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Bundespolizeidirektion schließt - Letzter Leiter im Interview

Von Gerhard Lukesch   03.August 2012

Genau 85 Jahre gab es die Bundespolizeidirektion Linz. Durch die Polizeireform, die 2005 begann, wird sie mit der zweiten Phase der Umstrukturierung in wenigen Wochen Geschichte sein. Damit ist auch fix: Polizeidirektor Walter Widholm, 59, der seit 15 Jahren diese Funktion als Behördenleiter in Linz derzeit noch innehat, wird der letzte höchste Jurist der Bundespolizeidirektion Linz sein. Im OÖNachrichten-Interview blickt Widholm auf seine insgesamt 35 Jahre bei der Bundespolizei Linz und die 15 Jahre als Chef zurück.

OÖNachrichten: Herr Doktor Widholm, wie empfinden Sie das endgültige Ende einer Institution, die wesentlich für die Sicherheit in Linz verantwortlich war?
Widholm: Natürlich geht eine lange Ära mit einer teilweise sehr bewegten Geschichte zu Ende, und das ist selbstverständlich eine entscheidende Umstellung. Ich bin aber doch der Überzeugung, dass die Neuorganisierung der Polizei in Österreich insgesamt durchaus sinnvoll ist. Aber es war ja eine absehbare Entwicklung, die bereits im Jahr 2005 begonnen hat, dass die Bundespolizeidirektionen in der alten Form nicht mehr existieren werden und es jetzt in wenigen Wochen so weit sein wird. Ich bin aber schon der Meinung, dass es besser ist, dass es pro Bundesland nur einen Landespolizeidirektor gibt, der als Gesamtbehördenleiter zuständig sein wird.

Damit stellt sich natürlich sofort die Frage, ob mit dem Ende Ihrer Funktion in der Bundespolizeidirektion Linz auch Ihre Pensionierung unmittelbar bevorsteht?
Ich sehe das ganz entspannt. Natürlich habe ich mich auch um den Posten des Landespolizeidirektors beworben. Ich werde aber Ende Oktober meinen 60. Geburtstag feiern und kann damit relativ ruhig abwarten, was passieren wird. Ich fühle mich noch fit genug, bis zum 65. Lebensjahr weiterzuarbeiten. Wenn es aber nicht so sein sollte, dann soll es so sein, und ich werde mich mehr meinem großen Hobby, dem Motorradfahren, in der Pension widmen.

Wie hat eigentlich Ihre steile Karriere bis zum Polizeidirektor von Linz begonnen?
Ich bin direkt nach dem Studium als promovierter Jurist im Juni 1977 in den Dienst der Bundespolizeidirektion Linz eingetreten und war zunächst im Strafamt als Referent tätig. Nach rund zwei Jahren bin ich dann zur Kriminalpolizei als Jurist gewechselt und war für das Referat Einbruch und Diebstahl verantwortlich. Anschließend war ich zehn Jahre im Bereich Wirtschaftskriminalität tätig.

In die 1990er Jahre fielen ja die dramatischen Kriminalfälle Noricum und Intertrading?
Ja, und das waren auch die größten Herausforderungen: einerseits die verbotenen Noricum-Waffenlieferungen in die damals kriegsführenden Länder Iran und Irak und die Verwicklungen der Politik zu klären, andererseits die riskanten Geschäfte der Voest-Tochter Intertrading, die ja zu einem Riesenverlust geführt haben. Da habe ich mit den Kriminalbeamten Karl Ebenhofer und Helmut Draxler monatelang zusammengearbeitet. Das war doch eine Riesenherausforderung, und unsere Arbeit hat schließlich wesentlich dazu beigetragen, dass es zu Verurteilungen gekommen ist.

