Lange Nacht auf Distanz: Ein Priester mit Gespür für Kunst
ST. OSWALD BEI FREISTADT. Josef Friesenecker wirkte 44 Jahre als Pfarrer in St. Oswald/Freistadt und öffnete dabei die Pfarrkirche für Exponate moderner Sakralkunst.
Vielfältig wären heute in vielen Pfarren die Angebote für die "Lange Nacht der Kirchen" gewesen, doch das Coronavirus vereitelte die Umsetzung aller spirituellen und kunsthistorischen Entdeckungsreisen. Schade, denn es hätte vieles zu entdecken gegeben. Vor allem dort, wo eine künstlerische Weiterentwicklung stattfand, so wie in der an der Gotikstraße gelegenen Pfarrkirche St. Oswald bei Freistadt. "Distance-Guiding" kann ein Ersatz sein.
Die Kunstgeschichte hat in St. Oswald dem Augustiner-Chorherrn Josef Friesenecker bereits einen beachtlichen Reichtum hinterlassen, den der kunstsinnige Priester – aus Windhaag bei Freistadt stammend – als Pfarrer von 1967 bis 2011 mit Liebe zum Alten, aber Mut zu Neuem pflegte und vermehrte. Vieles davon stiftete er selbst. Vor allem öffnete Friesenecker zeitgenössischen Kunstschaffenden das Tor in sein ab 1450 von fast allen Stilepochen geprägtes Gotteshaus.
Tritt man durch eines der zwei herrlichen vom Leondinger Bildhauer Jakob Kopp modellierten Bronzetore, das Christus- sowie das Oswaldertor (1989 bzw. 1992), wird man von der hl. Monika, der Mutter des hl. Augustinus, begrüßt. Diese Holzstatue gestaltete Christoph Raffetseder aus Gallneukirchen im Jahr 1997. Der Ordensvater Augustinus fand bereits 1876 in der Hauptnische des neugotischen Hochaltars zusammen mit dem hl. Florian Platz. Mit Überlegung ist nahe der Kanzel die ebenso von Raffetseder 1993 gemeinsam mit seinem Vater Leopold (1927–2007) geschnitzte Statue "Christus, der Lehrer" platziert. Die Blicke zieht auch der wunderschöne, 2,18 Meter hohe und aus Ton gebrannte Osterleuchter (1998) auf sich, ein Werk des auch international bekannten Künstlers Robert Himmelbauer aus Hirschbach bei Freistadt.
Nach Goethes Worten "Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah?" vertraute Pfarrer Friesenecker die Malereien am Marienaltar Schulrätin Wilhelmine Herzog an, wovon "Geburt Christi" (1989) im Schrein besondere Schönheit ausstrahlt. Auch die Disposition der Humer-Orgel (1997) stammt vom einheimischen Organisten Franz Kolmbauer und aus dem nahen Steinbruch in Gunersdorf der granitene Ambo (1986). Die fünf barocken Festtagsbilder (1791) im Presbyterium fand der Pfarrer 1969 zufällig beim Entrümpeln des Pfarrhofdachbodens, während der Volksaltar (1969) aus Teilen der neogotischen Einrichtung entstand.
Der auch an Heimatforschung, Radiästhesie und Astronomie interessierte Pfarrer fand zudem Zeit, in einigen Ortschaften Kleindenkmäler und Kapellen zu restaurieren und die Herausgabe einiger Broschüren zu betreuen.
Der nun im Alten- und Pflegeheim der Kreuzschwestern in Linz wohnende emeritierte Pfarrer, noch immer Freud und Leid seiner Gläubigen mit tiefer Empathie mitlebend, wird am 12. Juli 2020 die Vollendung seines 90. Lebensjahres feiern.