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Marienstraße verdankt Jungfrauen den Namen

19.Jänner 2015

  • Eingepfercht auf 170 Metern zwischen Graben und Bethlehemstraße findet man Juwele ebenso wie Bauruinen.
  • „Selbstversorger“: Die Marienstraße liefert Essen, Tanz, Knöpfe, Hilfe für Bedürftige, Skatermode, Raucherentwöhnung, ....

Marienstraße

Wir schreiben das Jahr 1869. Die Marienstraße, ein 170 Meter langes Straßenstück zwischen Graben und Bethlehemstraße, wird getauft. Taufpatinnen sind katholische Jungfrauen, deren Verein in dieser Straße ihren Sitz hat. Zuvor hieß sie Zwerchgasse und Neue Bethlehemgasse.

Wer Marienstraße hört, der weiß oft keine Antwort. Dabei ist die Straße ein Juwel, ein Kleinod, was die Geschäfte, die Gastronomie und das soziale Angebot betrifft. Optisch gibt die Straße, die eine Fußgängerzone ist, vor allem im oberen Bereich (vom Graben her gesehen sind viele baufällige Häuser im Privatbesitz) nicht so viel her, inhaltlich schon.

Eigentlich fehlt nur noch ein Krämer, und die Straße könnte sich selbst erhalten. Ein absolutes Kleinod ist das von der rüstigen Ingeborg Gerstl geführte Kurzwarengeschäft Altmann. Inmitten eines wunderschönen Innenhofes tanzt man in der Danceschool Horn: Standard, Lateinamerikanisch, Ballett oder Zumba. In der Arge Obdachlose entsteht die Kupfermuckn, Radio Arabella spielt hauptsächlich Oldies, bei Coconut speist es sich vortrefflich thailändisch, bei Smok Enjoy ist rauchen nicht gesundheitsschädlich, und im Radix treffen sich Skateboarder. Am Abend geht’s noch in die Lennox-Bar. Es trifft sich in der ruhigen Straße abseits des Landstraßen-Trubels also Jung und Alt.

Und Bedürftige. Der Verein für Sozialprävention und Gemeinwesenarbeit ist ebenfalls in der Marienstraße situiert wie „Selbstbestimmt Leben“, eine Einrichtung für Menschen mit Beeinträchtigungen. Aufgewertet wurde die Gasse durch den Neubau eines Wohn- und Bürogebäudes. Ein Besuch dieser Selbstversorger-Straße lohnt sich.

Interessantes zur Marienstraße

  • Ein Fensterrahmen mit Geweihen. Dieses Kleinod, entdeckt von OÖN-Fotograf Volker Weihbold, steht stellvertretend für die Vielfalt an Bemerkenswertem in der bei vielen nur wenig bekannten Marienstraße.
  • 1673 hieß die Marienstraße noch Zwerchgasse (zwerch stand für das Wort quer). Zwischen 1761 und 1869 wurde daraus die Bethlehemgasse. 1869 bekam die Marienstraße ihren heutigen Namen.
  • Sabine Michel-Herbstleitet das 27 Sozialarbeiter und -pädagogen umfassende Team von VSG Move. Im
    Auftrag der Jugendwohlfahrt des Magistrates der Stadt Linz gibt es hier Familien- und Hortbegleitung.
  • Ein Treffpunkt für Jugendliche ist das Leonardo in der Marienstraße 12. Neben Aktivitäten wie Tischfußball und Airhockey, gibt’s Infos über aktuelle Jugendprojekte. Wer einfach einen Platz zum Chillen sucht, auch das geht im Leo.
  • Noch eine schöne Seite der Marienstraße: Silvia Schachermayer (ehemals Hackl) leitet die MissAustria-Corporation in der Marienstraße 6.

Kupfermuckn

Kupfermuckn

Die meisten Mitarbeiter dieser Zeitung sind Obdachlose: Chefredakteur ist der studierte Ökonom Heinz Zauner (53). Sitz der Kupfermuckn ist das Haus Marienstraße 11.

