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"Wir brauchen mehr autofreie Zonen"

Von Julia Popovsky   29.Juni 2020

Gerade die Corona-Krise hat gezeigt, wie wichtig Erholungsräume in der Stadt sind – und auch, wie viel Bedeutung einer vorausschauenden Stadtentwicklung zukommt. Warum dafür eine Vision, mehr Grün und weniger Autoverkehr wichtig wären, sagt Siegfried Atteneder, Architektur-Professor an der Linzer Kunstuniversität, im Interview.

 

OÖNachrichten: Wenn Sie an moderne Stadtgestaltung denken, was darf nicht fehlen?

Siegfried Atteneder: In erster Linie wäre es wichtig, die vorhandenen Grünräume zu schützen. Es gibt überall Begehrlichkeiten, diese für das Klima und die Natur wichtigen Grünzüge anzuknabbern und sie zu verbauen. Diesen Wünschen darf aber nicht nachgegeben werden. Zudem sollte nachbegrünt werden, die Linzer Baumpflanzaktion ist hierfür eine gute Sache.

Der Hauptplatz wird noch diesen Sommer mit 30 Bäumen in Trögen begrünt – wie sinnvoll sind solche mobilen Lösungen?

Ich sehe mobiles Grün nicht kritisch, aus städtebaulicher Sicht haben Flächen wie der Hauptplatz einen unglaublichen Wert für die Stadt, abgesehen von den Autos, die darüberfahren. Ein Hauptplatz ist kein Hauptpark, der sollte auch für Veranstaltungen freigemacht werden können, das ist legitim.

Stichwort Autos: Für Sommer ist das Pilotprojekt autofreier Hauptplatz geplant – braucht es künftig mehr solcher Vorstöße?

Ich bin ein absoluter Verfechter davon, das nicht nur temporär, sondern dauerhaft einzurichten. Wir brauchen mehr autofreie Zonen in der Stadt, das würde die Lebensqualität für alle steigern. Es ist eine Katastrophe, dass in Linz nach wie vor Autobahnen mitten durch die Stadt gebaut werden, da sind wir im Vergleich zu anderen Städten Jahrzehnte zurück. Es bräuchte dringend ein Bekenntnis zum öffentlichen Verkehr und eine klare Hierarchie.

Wie könnte die umgesetzt werden?

Indem klargestellt wird, dass die Schwächeren Priorität haben. Das heißt, zuerst kommen Fußgänger, dann Radfahrer und dann Autos. In vielen Städten wird das seit langem so gelebt, in London wurden etwa schon vor zehn Jahren Radhighways gebaut, auf denen man von den Vororten direkt und ungehindert ins Zentrum kommt. Solche Ansätze sind zukunftsgerichtet, auch bei uns wäre die Stärkung des Radnetzes zu empfehlen.

Die Corona-Krise hat unseren Alltag durch Home-Office und Co. durcheinandergewirbelt – was bedeutet das für das künftige Wohnen und Arbeiten?

Die aktuellen Ereignisse zeigen uns gerade bei Kleinstwohnungen, die ich immer schon kritisch gesehen habe, Grenzen auf. Aber das ist natürlich eine ökonomische Frage, weil Wohnraum immer teurer wird, je zentraler er ist. Wichtig ist, hier mit sozialem und leistbarem Wohnbau gegenzusteuern, damit auch Menschen in prekärer Lage eine ordentliche Wohnsituation zur Verfügung gestellt wird. Wichtig ist, keine Ghettos zu schaffen, sondern auf Durchmischung zu setzen. Was das Arbeiten angeht, sollten wir uns, trotz der Probleme, die zum Teil damit verbunden waren, überlegen, was wir uns von der Fernlehre und dem Home-Office erhalten. Angesichts der Verkehrs- und Pendlerproblematik sollten wir hier umdenken und die bisherigen Systeme hinterfragen.

Braucht es künftig auch mehr dezentrale Arbeitsplätze?

Absolut, wenn man dezentralisiert, ist schon viel geschafft. Co-Working-Spaces sind ein Gewinn, für jeden, der nicht pendeln muss, für die Umwelt und auch für die Wertschöpfung im Ort. Solche zukunftsgerichteten Modelle sollten, gerade am Land, nicht fehlen, damit es gar nicht so weit kommt, dass die Menschen in die Stadt pendeln müssen. Das wahrscheinlich Wichtigste bei einer Stadtenwicklung ist, dass es eine Vision für die Zukunft gibt und eine Strategie dafür, wie man dort hinkommt. Daran müssen alle Maßnahmen, die gesetzt werden, gemessen werden. Gibt es diese politische Vision nicht, regelt nicht eine vorausschauende Planung, sondern der Markt die Stadtentwicklung.

Viel Grün, weniger Verkehr: "Wir brauchen mehr autofreie Zonen"
Siegfried Atteneder, Professor für Architektur an der Kunst-Uni
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25. April 2024