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"Linz weist keine Gestaltungsqualität auf"

Von Reinhold Gruber   04.Februar 2019

Wenn Wulf Daseking zu reden beginnt, hört er nicht so schnell wieder damit auf. Ein Zeichen von Begeisterung, von Feuer, das immer noch im 72-jährigen Architekten und ehemaligen Stadtplaner von Freiburg brennt. Der Verfechter einer Stadtentwicklung mit nachhaltiger Wirkung war Ende vergangener Woche auf Einladung der Linzer Grünen in Linz. Im Interview mit den OÖNachrichten sprach er über Visionen, Veränderungen und die Notwendigkeit, als Stadtplaner seiner Zeit immer voraus sein zu müssen.

 

OÖNachrichten: Sie waren schon 2015 einmal in Linz. Dann kennen Sie die Stadt ja.

Wulf Daseking: Kennen kann man nicht sagen.

Aber beim Hereinfahren entwickelt man ein Gefühl für eine Stadt. Haben Sie das Gefühl, dass sich in Linz seit 2015 irgendetwas verändert hat?

Wenig. Wie man in eine Stadt hineinkommt, ist entscheidend, denn der erste Eindruck ist der bleibende. Dass Innenstädte immer aufpoliert sind, das wissen wir alle. Da können sie hinkommen, wo sie wollen. Das ist im Sozialismus genau so wie im Kapitalismus. Meine These ist immer: Gehe nicht in die Innenstadt, sondern schaue dir die Stadtteile an.

Warum?

In den Stadtteilen haben die meisten Menschen zu leben. Wenn sie nach dem Motto "Stadt der kurzen Wege" funktionieren, dass alles fußläufig im Stadtteil zu erreichen ist, dass öffentliche wie private Infrastruktureinrichtungen, Ärzte, Apotheken, Post oder Schule vorhanden sind, passt es. Politiker reden davon, aber in der Wirklichkeit zentralisieren sie immer mehr und entfernen sich so vom Bürger.

Zur Person
Architekt und Stadtplaner

Sie sind noch Ihre Gedanken, die Sie beim Hereinfahren nach Linz gehabt haben, schuldig.

Es hat sich, wie gesagt, wenig verändert. Es war für mich kein guter Eindruck, in diese Stadt herein zu kommen. Man spürt keinen Plan und kein Konzept. Es sieht nach Laufenlassen und Abhandeln von Anträgen, die hereinkommen, aus. Ich habe nicht den Eindruck, dass in Linz eine Gestaltungsqualität aufweist.

Sie kritisieren also, dass es keine übergeordnete Planung gibt. Ist da Linz die Ausnahme?

Keineswegs. Bedauerlicherweise ist das in vielen Städten der Fall. Linz ist also kein Einzelfall.

Wie haben Sie es in Freiburg gehandhabt?

Für mich war die Stadt das Gesamtkonzept. Da habe ich einzelne Bausteine hineingesetzt. Als Planer riechen sie die Ecken, wo etwas passiert. Der Stadtentwickler hat vorzudenken und muss die Felder entwickeln, in denen er arbeitet. Stadtentwicklung kann man nicht nach der Dienstzeit machen. Wer das tut, ist schon verloren.

Wie funktioniert dann Stadtplanung Ihrer Meinung nach?

Sie müssen dafür brennen, müssen das Stadtsystem erkunden, spüren, wo Veränderungspotentiale sind und vorausschauende Planungen entwickeln. Dann muss man auch in der Lage sein, Konzepte zu entwickeln. So können Investoren ein Gespür dafür entwickeln, was in der Stadt wo überlegt wird und legen dann im besten Fall eigene Konzepte auf den Tisch. Darüber kann man dann diskutieren. Deshalb sage ich: Es müssen Stadtteilkonzepte her.

Wie weit muss ein Stadtplaner vorausdenken?

Der Planer muss 25 Jahre vor der Struktur sein. So muss man beispielsweise wissen, ob man Hochhäuser an gewissen Punkten bauen will oder nicht. Dann sucht man Investoren und spricht mit ihnen ab, in welche Richtung es gehen kann.

Dafür muss es aber eine enge Zusammenarbeit zwischen Planer und Bürgermeister geben.

Richtig. Wenn die beiden nicht miteinander können, dann sollten sie sich scheiden lassen. In meiner aktiven Zeit hat es oft zwischen dem Bürgermeister und mir gekracht. Aber wir haben uns zusammengestritten. Das ist wie in einer Ehe. Für einen Planer ist aber entscheidend: Man muss ihn nicht lieben, aber man muss ihn respektieren. Er sollte im besten Fall für Kontinuität und Unberechenbarkeit stehen.

Muss mit einer vorausschauenden Stadtplanung nicht auch eine Verkehrsplanung einhergehen, weil jeder Wohnbau automatisch zusätzlichen Verkehr erzeugt?

Stadtentwicklung darf nur mehr entlang der öffentlichen Nahverkehrsverbindungen gemacht werden. Wir müssen Stellplätze massiv reduzieren, weil das nur Relikte aus der Zeit sind, als es nur um Auto, Auto, Auto ging. Von der autogerechten Stadt sind wir mittlerweile weit weg. Und keiner geht daran, das zu hinterfragen.

Weil kein Politiker das Auto aus der Stadt vertreiben will, um wählbar zu bleiben.

Das mag schon sein, dass das Zurückdrängen der Autos in der Stadt im Moment nicht geht. Aber wir müssen Sachen ansprechen, damit die Diskussion darüber endlich einmal beginnt.

 

Zur Person

Wulf Daseking war 30 Jahre lang Chef des Stadtplanungsamts in Freiburg im Breisgau. In seiner Amtszeit wurde Freiburg zur Ökostadt und damit zum internationalen Vorbild. 2012 ging er in Pension. Seither zieht der heute 72-Jährige als Kämpfer für nachhaltige Stadtentwicklung durch die Lande, gibt sein Wissen an den Universitäten London und Freiburg weiter und ist unter anderem auch als Preisrichter für Städtebau- und Hochbauwettbewerbe im Einsatz. Daseking ist verheiratet und hat drei Kinder.

 

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25. April 2024