Psychologin rät: "Nicht zu weit nach vorne blicken"
Maria Kaiser ist Psychologin und Psychotherapeutin in der Beratungsstelle Mikado. Sie weiß einerseits, dass sich die aktuelle Krise meistern lässt, und lädt andererseits ein, die Möglichkeiten der Online- und Telefonberatung in Anspruch zu nehmen, wenn es einmal nicht mehr geht.
Viele Menschen beschäftigt derzeit die Frage, wie lange wohl die Corona-Krise andauern und welche Folgen sie haben wird. Zahlreiche Sorgen, wie etwa um den Arbeitsplatz, die Angst vor Ansteckung und die Frage, wie es weitergehen wird, bestimmen derzeit das Leben.
Kontakte fehlen den Menschen
Die Psychologin Maria Kaiser weiß: "Eingeschränkte Sozialkontakte bringen mit Fortdauer der Ausgangsbeschränkungen vermehrt Streitigkeiten innerhalb der Familien, manchmal sogar Gewalt mit sich". Man vermisst es, sich mit anderen Menschen außerhalb der Wohngemeinschaft zu treffen. "Das ist verständlich, denn wir Menschen sind soziale Wesen und brauchen echte, nicht nur virtuelle soziale Kontakte. Eine Krise, auch die Corona-Krise, ist mit einem Verlust des seelischen Gleichgewichts verbunden. Sie fordert uns, weil wir momentan nicht wissen, wie wir diesen Zustand mit unseren eigenen Möglichkeiten überwinden sollen", sagt Kaiser . Gefühle und Erfahrungen wie Angst, Panik, Hilflosigkeit, Hoffnungslosigkeit und Ausweglosigkeit begleiten jeden in einer Krisensituation. Manchmal mehr, manchmal weniger stark.
Wie geht man mit der Krise um?
"Auch wenn das Ende der Corona- Krise mitsamt ihren wirtschaftlichen Auswirkungen ungewiss scheint, so kann man dennoch sagen, dass ausnahmslos jede Krise dadurch gekennzeichnet ist, dass sie zeitlich begrenzt ist", hat Kaiser gute Nachrichten und ergänzt: "In jeder Krise liegt auch eine Chance, zu wachsen und sich weiterzuentwickeln."
Mit der Zeit entwickeln die Menschen wieder Vertrauen und Zuversicht, auch wenn die Situation gerade außerordentlich belastet. "Durch die Veränderungen, die eine Krise mit sich bringt, erkennen wir, dass wir uns eigentlich ganz gut auf uns selbst verlassen können. Es gelingt in solchen Momenten gut, Ressourcen zu mobilisieren. Überlegen Sie einmal, welche Stärken und Fähigkeiten Sie haben! Welche Stärken können sie nutzen, welche Fähigkeiten sind noch ausbaufähig? Auch unsere Flexibilität ist gefragt."
Es könne auch entlastend sein, einen Plan B zu entwickeln: Was mache ich, wenn…? "Viele Menschen haben schon entdeckt, dass so ein Plan B eigentlich besser zu ihnen passt. Dass sie eigentlich schon lange etwas anders machen wollten und sich bisher nicht getraut haben. Normalerweise geben wir uns der Illusion einer vorhersehbaren Zukunft hin. Das ist gut und wichtig und gibt uns psychische Stabilität", sagt die Expertin. Derzeit ist dies nicht möglich. Die Zukunft scheint unklar und ungewiss. "In Krisenzeiten sollte man daher nie zu weit nach vorne blicken. Sinnvoller ist es, den Fokus darauf zu legen, was jetzt im Moment zu tun ist, damit es gut gehen kann. Wie verbringt man die Woche? Das sind überschaubare, gut planbare Zeitabschnitte."
Miteinander reden hilft
"Geteiltes Leid ist halbes Leid. Dieser Spruch gilt immer, noch mehr aber in Krisenzeiten. Sprechen Sie mit Menschen, die Ihnen nahe stehen, über Ihre Sorgen und Ängste. Sie werden die Erfahrung machen, dass sie nicht allein damit sind", rät die Psychologien.
Professionelle Hilfe
Freilich könne es sein, dass man niemanden anderen mit eigenen Problemen belasten wolle, oder man sich im eigenen Umfeld nicht verstanden fühle. Dann solle man sich nicht scheuen, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Online- und Telefonberatung bei Mikado
Das Team der Mikado-Beratungsstelle, einer Einrichtung des ARCUS Sozialnetzwerks, ist für Anfragen da – telefonisch wie auch online. Die Onlineberatung ist aktuell eine besonders gute Möglichkeit, Beratungen in Anspruch zu nehmen. Sie ist zeitlich und räumlich flexibel, völlig anonym und kostenfrei. Nähere Informationen unter www.arcus-sozial.at
Telefonische Beratung kann unter 07283 / 70 08 zu den folgenden Zeiten in Anspruch genommen werden: Montag: 8 bis 19 Uhr; Mittwoch: 8 bis 16 Uhr; Dienstag, Donnerstag, Freitag: 8 bis 14 Uhr.
In Krisenfällen außerhalb dieser Öffnungszeiten steht natürlich auch die Krisenhilfe Oberösterreich zur Verfügung. Diese ist unter 0732 / 2177 rund um die Uhr erreichbar.