Hermann Leithenmayr: Politiker, der seine Herkunft nie vergaß
STEYR. Im Rathaus gab es keine Befehlsausgabe. Der Chef steckte lieber seine Umgebung mit seinem Tatendrang für das Gemeinwohl an. Am Wochenende starb Hermann Leithenmayr, der große rote Volksbürgermeister von Steyr, an Krebs.
Unter Leithenmayr wurde das Rathaus seinem Namen gerecht: Bei kniffligen Problemen fragte der Bürgermeister viele nach ihrer Meinung. „Leithenmayr hörte zu und traf dann seine Entscheidung. Er hatte die Gabe, dass sich dann jeder darin wiederfand und sich ernst genommen fühlte“, beschreibt Bürgermeister Gerald Hackl (SP) die Wesensart seines Vorvorgängers. Hackl war fünf Jahre Magistratspressesprecher, und sein Chef war ihm in vielen Dingen ein Lehrmeister. „Vor allem menschlich“, sagt Hackl, „für Leithenmayr war das Amt immer mehr Bürde als Würde. Er beeindruckte mit seiner Bescheidenheit.“
In Leithenmayrs Amtszeit von 1991 bis 2001 wurden viele Weichenstellungen für die Zukunft Steyrs getroffen: Mit der Bahnhofsüberbauung, den Technikschmieden FAZAT und Profactor, Wirtschaftspark Stadtgut und der Fachhochschule hat der Bürgermeister eine Zeitenwende in der traditionellen Fabriksstadt eingeleitet. Das Jahrzehnt unter seiner Führung bescherte Steyr einen Modernisierungsschub. „Hermann war ein Motor der Stadtentwicklung“, brachte es SP-Bezirksvorsitzender Kurt Gartlehner auf den Punkt.
Leithenmayr war ein Sozialdemokrat mit Leib und Seele, der sich seiner Herkunft von der Werkbank nie schämte. Der im Jahr 1941 geborene Sierninger begann 1955 in den Steyr-Werken eine Schlosserlehre; schon als junger Mann setzte er sich als Betriebsrat für die Kollegenschaft ein. Das Gespür für die Leute und seine politische Begabung brachten den Arbeitervertreter als Zentralbetriebsratsobmann bei Steyr-Daimler-Puch 1983 schlussendlich auch als Nationalrat ins Parlament.
Leithenmayr war ein Politiker, für den Handschlagqualität zählte. „Der Hermann“, wie er sich am liebsten von seinem Umfeld nennen ließ, war viel zu eisern, als dass er sich von Spin-Doktoren und Wahlstrategen verbiegen hätte lassen. „Er hat sich immer mit voller Kraft für andere eingesetzt; Eigennutzen, daran verschwendete er keinen Gedanken“, beschreibt Hackl den Altbürgermeister, der sich bis zuletzt als Präsident des Vereines „Freunde der Steyrer Schwimmschule“ für die Revitalisierung des ältesten Arbeiterbades Europas eingesetzt hat.
Vielfach geehrt
Den Kampf für sich selbst und gegen den Krebs hat Leithenmayr in der Nacht auf den 21. August verloren. Der „Familienmensch und humorvolle Menschenfreund“, wie ihn Kurt Gartlehner beschreibt, konnte in der Pension die Früchte seiner Arbeit nur bis zum 69. Lebensjahr genießen. Äußere Auswirkungen seiner jahrelangen Tätigkeit waren die Ehrenbürgerschaft von Bethlehem, dessen Partnerstadt die Christkindlstadt Steyr ist, die Victor-Adler-Plakette 2006 oder das Goldene Ehrenzeichen des Landes Oberösterreich. Mehr noch als die Orden an Rock und Kragen ehrt den Volksvertreter a. D., dass schon zu Lebzeiten an den Stammtischen in Steyr nur lobende Worte gefallen sind.
Hermann Leithenmayr hinterlässt seine Gattin Heidemarie. Der Vater von zwei Töchtern und Opa von drei Enkelkindern erholte sich im Privatleben gerne beim Angeln. Die Stadt Steyr weiß, dass sie mit ihm als Bürgermeister einen großen Fang gemacht hat.