"Ich hatte das große Glück, mit ihr aufzuwachsen"
LINZ. Die Linzer Regisseurin Natalie Halla ehrt mit einem Film ihre Oma, die Malerin Anna Mutter (1918–2011).
Der Tag, den sich die renommierte Linzer Künstlerin Anna Mutter mit 92 Jahren zum Sterben ausgesucht habe, sei "typisch Oma" gewesen, sagt ihre Enkelin Natalie Halla. Es war der 11. März 2011, der Tag, an dem die Nuklearkatastrophe von Fukushima die Welt erschütterte. "Wie meine Schwester Stefanie so schön in der Trauerrede gesagt hat: Sie wollte eben mit Tausenden Japanern dort hinaufgehen", ergänzt Halla, vielfach prämierte Regisseurin.
Denn die Malerin und Menschenfreundin Anna Mutter konnte, typisch Vollblut-Künstlerin, dramatische Auftritte liefern. "Ich habe sie in ihrem Atelier fluchen gehört. Dann hat sie Bilder zerrissen, mit denen sie nicht zufrieden war", sagt Halla. Mutter war eine Naturkraft. Und diese will die 42-jährige Enkelin mit der ganzen Familie nun öffentlich feiern.
"Sie hätte mich nie abgedodelt"
Am 20. Oktober zeigt Halla um 19 Uhr im Linzer Moviemento den Film "Ein alter Indianer", der dem Leben der Großmutter nachspürt (Karten unter Tel. 0732/78 40 90), ebenso sind etwa 15 ihrer Werke ausgestellt. Anlass ist Mutters 100. Geburtstag, den die gebürtige Welserin am 29. August gefeiert hätte. "Film und Gemälde sind nur an diesem einen Tag zu sehen. Es wird ihr Fest." Damit will Halla, das "Oma-Kind" unter vier Geschwistern, nochmals Danke sagen. "Ich hatte das riesige Glück, mit ihr aufzuwachsen. Noch dazu im selben Haus, im unteren Stock war ich lange ihre Nachbarin."
"Selbstporträt"
Damals habe sie sie schon so erlebt wie später mit ihren Urenkeln, sagt Dreifach-Mama Halla – liebevoll und sehr interessiert. "Sie hat Menschen jeden Alters als voll und wahr betrachtet. Sie hätte mich nie abgedodelt."
Wenn die Regisseurin als Mädchen die Bilder der Mutter ihrer Mutter kopiert hat, hat diese manchmal sogar die Kopien der Enkelin kopiert. "Weil ihr meine Version, der unverfälschte, kindliche Ausdruck, viel besser gefallen hat. Sie hat definitiv in mir den Grundstock gelegt, Künstlerin zu werden." Zudem hat sie ihr gezeigt, unerschrocken zu sein: Mutter stammte aus keiner reichen Familie, wusste aber schon früh, dass die Kunst ihre Berufung ist. Dank eines Stipendiums konnte sie an die Akademie der Bildenden Künste nach Wien gehen, während des NS-Regimes, "in einer Zeit, in der niemand daran dachte, Künstler zu werden". Damals lernte Anna ihren Mann kennen, den 30 Jahre älteren, arrivierten Zeichner Adolf Mutter. Mit ihm ging sie nach Linz, wo sie in einer Villa in der Mozartstraße lebten.
Start als Autodidaktin
"Es war eine Beziehung, über die heute Filme gedreht werden. Sie haben sich gegenseitig sehr gebraucht und waren untereinander die größten Kritiker. Erst nach seinem Tod hat sie die Farbe Schwarz entdeckt", sagt Halla, ebenso mutig wie die Oma. Die Linzerin, eigentlich Juristin, startete erst vor sieben Jahren als Autodidaktin im Filmgeschäft, für ihren Dokumentarfilm "Separated" drehte sie in Algerien an einem verminten Sandwall – schwanger mit ihrem Jüngsten, Mikel. Zu dieser Zeit lebte sie noch mit ihrem Mann in dessen Heimat Spanien.
Eine große Sorge war, nicht rechtzeitig heimzukommen, um ihre Oma in den Tod zu begleiten, die für alle Urenkerl Schutzengel malte, die letzten zwei gezeichnet, weil ihr schon die Kraft fehlte, um den Pinsel zu halten. "Als es so weit war, hat sie aber gewartet, um sich von allen verabschieden zu können. Das Interessante war, sie hat immer besser, entspannter ausgeschaut. Sie ist in meinen Armen gestorben – ein Geschenk."
Anna Mutter