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"Müssen uns der Fratze des Hasses entgegenstellen"

02. Oktober 2019, 12:18 Uhr
Schönes Schloss mit Dunkler Vergangenheit
Schloss Hartheim

HARTHEIM. Mit einer berührenden, persönlichen Rede gedachte gestern Rektor Meinhard Lukas in Hartheim den Tausenden Opfern der NS-Euthanasie.

Für die Nationalsozialisten waren sie überflüssig. "Leere Menschenhülsen", nichts weiter, als ein Klotz am Bein der arbeitenden Gesellschaft. Wer nicht arbeiten und der Gesellschaft im engen ökonomischen Sinne nutzen konnte, sollte auch nicht leben. Also sollten sie sterben. Alle. 

Zwischen 1940 und 1944 waren es alleine in Hartheim 30.000 behinderte und kranke Menschen, die wegen ihrer körperlichen und geistigen Defizite ermordet wurden. "Gnadentod" nannten es die Nazis, wenn sie ihre Opfer in die Gaskammer trieben. Sie führten penibel darüber Buch.

Die Geschichte der NS-Euthanasie ist noch heute eng mit der kleinen Gemeinde in Alkoven verbunden. Schloss Hartheim ist ein Ort des Gedenkens, der Erinnerung, aber auch des Lernens geworden.

Gestern, Dienstag, schenkten die Besucher der jährlichen Gedenkfeier, darunter auch Landeshauptmann Thomas Stelzer (VP) den Tausenden Opfern eine Minute der Stille. Dieser Stille war eine berührende, sehr persönliche Rede von Meinhard Lukas vorausgegangen. Der Rektor der Linzer Kepler-Universität verband die Greueltaten von damals mit der Gegenwart, ohne sie mit aktuellen Entwicklungen zu vergleichen. Aber er mahnte. Vor allem davor, dass "unser humanes Menschenbild" erneut ins Wanken gerät.

"Wie gehen wir wirklich mit beeinträchtigten Menschen um?"

Wer nur in die wichtige aber doch "bequeme" Nie-Wieder-Rhetorik einstimme und sich wortgewandt vom Nationalsozialismus distanziere,erspare sich die Auseinandersetzung mit den sozialen Wunden der Gegenwart. Noch vor "einigen Jahren" wäre er dieser Versuchung selbst erlegen, nach zwei Schicksalsschlägen sei nun aber alles anders. 

Lukas scheute gestern nicht, Privates preiszugeben. Als Vater einer "wunderbaren" Tochter mit Trisomie und als Patient mit terminalem Nierenversagen, "kurzum mit einer schweren Behinderung", dränge sein Gedenken in die Gegenwart. 

"Schon zum Schutz vor uns selbst müssen wir uns dafür interessieren, wie Landsleute, wie Vorfahren an diesem Ort zu Massenmördern wurden". Von der "Barbarei" in Hartheim seien wir weit entfernt, aber wir müssten auf die kleinen und weniger kleinen Schritte achten, die heute getan werden.

Lukas sprach Hasspostings im Internet an, die sich gegen Herkunft, Hautfarbe, Religion, Orientierung oder sozialer Bedürftigkeit von Menschen richten. Der Rektor behandelte in seiner Rede auch die "Einzelfälle" der Politik: Asylwerber, die als Höhlenmenschen bezeichnet wurden, oder die Forderungen nach deren "konzentrierter Unterbringung an einem Ort".

"Wir müssen uns der Fratze des Hasses mit aller Macht entgegenstellen, dem Hassgefühl in uns selbst, dem Hass in der Gesellschaft", sagte Lukas.  Er stellte in seiner Rede auch die Frage, wie wir in der Gegenwart mit beeinträchtigen Menschen umgehen. 

"Meine Erfahrung ist nicht ermutigend"

Viele Landsleute hätten kaum spürbaren Kontakt mit beeinträchtigten Menschen. Das führe dazu, dass auch die Aufmerksamkeit bei finanziellen Zuwendungen leide. "Hier sind es nicht die Betroffenen, die sich bei Kürzungen zu Wort melden, sondern die karitativen Organisationen. Und ihnen weht ein zunehmend rauerer Wind entgegen." 

Dann betrat Lukas ein "moralisches und ideologisches Minenfeld": Die Routine der Pränataldiagnostik. "Die Art, wie wir mit beeinträchtigen Menschen umgehen, ist nicht selten ein Grund, warum sich werdende Eltern schlicht nicht vorstellen können, ein Kind mit Behinderung zur Welt zu bringen". 

Er bleibe dabei: Betroffene Mütter sollen selbstbestimmt höchstpersönlich entscheiden. Aber die Gesellschaft müsse alles tun, dass diese Entscheidung ohne sozialen Druck fällt.

