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Potocnik: „Linz-Politik unterschätzt Kraft alter Bauwerke“

Von Erhard Gstöttner   06.Juli 2012

OÖN: Warum haben Sie diesen Führer gemacht?

Potocnik: Weil es so etwas in Linz nicht gibt und weil es mir ein persönliches Anliegen ist. Ich und Andrea Bina wollten wesentliche Linzer Bauten der vergangenen 111 Jahre an einem Ort darstellen.

OÖN: Was sind aus Ihrer Sicht die interessantesten Gebäude in Linz?

Potocnik: Die Tabakfabrik hat enormes Potenzial und enorme Zugkraft, die aber noch nicht genutzt werden können. Die Tabakfabrik ist eigentlich ein Wahnsinnsbauwerk, das auch einer Stadt wie London oder Paris gut stünde. Enorm, aber wenig bekannt ist auch die Schwarz-Kirche am Keferfeld. Und große Signalwirkung hat das Brucknerhaus. Das war bahnbrechend für die kulturelle Entwicklung der Stadt Linz.

OÖN: Das Brucknerhaus steht an der Donau. Nutzt Linz die Lage an der Donau genug?

Potocnik: Leider zu wenig. Die Entscheidungsträger sollten sich Amsterdam, Zürich, Tübingen oder Duisburg anschauen.

OÖN: Wo soll sich Linz mehr zur Donau hin entwickeln?

Potocnik: Ich würde beide Donauufer zwischen Nibelungen- und Eisenbahnbrücke nutzen und ausbauen. In Zürich badet man sogar mitten in der Stadt.

OÖN: Was tun mit der Eisenbahnbrücke, für deren Abriss ÖBB, SPÖ, FPÖ und Grüne sind?

Potocnik: Das ist eine ganz schwierige Frage. Festzuhalten ist, dass die Brücke für den Autoverkehr zu Tode gesalzen wurde. Dass die Brücke nicht rechtzeitig saniert wurde, ist eine Schande. Eine Schande ist auch, wie unfair hier diskutiert wird. Die Politik müsste eine Diskussion veranstalten, in der Für und Wider abgewogen werden. Die Politik will aber mit dem Kopf durch die Wand. Das ist überholt.

OÖN: Haben Linzer Politiker ein Problem mit alten Bauwerken?

Potocnik: Die Stadtpolitik unterschätzt die Kraft alter Bauwerke. In Tübingen Süd könnten sie ein aktuelles gelungenes Beispiel für eine Neustadtentwicklung studieren, die Kombination von Alt- und Neubauten. Das wurde zwei Jahre lang mit den Bürgern vorbereitet. Die alten Gebäude lässt man dort so weit wie möglich stehen. Es gibt Baugruppen auf kleinen Parzellen, sodass sich Großinvestoren nicht dafür interessieren. Durch die Bürgerbeteiligung und die kleinen Gruppen entsteht Identifizierung.

OÖN: Kann man das auf Linz übertragen?

Potocnik: Die alte Wohnanlage in der Sintstraße wäre für ein Baugruppen-Modell prädestiniert. Es gibt eine Gruppe, die die Anlage kaufen und entsprechend dem Denkmalschutz entwickeln will.

OÖN: Gibt es nach dem Brucknerhaus noch interessante Linzer Neubauten?

Potocnik: Besonders gelungen sind die Sanierung des Alten Rathauses und der Umbau der Landesbibliothek.

OÖN: In welche Richtung soll sich Linz städtebaulich entwickeln?

Potocnik: Vor allem in den Osten. Der Bereich des Hafens soll nicht primär als Industriegebiet betrachtet werden, sondern als Linzer Zukunftsstadt. Das wurde vor 20 Jahren in einer Sommerakademie an der Kunst-Uni thematisiert. So etwas müsste jedes Jahr geschehen in Zusammenarbeit mit unabhängiger Stadtplanung.

OÖN: Was würden Sie als Planungsstadtrat tun?

Potocnik: Ich würde regelmäßig mit Stadtentwicklungsexperten ähnlicher Städte Linz-Gespräche veranstalten. Ich würde Workshops mit engagierten Bürgern durchführen und sofort Teams zur Verwirklichung von deren Ideen bilden. Und ich würde jeden Tag eine Sprechstunde für alle Interessierten abhalten.

 

Ein Wiener Linzer mit internationaler Erfahrung

Lorenz Potocnik, 1971 als Sohn einer Linzerin und eines Wieners geboren, lernte schon als Kind unterschiedliche Kulturen kennen. Denn er wuchs in Paris und Genf auf. „Ich wurde dreifach sozialisiert: französisch auf der Straße, deutsch in einer deutschen Schule in Paris und österreichisch im Elternhaus“, sagt Potocnik.

Nach der Matura in Paris studierte Potocnik Architektur in Wien, Delft und Portsmouth. Er gründete in Wien das Architekturbüro „feld 72“, arbeitete als Assistent an der Linzer Kunst-Uni. Sein besonderes Anliegen: „Wege finden, wie die Bevölkerung mitmischen kann und die Politik Angst vor Mitbestimmung ablegt.“

 

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