Der lange Marsch des Alt-Bürgermeisters Moser

Von Reinhold Tauber   24.Juli 2014

Josef Moser: bis vor kurzem Bürgermeister der 4000-Seelen-Gemeinde Alberndorf in der Riedmark, vor der Pensionierung Beamter der BH Urfahr-Umgebung, Buchautor, Initiator von Kulturveranstaltungen, aktiv in vielen Vereinen und Institutionen in der Region, ein vielbeschäftigter Mann. Er träumte seit langem einen Traum: den Jakobsweg zu marschieren, nicht unbedingt als frommer Pilger, sondern vielmehr – "Der Weg ist das Ziel" – um den Alltag abzuschütteln, auch geistig Bilanz zu ziehen: "Der Weg ist die Chance, über eine Menge nachzudenken", so die Grundabsicht, postuliert vor dem Abmarsch. Den Traum erfüllt er sich jetzt. Am 3. Juni startete er den langen Marsch, schickt Etappen-Protokolle heim, sein Weg ist so nachvollziehbar.

Weg beginnt bei deinem Haus

Der Weg zum heiligen Jakob im äußersten Westen Spaniens, eine Extrem-Tour, für manche aus Frömmigkeit, für andere eine sportliche Herausforderung, die den Körper an die Leistungsgrenze führt und das Schuhwerk dem Totalverschleiß anheimgibt: Wo er endet, ist klar: in Santiago de Compostela, an der kultbestimmten Grabstätte des aus der Bibel bekannten Exponenten des Urchristentums, einem schon im Mittelalter hochgepuschten Gläubigerzentrum wie Jerusalem oder Rom. Aber wo beginnt er? "Der Weg beginnt bei deinem Haus", lautet die religionsphilosophische Erklärung. Das ist sehr allgemein und könnte bedeuten, der lange Weg starte entweder bei einem Wohnhaus in Alberndorf im Mühlviertel oder (bequemer für den Pilger) im spanischen Zaragoza. Seit den 90er Jahren, als das Jakob-Pilgern zu einer internationalen, gut marketing-unterstützten Mode wurde, gelten festgelegte Routen durch Polen, Deutschland, Österreich, die Schweiz und Frankreich als Vorlauf-Strecken zum eigentlichen "spanischen" Jakobsweg, auf dem mittlerweile jährlich von Tausendschaften Staub auf den Wegen hochgewirbelt wird oder die Wanderer sich Blasen holen auf inzwischen asphaltierten alten Routen: oft klassisch ausstaffiert mit (notwendigem) wetterfestem Umhang, breitkrempigem Hut, Wanderstab, Tasche und Kürbisflasche zum Auftanken des Körpers, mit ist das Attribut des Jakobs-Pilgers, die Muschel.

Pilgergewand verbrennen

Den Marathon-Men oder -Women genügen im Allgemeinen die empfohlenen spanischen 29 Tages-Etappen von in Summe ca. 650 km. Wer über das Ziel hinausschießt, legt noch zwei Tage und 75 km drauf bis Finisterre, dem äußersten Westpunkt Spaniens, wo sie – auch nach altem Kultbrauch – das Pilgergewand verbrennen, denn jetzt sind sie geläutert, haben ihr Sündenablass-Pluspunktekonto aufgefüllt und benötigen daher die Hülle nicht mehr. Ob derlei Gedankengut Josef Moser im Gepäck (empfohlen: nicht mehr als neun Kilo) dabei hat, darüber sprach er nicht viel vor dem Einfetten der Wanderschuhe. Was aber seine Tour von vielen anderen Wegbenutzern unterscheidet: Er startete den Marsch nicht dort hingeflogen auf der französischen Seite der Pyrenäen, sondern in Salzburg (auf den philosophisch grundierten Start beim Haus in Alberndorf verzichtete er, gab sich also selbst ein Stückchen Gnadenerlass).

Abkürzungen oft sinnvoll

So kommt eine feine Wanderkilometer-Tausendschaft zusammen, rekordträchtig. Seinen Nachrichten in die Heimat zufolge ist er gut unterwegs: Letzte erhaltene Info, abgesandt schon im französischen Kurort Des Abrets, ca. 100 km südlich von Genf: "Gegend schön. Oft sehr umwegbetont. Abkürzungen sind oft sinnvoll." Abkürzungen wird er wohl noch viele brauchen, um sein Weg/Zeit-Ziel zu erreichen: Im September will er in der Kathedrale von Santiago beobachten, wie acht Männer das 54 Kilo schwere Räucherfass Botafumeiro per Flaschenzug schwenken – nicht nur als Symbol der Begrüßung der Pilger, sondern auch, um den Schweißgeruch der den Raum füllenden Tausendschaften zu neutralisieren.

Zumindest war das der ursprüngliche Grund für die Investition. Es ist Moser zu wünschen, dass er bis dahin mit dem Nachdenken über sich und die Welt zurande gekommen sein wird. In drei Monaten Fußmarsch gibt es wohl genug Zeit dazu.