Eine Wahldebatte zwischen Verkehr und Hochhäusern
Sie war lebhaft und wartete auch mit manch überraschenden Aussagen auf: die OÖN-Wahldiskussion mit den Spitzenkandidaten der im Linzer Stadtsenat vertretenen Parteien Montagabend in den Promenaden Galerien.
Dort stellten sich Bürgermeister Klaus Luger (SP), Vizebürgermeister Bernhard Baier (VP), Stadträtin Eva Schobesberger (Grüne) und Stadtrat Michael Raml (in Vertretung des corona-positiv getesteten FP-Spitzenkandidaten, Vizebürgermeister Markus Hein) den Fragen der OÖN-Redakteure Christian Kitzmüller und Markus Staudinger.
Der Verkehr und allen voran der Stau in der Stadt war eines der Themen des Abends. Denn gelöst sind diese Probleme mit der Ende August erfolgten Verkehrsfreigabe der Neuen Eisenbahnbrücke noch lange nicht, mit der ab 2022 geplanten Sanierung der Hauptfahrbahn der Voestbrücke steht schon bald die nächste Baustelle ins Haus. Auf die Frage "Wie kann man es also verhindern, dass nächstes Jahr ganz Linz stillsteht?" kam Bewegung in die Diskussionsrunde.
Schobesbergers Ansatz: "Wir müssen die Menschen dazu motivieren, auf den öffentlichen Verkehr umzusteigen, das Rad zu nützen oder zu Fuß zu gehen. Dafür müssen wir die Infrastruktur ausbauen." Wie Schobesberger vertrat auch Luger die Ansicht, "dass wir es mit dem stärkeren Ausbau von Straßen nicht schaffen werden, die Verkehrsprobleme zu lösen", und nannte als Beispiel die Ostumfahrung. Wie bereits berichtet, gab es zu diesem Thema unerwartete Einigkeit von SP, VP und Grünen, die die vorliegende Trasse als nicht akzeptabel bezeichneten.
Knackpunkt Stadtseilbahn
Doch zurück zur Debatte, wo der Moment der Einigkeit nur kurz währte. Denn Baier fehlte jedes Verständnis für das "Entweder-oder-Denken" mit Blick auf Auto, Rad und Co. "Es braucht sowohl den Ausbau der sanften Mobilität als auch den Straßenausbau", sagte er. Raml warf zudem ein, dass es angesichts des hohen Pendlerverkehrs gute Kooperationen mit den Umlandgemeinden brauche: "Park-and-Ride-Anlagen im Stadtzentrum haben keinen Sinn."
Wo es sich bei den unterschiedlichen Vorstellungen spießt, zeigte sich auch, als es um den Linzer Süden ging. Allen voran, als die Stadtseilbahn zum Gespräch kam.
Von keiner tauglichen Lösung (Baier) und einem Projekt, das massive Infrastruktur brauche und nicht schnell umgesetzt werden könne (Schobesberger), war da auf der einen Podiumshälfte die Rede. Ganz anders die Statements von der anderen. Für Raml ist die Seilbahn neben den zwei geplanten Buslinien ein wichtiger Baustein, auch wenn es eine "kreative" Lösung sei. Jedenfalls ist es eine, für die Luger ob der zu erwartenden Verkehrsentlastung zu haben wäre.
Absurdität Altstadt-Hochhaus
Weiter hoch hinaus ging es danach beim Wohnen und den (geplanten) Hochhäusern, wie etwa dem Quadrill-Tower in der Tabakfabrik.
Dass Linz eine Stadt der Spekulanten zu werden drohe, wies Luger zurück, der private Wohnbau sei nie gegen den geförderten ausgespielt worden. Der Zugang "In einem Hochhaus kann man nicht wohnen" sei zu dogmatisch, wo und wie viel in der Stadt verdichtet
werde, sollte anlassbezogen entschieden werden. Manches sei mit Hausverstand ohnehin auszuschließen, sagt Luger: "Ein Hochhaus in der Altstadt wäre eine Absurdität der Sonderklasse."
Die anderen drei konnten hingegen der Idee, bestimmte Areale zu No-Go-Zonen zu erklären, mehr abgewinnen. Schobesberger pochte hier auf die Ergebnisse der Stadtklimaanalyse, die diese Areale bereits ausweisen würden.
Unterschiedliche Positionen gab es darüber hinaus in puncto Impfpflicht, mit Blick auf städtische Einrichtungen wie Kindergärten. Eine generelle oder sektorale Impfpflicht sei, so die Haltung von Luger, nicht durchführbar. Er warnte angesichts der Impfskepsis unter jungen Frauen vor Personalmangel, etwa im Pflegebereich. Ein klares Nein kam von Raml ("Wir treten für eine Wahlfreiheit ein"), während für Baier und Schobesberger eine Impfplicht für bestimmte Berufsgruppen durchaus vorstellbar ist.
Spannend war es auch, als es um die Frage ging, wer mit wem nach der Wahl am 26. September eng(er) zusammenarbeiten wird. Bekanntlich hatte die SPÖ ihr Arbeitsübereinkommen mit der FPÖ nach dem Ibiza-Skandal offiziell aufgekündigt, umgesetzt wurde trotzdem vieles gemeinsam.
Künftige Bündnisse werden jedenfalls weiter unter einer Proporzregierung geschmiedet werden – für eine Abschaffung sprachen sich nur Luger und Schobesberger aus. Entschieden wird das aber ohnehin an anderer Stelle.
Wieder Rot-Blau: "Unrealistisch"
Luger kündigte an, weiterhin mit allen Parteien zu kooperieren, worauf Baier konterte, dass das freie Spiel der Kräfte ob der Zusammenarbeit der SPÖ mit der FPÖ auch nach 2019 in der Praxis nur eine "Überschrift" gewesen sei: "Die Räuberleiter werden wir nicht machen, unsere Vorschläge liegen am Tisch, darüber können wir gerne diskutieren."
Kritik an dem rot-blauen Bündnis übte auch Schobesberger, der sich überraschenderweise, wenn auch mit anderer Argumentation, Raml anschloss. "In Sachthemen haben wir gut zusammengearbeitet, eine Koalition aus Rot und Blau ist aber absolut unrealistisch", sagte er. Der Grund: die völlig unterschiedlichen Zugänge in der Zuwanderungsfrage.
Stichwort Wanderbewegungen: Die könnten potenziell auch in der Stadtsenatssitzverteilung auftreten. Wer bei den Freiheitlichen vorne stehen wird, sollte einer der zwei Sitze verloren gehen, stand für Raml am Montag außer Frage: "Ich gehe von Markus Hein aus."
Zum Nachschauen: Die Diskussion in voller Länge