Dann erzählte Lukas etwas, mit dem keiner gerechnet hatte: Seine höchstpersönliche Erfahrung. Gemeinsam habe er sich mit seiner Frau für die Pränataldiagnostik entschieden, der Befund sei unauffällig gewesen. Erst nach der Geburt seiner Tochter sei Trisomie diagnostiziert worden. "Die Art, wie es uns mitgeteilt wurde, werde ich nie vergessen." Er sei mit Vorwürfen konfrontiert worden. Ob er denn die Untersuchung auf Gendefekte verabsäumt hätte. Nur um dann zu erfahren: "Sie müssen sich mit Ihrer Lage abfinden, schließen Sie sich einer Selbsthilfegruppe an". 

Erst heute verstehe Lukas, was diese Erfahrung über unseren Umgang mit beeinträchtigten Menschen aussage: "Diese Menschen seien oftmals eine vermeidbare oder eben unvermeidbare Panne im medizinischen Hochleistungssystem". Aber es gebe unendlich viele Perspektiven. Diese Menschen haben Chancen, und diese gelte es nicht zu verabsäumen.

"Lernen wir also aus der Geschichte hier in Hartheim, indem wir unser Tun daran messen", sagte Lukas. Und es folgte Stille. 

 

Die gesamte Rede von Meinhard Lukas zum Download: 

Download zum Artikel

 

 

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18  Kommentare
18  Kommentare
Neueste zuerst Älteste zuerst Beste Bewertung
SchuldirektorChristophLudwig (1.599 Kommentare)
am 03.10.2019 05:02

Die FRATZE DES HASSES existiert aber nicht nur in der Geschichte, sondern jetzt hier und aktuell!
z.B. in Bossing, Mobbing, Staffing - in mafiösen Familienstrukturen in der Verwaltung und sonst wo!
Vor allem die Landesverwaltung, Bildungssystem, mit den Verwaltungsgerichten ist mehr als Reformbedürftig.
Dass sich ein Richter des Landesvewaltungsgerichtes wie in meinem Fall SELBST für unbefangen erklärt und erklären darf sollte es nicht mehr geben!
GIBT ES ABER ! So geschehen in meiner CAUSA! Zum Schämen!

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Nacharbeiter (7.603 Kommentare)
am 02.10.2019 19:01

Ich sehe beim Thema der Euthanasie keine "Fratze des Hasses". Keinerlei Hass, sondern nüchterne Überlegungen wie beim großen Sozialdemokraten Julius Tandler, der noch neute in Wien verehrt wird. Nur eine Werteordnung wie die Christliche stellt sich der Euthanasie entgegen. Juval Noah Harari bezeichnet den Nationalsozialismus als eine Unterart des "evolutionary humanism". Der Mensch wird an die Stelle Gottes gesetzt, wie im Sozialismus. Aber nicht alle Menschen sind gleich viel wert. Man arbeitet an der "Verbesserung" der menschlichen Rasse, sagt der Autor aus Israel. Euthanasie auf Nationalsozialismus zu reduzieren, greift massiv zu kurz.

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tradiwaberl (15.589 Kommentare)
am 02.10.2019 20:58

Unglaublich wie sie sich die Geschichte schönlügen.
Wollen sie jetzt echt die Nazis in Schutz nehmen ???
Sagen sie es: WER hat 6 Millionen Menschen ermordet ???

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gutmensch (16.544 Kommentare)
am 02.10.2019 21:11

Ein wahrer Vertreter seiner Partei (FPÖ).

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Nacharbeiter (7.603 Kommentare)
am 03.10.2019 08:41

Nein, verehrter Gutmensch, ich bin katholischer Christ und Mitglied der ÖVP und sehr froh darüber, dass die Nationalratswahl 53% für Schwarzblau gebracht hat. Wir werden sehen, was der Heilige Sebastian draus machen die Medien zulassen werden. Und Respekt vor all denen, die behinderte Kinder großziehen, wenn ich das so sagen darf, mit meinem einfachen Vokabular, nicht gutmenschlich angepasst.

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Nacharbeiter (7.603 Kommentare)
am 03.10.2019 08:37

Was wird am Nationalsozialismus und seinen Verbrechen schöner, wenn ich darauf hinweise, dass sich dessen Denken auch in heute noch verehrten politischen Richtungen und Personen findet? Ich zitiere Ihnen die Worte eine alten VOESTlers 1979 "eines muss man schon sagen, so gut wie unterm Kreisky und unterm Hitler ist es uns Pensionisten noch nie gegangen".

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clarazet (6.212 Kommentare)
am 02.10.2019 21:30

NACHARBEITER
So spricht ein Vertreter der materialistischen Kultur, dem jede Menschlichkeit und jedes Mitgefühl verlorengegangen ist. Einer der vergessen hat, dass menschliches Leben immer eine solidarische Gemeinschaft der Verschiedenen bedeutet.

