im Figuren-Stecken steckt. In den bärigen und blumigen "Grimmaldi" flossen beispielsweise 250 Arbeitsstunden und 200.000 Narzissen. "Zehn davon hab ich reingesteckt", erzählt Oberösterreichs legendärer Skispringer. Mit dem Brauchtum fühlt er sich verbunden. "Ich finde es wunderbar, dass die Kultur und diese Schönheit nicht verloren gehen", sagt Goldberger, für den das Narzissenfest ein Pflichttermin ist. Den nächsten weiß er auch schon. "Am 27. September gehen wir in Oberösterreich wählen."

 

Umfrage

20.000 Menschen tummelten sich beim 56. Narzissenfest. Die OÖNachrichten mischten sich in die Menge vom VIP-Zelt bis in die erste Reihe am Grundlsee-Ufer und fragten nach den persönlichen Ansichten der Besucher.   

„Es kommen so unglaublich viele Leute her. In meinem neuen Krimi lasse ich die Narzissenkönigin sterben.“
Herbert Dutzler, Krimi-Autor aus Schwanenstadt

„Das Fest gibt es seit 56 Jahren und mich seit 52. Es gehört dazu wie das oö. zum steirischen Salzkammergut.“
Andrea Wesenauer, Verkäuferin in Bad Aussee

„Wir wollen ein Fest, wo die Leute eine Freude haben. Die haben sie. Jetzt geht der Sommer richtig los.“
Ernst Kammerer, GF Tourismusverband Ausseerland/S.

„Ich unternehme zum zweiten Mal einen Ausflug mit meiner Familie hierher. Alles ist super organisiert.“
Tanja Renner, die 28-Jährige reiste aus Wr. Neustadt an

„Die Arbeit, die hinter diesem Fest und Figuren steckt, kann man sich nicht vorstellen.“
Tomi Nakladal, Bauarbeiter (29) aus Weyer, ist auf Reha in Aussee und besuchte das Fest

 

Das 56. Narzissenfest blühte auf

24 verschiedene Blütenskulpturen waren beim Stadt- und Bootskorso dabei, Storch Adebar wurde als schönster prämiert. „Wir haben die Figuren noch besser verteilt, was den vielen Gästen zusätzliche Freiräume schuf“, sagte Christian Seiringer, der Obmann des Narzissenfestvereins.

3000 freiwillige Helfer waren im Einsatz.

500 Arbeitsstunden stecken in etwa in einer Narzissenfigur. 20 bis 30 Personen sind damit beschäftigt.