"Wir wollen niemanden missionieren, sondern Dialoge provozieren"

Von Sabrina Auböck   21.Februar 2014

"Es gibt so viele feministische Meinungen, wie es Frauen auf der Welt gibt", sagt Oona Valarie Serbest, Initiatorin der Gruppierung "Feminismus und Krawall". Mehr als 20 Vereine kämpfen unter diesem Namen seit circa einem Jahr für mehr Gerechtigkeit. Für ihren Einsatz wird die Initiative heuer mit dem Frauenpreis der Stadt Linz ausgezeichnet. Eine Sprecherin hat die Gruppe nicht. "Wir sind basisdemokratisch und haben eine total offene Struktur, darum geht uns auch die Puste nicht aus", sagt Serbest. In diesem Sinne sprachen gleich vier Vertreterinnen mit den OÖNachrichten über Provokation, Mission und das Recht, nicht gleich zu sein: Gitti Vasicek von der Kunstuni, Tania Araujo und Marissa Lobo vom Verein maiz sowie Initiatorin Oona Valarie Serbest von der Stadtwerkstatt.

 

OÖNachrichten: Sie haben das Bündnis "Feminismus und Krawall" getauft. Ist das nicht ein wenig abschreckend?

Vasicek: Abschreckend nicht. Es ist eine lustvolle Provokation. Mit Krawall wollen wir sagen, dass die öffentliche Ordnung gestört wird, wie bei Karneval etwa.

Araujo: Krawall wird immer mit Kriminalität verbunden. Bei uns nicht. Ebenso sehen wir uns als positive Attentäterinnen. Der Ursprung des Wortes kommt aus dem Lateinischen. "Tentare" heißt versuchen. Und wir versuchen zu verändern.

Provokation, ist das Ihr Hauptanliegen?

Lobo: Feminismus hat immer versucht zu provozieren. Das ist wichtig, damit eine Debatte entsteht. Wir wollen Ungerechtes sichtbar machen.

Lautstark und provokativ waren auch die Aktionen am internationalen Frauentag (8. März) vergangenes Jahr. Was erwartet die Linzerinnen und Linzer heuer in der Stadt?

Lobo: Es wird eine Prozession vom Hauptplatz bis zum Martin-Luther-Platz geben. Die Hauptfigur ist eine schwarze Päpstin. Eine Sexarbeiterin wird beispielsweise eine heilige Figur darstellen. Wir rücken Charaktere, die für uns wichtig sind, wie etwa Migrantinnen in neues Licht. Mit viel Parodie. Das ist Protest in einem anderen Format.

Verstehen die Menschen auf der Straße diese Art von Protest?

Lobo: Man muss nicht immer alles verstehen. Es ist schon ein Erfolg, wenn sie nach Hause gehen und darüber nachdenken.

Vasicek: Es geht uns ums Aufrütteln. Wir wollen Dialoge provozieren, aber niemanden missionieren.

Araujo: Genau. Wir suchen keinen Konsens. Wir wollen nicht unter einer Diktatur von Feministinnen leben. Die Leute sollen auch nicht immer zu unseren Ideen applaudieren. Was wir wollen, ist Dialog.

Serbest: Wenn wir konsenssüchtig wären, gäbe es diese Gruppierung nicht. Auch innerhalb dieser Allianz gibt es sehr viele verschiedene Ansichten.

Und was verbindet Sie?

Araujo: Wir wollen eine Welt, in der alle Platz haben. Wir wollen nicht gleich sein, aber die gleichen Voraussetzungen haben. Gleichberechtigung, Gerechtigkeit, Solidarität, mehr Spaß, mehr Lust – das sind unserer Ziele.

Serbest: Wir haben auch einen gemeinsamen Forderungskatalog. Mindestens einmal im Monat treffen wir uns und diskutieren unsere Ansichten.

So viele unterschiedliche Meinungen, warum haben Sie sich überhaupt zusammengeschlossen?

Vasicek: Es brannte jedem unter den Fingernägeln, es war eine Notwendigkeit. In der heutigen Zeit geht es immer mehr um Individuen, unsere Allianz soll ein Gegenschrei sein. Und wir haben vorher schon miteinander kooperiert.

Araujo: Es gibt doch diesen schönen Spruch "In Linz beginnt‘s". Von Linz aus wollen wir beginnen, die politische Landschaft in Österreich zu verändern. Eine Allianz aus so vielen Vereinen ist bisher einzigartig.

Vasicek: Wir wollen ganz Österreich mit Feminismus und Krawall kontaminieren. (lacht)

Für Ihre außergewöhnliche frauenpolitische Aktion am Internationalen Frauentag vergangenes Jahr bekommen Sie den Frauenpreis der Stadt Linz verliehen.

Lobo: Wir freuen uns sehr. Die symbolische Ebene ist für uns besonders wichtig. Unsere Botschaft wurde verstanden. Der Preis ist für uns ein klarer Auftrag, weiterzumachen. Und eine Botschaft an andere, dass es möglich ist, etwas zu bewegen.