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Nacharbeiter (7.603 Kommentare)
am 03.10.2019 08:32

Verehrte Clarazet, "nur eine Werterordnung wie die christliche stellt sich der Euthanasie entgegen" schrieb ich. Diese stellt sich auch gegen die Abtreibung, gegen "mein Bauch gehört mir", die christliche Werteordnung stellt das göttliche Gebot über die menschliche "Selbstverwirklichung"...

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hn1971 (1.989 Kommentare)
am 02.10.2019 16:53

Eine Wohltat diese Worte in Zeiten wo breaking the rules im Vordergrund steht!

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clarazet (6.212 Kommentare)
am 02.10.2019 14:50

Die sozialen Wunden der Gegenwart. Genau so ist es.

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clarazet (6.212 Kommentare)
am 02.10.2019 14:47

Solidarität ist ein halbtoter Wert inmitten von den Unwerten, die heute gelten.
Es ist immer die alte Frage, wer eigentlich behindert ist. Was Leben wirklich bedeutet.

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clarazet (6.212 Kommentare)
am 02.10.2019 14:43

Wer nicht arbeiten und der Gesellschaft im engen ökonomischen Sinne nutzen konnte, sollte auch nicht leben. Entspricht vollständig dem Credo der Neoliberalen und ihrer angeblichen Leistungsgesellschaft.

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allesistmOOEglich (5.632 Kommentare)
am 02.10.2019 12:50

"Die Art, wie wir mit beeinträchtigen Menschen umgehen, ist nicht selten ein Grund, warum sich werdende Eltern schlicht nicht vorstellen können, ein Kind mit Behinderung zur Welt zu bringen".

So ist es nicht: Das Kind zur Welt bringt die Frau, und wenn es hart auf hart geht, bei bestehender Gesetzeslage, verbleibt sie die Sorgepflichtige, mit allen Konsequenzen, bis dass der Tod sie scheidet. Über diese Konsequenzen, die frau bei der Entscheidung nicht abschätzen kann, weil sie die menschliche Vorstellungskraft wie so vieles übersteigen, ist sie bzw. sicher keine zum Zeitpunkt der Entscheidung im Bilde.

Warum Familie Lukas eine pränatale Untersuchung durchführen hat lassen, ist mir nach Lektüre der Argumentation von Herrn Lukas nicht klar. Es geht mich allerdings auch nichts an.

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Andrula (818 Kommentare)
am 02.10.2019 12:43

.. sehr erschreckend , wozu Menschen fähig sind ..

Wir alle sollten uns Behinderten und kranken Menschen gegenüber hilfsbereit , tolerant und verantwortlich - kurz menschlich - zeigen !
Aufstehen , verteidigen und nicht wegschauen - das sollte man von den Gesunden in einer Gesellschaft erwarten dürfen .

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allesistmOOEglich (5.632 Kommentare)
am 02.10.2019 13:00

Das geltende, dominierende gesellschaftliche Ideal der Leistungsgesellschaft (eigentlich: Ellbogengesellschaft) steht einem gerechten Miteinander diametral entgegen. Leistung ist immer relativ.

Wenn ein Herr Kurz Mindestsicherungsbezieher verhöhnt wie in Wien, dann stehen dahinter Menschen, und vor allem auch viele Kinder. Kinder zweiter oder dritter Klasse. Dass dieser Kerl somit Menschen zweiter oder dritter Klasse schafft, und diese Zustände gut heißt, und damit in Österreich Wahlen gewinnen kann, das ist ein Skandal der Sonderklasse, und vor solchen populistischen Demagogen und dem Pöbel der sie wählt, haben wir alles Recht uns zu fürchten.

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Sandkistenschreck (6.580 Kommentare)
am 02.10.2019 13:09

Und gesellschaftlich richtig gefährlich wird es dann, wenn dem Menschen als Wesen ein variabler Wert zugemessen wird.

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Andrula (818 Kommentare)
am 02.10.2019 13:14

Allesistmöglich :

Ich denke , im Umgang mit Behinderten und Kranken kann jeder von uns seinen Beitrag leisten .
Ausgestoßen Sein impliziert ja als Grund nicht nur zu wenig materielle Zuwendung sondern auch fehlende menschliche Akzeptanz und Zuwendung .

Ich finde auch , dass eine politisch motivierte Diskussion nicht von der Verantwortung jedes Einzelnen ablenken sollte - auch wenn sie natürlich notwendig ist .

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kaminfeuer (881 Kommentare)
am 02.10.2019 14:38

Dazu ein kleines, aber feines Beispiel des blauweißen Fußballvereins aus Linz und seines neugegründeten Special Needs Teams:

https://www.blauweiss-linz.at/news/2847/special-needs-team-zeigt-gross-auf/

Respekt und weiterhin viel Spaß!

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