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"Der Donaubrücke würde der Name Johannes Reuchlin gut stehen"

Von Reinhold Gruber   13.Februar 2020

Haben Sie sich schon einmal im Vorbeifahren darüber gewundert, was da an der Fassade der Linzer Tabakfabrik in Leuchtbuchstaben geschrieben steht?

"Reuchlin! Wer will sich mit ihm vergleichen? Zu seiner Zeit ein Wunderzeichen!"

Das Zitat stammt von Johann Wolfgang von Goethe. Adressat war der Humanist, Universalgelehrte und Brückenbauer Johannes Reuchlin (1455-1522), der schon vor 500 Jahren die Kulturen vereinen wollte. Das Goethe-Zitat ist nicht einfach nur ein gescheiter Satz, der im Nachthimmel nach Aufmerksamkeit sucht. Er steht mit gutem Grund dort. Denn Reuchlin hat einen ganz besonderen Bezug zu Linz, was kaum jemand weiß. Das soll sich ändern.

Reuchlin und Linz

Tabakfabrik-Chef Chris Müller bemüht sich, die in Gründung befindliche Johannes-Reuchlin-Gesellschaft mit dem Experten Franz Praher an der Spitze hier anzusiedeln. Das wäre ein erster Schritt, um den "Megastar seiner Zeit", wie Müller Reuchlin nennt, zu würdigen. Die Reuchlinstraße nahe dem Bulgariplatz gibt es bereits. Die Reuchlinbrücke könnte folgen.

Die neue Donaubrücke, die mit Verspätung als Ersatz für die Eisenbahnbrücke im Herbst 2021 eröffnet werden soll, könnte im Jahr bevor sich der Todestag von Reuchlin zum 500. Mal jährt, den Namen des großen Humanisten und Brückenbauers erhalten. "Die neue Brücke war mit viel Ärger verbunden, soll aber gleichzeitig die Menschen zusammenbringen", sagt Müller und spielt damit auf Parallelen zum Leben und Wirken Reuchlins an.

Denn der deutsche Humanist setzte mit seinem Rechtsgutachten die Basis für eine neue Form der kritischen Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Problemen. Und er versuchte, Brücken zwischen den Religionen und Weltanschauungen zu schlagen, wie Reuchlin-Experte Praher sagt.

1492 und 1493 war Reuchlin in Linz, doch ist es vor allem eine Begegnung mit einem Mann hier, die sich auf sein Leben wie auf sein Wirken massiv ausgewirkt hat (siehe Bericht unten).

Für Müller sind Charaktere wie Reuchlin mehr denn je gefragt. "Charaktere, die Gesellschaften und Kulturen verbinden, statt sie zu trennen." Und so würde Reuchlin nicht nur gut zur Tabakfabrik, sondern auch sehr gut zur räumlich nahen neuen Donaubrücke passen.

"Der neuen Donaubrücke würde der Name Johannes Reuchlin gut stehen"
Reuchlin-Statue in seiner Heimatstadt Pforzheim

Reuchlins Linz-Besuche

Im Jahr 1492 reiste Johannes Reuchlin nach Linz, damals ein kleines Städtchen an der Donau. Rund 3000 Menschen lebten hier. Dass einer der großen Humanisten der Neuzeit gerade nach Linz reiste, hatte einen guten Grund. Der Kaiserhof von Friedrich III. war sein Ziel, und Reuchlin hatte einen Auftrag seines Dienstgebers (Eberhard im Barte) in der Tasche, um die Erbfolge für Württemberg neu zu verhandeln. Eberhard wollte verhindern, dass das Fürstentum nach seinem Tod wieder geteilt wird. Dazu brauchte er die Zustimmung des Kaisers.

Der Kaiser und seine Beamten waren laut Reuchlin-Experte Franz Praher begeistert von dem belesenen und gelehrten Diplomaten, und so erfüllte er den Auftrag auch erfolgreich. Dass Reuchlin bis in den Spätherbst 1492 in Linz blieb, lag daran, dass er hier den kaiserlichen Leibarzt Jacob ben Jechiel Loans kennenlernte. Loans gilt als einer der erfahrensten Kabbalisten seiner Zeit, den Reuchlin enorm schätzte und verehrte. Er nahm bei ihm Hebräisch-Unterricht, um besser verstehen zu können.

Der Kaiser wiederum erhob Reuchlin in Linz als Pfalzgraf in den Adelsstand und ließ für ihn eine teure hebräische Bibel aus Wiener Neustadt bringen, die er ihm zur Abreise schenkte. Reuchlin kehrte im Frühjahr 1493 dann noch einmal an den Kaiserhof nach Linz zurück, um die Gespräche und den Unterricht mit seinem Lehrer Loans fortzusetzen. Er reiste erst nach dem Tod Friedrichs ab, der am 19. August 1493 in Linz starb.

Drei Fragen an Franz Praher

Franz Praher

Der ehemalige Leiter der berufsbildenden Schulen Rohrbach ist Reuchlin-Experte

Johannes Reuchlin war einer der großen Humanisten der frühen Neuzeit und wird oft als „Brückenbauer“ bezeichnet. Was hat ihn so besonders gemacht?

"Brückenbauer" war Reuchlin insofern, als er nicht das Trennende, sondern das Verbindende zwischen den Religionen und Kulturen suchte. Reuchlin war mit Erasmus von Rotterdam eine große Persönlichkeit des 15. und 16. Jahrhunderts. In katholischen Ländern spielt sicherlich auch eine Rolle, dass seine Verteidigungsschrift „Der Augenspiegel“, die er an seine Gegner, die Religionswächter der Dominikaner und der Inquisition, gerichtet hatte, vom Papst verboten wurde. Zudem hat sich Reuchlin in seinen Arbeiten stark mit dem Hebräischen beschäftigt.

Warum hat sich Reuchlin so vehement für den Schutz jüdischer Schriften eingesetzt?

Reuchlin war überzeugt, dass das Hebräische die Sprache Gottes sei und dass in der jüdischen Literatur und vor allem in der Geheimlehre, der Kabbala, eine Fülle an Geheimnissen zum Verständnis der göttlichen Offenbarung zu finden sein müsste. Außerdem hatte Reuchlin nach Meinung des Rechtshistorikers Adolf Laufs bereits ein sehr modernes Rechtsverständnis und sprach daher der jüdischen Bevölkerung die gleichen Rechte wie allen übrigen Bürgern des Reiches zu.

Die Tabakfabrik Linz will Johannes Reuchlin eine Bühne bieten. Passt das zusammen?

Ich denke, dass diese Symbiose zwischen modernster Technologie, Wirtschaft und Kultur, wie sie die Tabakfabrik umsetzt, gut zu Reuchlin und den Humanisten passt. Mit Ausstellungen und Veranstaltungen versucht auch die Tabakfabrik, kritisch zu sein und Fragen zu stellen, die oft nicht in ein populistisches Schwarz-Weiß-Bild passen. Ganz sicher ist Reuchlin in so einer Umgebung bestens aufgehoben.

(Umfangreiches Interview auf tabakfabrik-linz.at/blog)

Die Reuchlinstrasse

Knapp 1,2 Kilometer lang ist die Reuchlinstraße nahe dem Bulgariplatz in Linz, die von der Wankmüllerhofstraße zur Westbrücke führt, wo sie in einer Sackgasse endet. Die Straße wurde im Jahr 1928 nach dem großen Humanisten Johannes Reuchlin benannt.

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