Einer der bekanntesten Kriminalbeamten in der 85-jährigen Geschichte der Polizei Linz war Oberst und Krimi-Autor Leo Maier alias Leo Frank. Er war aber für viele Juristen der Polizei Linz von 1977 bis 1984 das „Enfant terrible“. Wie sind Sie mit ihm ausgekommen?
Ich hatte mit ihm nie Probleme, ich hatte seine Kompetenz und Erfahrung als Kriminalbeamter akzeptiert und er meine Aufgaben als Jurist. Fast alle Kriminalbeamten sind wie eine Mauer hinter ihm gestanden. Maier war ja auch am 28. April 1978 bei einer 13-stündigen Geiselnahme in einer Bank am Volksgarten maßgeblich am glücklichen Ausgang beteiligt. Das war sicher einer der kritischsten Kriminalfälle, denn der Geiselnehmer hatte ja auch im Februar 1976 einen Linzer Polizisten erschossen.

Was war für Sie der dramatischste Moment in der Funktion als Polizeidirektor?
Das war, als ich am 29. Mai 2000, da war ich seit drei Jahren Chef, informiert wurde, dass Polizisten in Linz 15 Mal auf einen flüchtenden Bankräuber geschossen und ihn sechsmal getroffen haben. Der 38-jährige Mann starb dann kurz darauf im Spital, und es stellte sich heraus, dass er mit einer Pistolenattrappe bewaffnet war. Das war zunächst ziemlich kritisch. Die Untersuchungen durch die Staatsanwaltschaft ergaben aber, dass es ein echter „Selbstmord durch Polizisten“ war und die Beamten nicht anders handeln hätten können.

 

Bewegende Ereignisse und dramatische Momente in der 85-jährigen Geschichte

Die Bundespolizeidirektion Linz wurde am 25. März 1927 durch eine Verordnung des damaligen Bundeskanzlers Ignaz Seipel gegründet. Das erste Direktionsgebäude befand sich bis 1935 in der Rathausgasse. Einer der spektakulärsten Kriminalfälle in dieser Epoche war am 11. September 1933, als im Linzer Dom der Mesner Franz Bachbauer von einem Einbrecher erschossen wurde. Die Tat konnte nie geklärt werden.

Groß im Rampenlicht stand die Direktion an der Rathausgasse ab dem 12. Februar 1934, als es drei Tage lang zu schweren Kämpfen in Linz zwischen dem Schutzbund und der Heimwehr kam. Auch die Polizei war beim Hotel Schiff an der Landstraße in die Kämpfe verwickelt. Verhaftete sozialdemokratische Schutzbündler wurden zunächst im Hof der Polizeidirektion zusammengetrieben und dann in Gefängnisse gebracht.

Im Jahr 1935 übersiedelte die Bundespolizeidirektion Linz in das von der Stadt angekaufte und umgebaute „Hotel de l’Europe“ an der Mozartstraße 6–10. Dieses Gebäude sollte bis September 1981 als „Hauptquartier“ der Bundespolizeidirektion Linz dienen.

Zu den spektakulärsten Kriminalfällen bis zum Jahr 1981 zählen die Schießerei in einer Anwaltskanzlei an der Mozartkreuzung am 3. Juni 1960 mit zwei Toten und einer lebensgefährlich verletzten Frau sowie der Mord an einem siebenjährigen Mädchen am 29. März 1972 in einem Keller jenes Hauses, das direkt gegenüber der Polizeidirektion lag.
Nach der Übersiedlung in die neue Direktion an der Nietzschestraße gab es für die Linzer Polizei mehrere dramatische Einsätze, darunter eine schwere Auseinandersetzung von Türken und Kurden im Neustadtviertel am 21. November 1992 sowie eine Schießerei am Bezirksgericht Linz-Urfahr in der Ferihumerstraße am 10. März 1995 mit fünf Toten und zwei Schwerverletzten.

Seit dem Jahr 1927 gab es (ausgenommen der NS-Diktatur von 1938 bis 1945) elf Polizeidirektoren in Linz. Am längsten übte diese Funktion Walter Widholm aus: Er ist seit 1997 im Amt.

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