  1. Seit wann gibt es die Kupfermuckn? Wie ist sie entstanden?


    Im Haus Marienstraße 11 betrieb die Arge für Obdachlose seit 1994 eine Wärmestube. Die Schriftstellerin Eugenie Kain und Kurt Mitterndorfer veranstalteten dort mit Obdachlosen eine Schreibwerkstatt. 1995 erschien in Wien die erste österreichische Obdachlosenzeitung, der „Augustin“. Das war Anstoß für die „Kupfermuckn“, die seit Oktober 1996 herauskommt.
  2. Wer schreibt die Texte für die Kupfermuckn und wie viele Mitarbeiter gibt es?

    75 Prozent der Texte schreiben Menschen, die von Obdachlosigkeit selbst betroffen sind. Wir haben rund 20 Mitarbeiter.
  3. Wie hoch ist die Auflage der Kupfermuckn, wer bringt sie unter die Leute?

    Wir haben mit vier Ausgaben pro Jahr mit jeweils 1500 Stück begonnen. Jetzt machen wir jährlich zehn Ausgaben mit einer Auflage von jeweils 29.000 Stück. Wir haben 110 Verkäufer.
  4. Gibt es in Linz tatsächlich noch Menschen, die kein Dach über dem Kopf haben?

    Die Versorgung für obdachlose Menschen ist in Linz gut. Aber es gibt 40 bis 50 Menschen, die nicht mit anderen zusammenleben können. Sie übernachten im Sommer im Freien und im Winter in Abbruchhäusern.

Gerstl

Knöpfe von Gerstl

Frau Gerstl und die tausend Knöpfe

Es kann schon sein, dass ich ein wenig eitel bin, mein Herr“, gibt Ingeborg Gerstl freimütig zu. Über Zahlen redet sie nicht gern, zumindest nicht über solche, die ihre Person betreffen.

Eine kleine Annäherung: Frau Gerstl führt seit vielen Jahren das Kurzwarengeschäft von Firmengründer Ferdinand Altmann in der Marienstraße 11. Die agile Frau könnte längst in Pension sein, sie will aber nicht. Weil ihr und ihren drei Verkaufsdamen die Arbeit mit tausenden Knöpfen, Millionen Metern Zwirn und Garn, Hosenträgern, Gürtelschnallen, Perlen, Borten, Spitzen, Reißverschlüssen, Schellen, Latzhosenschließern, Bastelfilzen, Innenfuttern oder Kordeln „immer noch so richtig Spaß“ macht.

Fangfrage: Wie lange machen Sie diesen Job noch, Frau Gerstl? „Es gibt kein Limit.“

Ihre Klientel ist vielfältig. Hobbyschneiderinnen und Bastler kommen häufig, aber auch Kunststudenten und Modeschöpfer wie Herr Gottfried. Etwa 100 Kunden pro Tag kommen mit den ausgefallensten Wünschen in das kleine, feine Kaufgeschäft mit den unzähligen Artikel(chen). FrauGerstl kennt sich zwar mit ihrer Sach’ gut aus, zum Schneidern hatte sie selber allerdings nie Zeit: „Ich bin eine Kauffrau und kenne mich mit Kurzwaren aus.“ Kurzwaren ist übrigens der Sammelbegriff für Nähzubehör.

Frau Barbara, Stellvertreterin von Frau Gerstl, schupft den Laden, wenn die Chefin Pause macht. Was ihr Alter betrifft – sie ist 30 – ist Frau Barbara gesprächiger. Ihren Beruf liebt sie genauso wie die Chefin. „Man muss kreativ sein, um Kundenwünsche zu erfüllen. Schließlich ist Bandl nicht Bandl. Ich finde es klass’, wenn man helfen kann.“ Sagt’s und wendet sich neuer Kundschaft zu: „Haben Sie stoffüberzogene Knöpfe?“ „Ja, freilich, welche Farbe hätten Sie den gern?“

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29. März 2024