Wald als Rückzugsort: "Nimmt jeder Rücksicht, gibt es keine Probleme"
BEZIRK RIED. Rieds Bezirksjägermeister Rudolf Wagner über die Herausforderungen in der Corona-Krise.
In Zeiten der Corona-Krise entdecken wieder mehr Menschen die Liebe zur Natur. Grundsätzlich kein Problem und verständlich, sagt der 58-jährige Bezirksjägermeister Rudolf Wagner aus Antiesenhofen im Gespräch mit den OÖNachrichten. Wichtig sei nur, dass sich jeder an gewisse Regeln hält.
OÖN: Was bedeutet die aktuelle Situation für die Wildtiere?
Rudolf Wagner: Nicht nur in der aktuellen Situation, sondern auch generell ist frische Luft und ein Spaziergang im Wald sehr wichtig und gesund. Aber jetzt in diesen Krisenzeiten ist schon ziemlich viel los. Zurzeit befinden sich die Tiere in der Paarungszeit, daher sollten gerade jetzt Stresssituationen vermieden werden. Wildtiere sind keine Kuscheltiere und daher darf man die Tiere auch nicht berühren. Passiert das dennoch, ist es so, dass die Muttertiere die Kleinen verstoßen, und das bedeutet für das Jungwild meistens einen qualvollen Tod.
Und für die Natur?
Werden die Tiere vom Menschen gestört, werden diese aggressiv und der Verbissdruck steigt. Das heißt, dass die Tiere die frischen Knospen anknabbern, und das ist natürlich für Jungbäume ganz schlecht.
Worauf sollten Menschen noch achten?
Wünschenswert wäre es, wenn sich die Spaziergänger, Läufer und Radfahrer in einem Zeitraum von zwei Stunden nach dem Sonnenaufgang und zwei Stunden vor dem Sonnenuntergang nicht mehr im Wald aufhalten würden. Wildtiere sind nachtaktiv, was bedeutet, dass sie sich am Tag in ihre Ruhezone zurückziehen und sich erholen. Eine weitere Bitte wäre, dass wirklich nur die Gehwege verwendet werden. Hunde sollten unbedingt an die Leine genommen werden, da diese das Wild sonst attackieren.
Was bedeutet das für die Jägerschaft?
Die Bejagung wird schwieriger, weil sich die Tiere ständig neue Einstände suchen müssen. Wir von der Jägerschaft sind verpflichtet, den vorgegebenen Abschussplan von der Behörde zu erfüllen. Wenn nicht genug Wild erlegt wird, bekommen wir Strafen. Außerdem steigt der Verbissdruck, wenn man zu wenig Wild erlegt. In den letzten Jahren haben die Jäger im Bezirk Ried allerdings die Vorgaben immer zu 100 % erfüllen können.
Im Mai begann die Abschusszeit. Ist zurzeit schon geklärt, ob man das erlegte Wild überhaupt verkaufen kann?
Verkaufen sicher, aber deutlich billiger. Die Lager der Wildhändler sind aufgrund der Krise noch vom Herbst gut gefüllt. Die großen Abnahmeländer wie die Schweiz oder Frankreich haben die Grenzen geschlossen. 1986 nach der Katastrophe von Tschernobyl war die Lage ähnlich, da waren die Preise im Juli und August auch im Keller. In den letzten Jahren waren die Preise allerdings in Ordnung. Es ist eben so, dass der Markt den Preis bestimmt. Es wird jetzt einfach schwer, Abnehmer für das Wild zu finden. Die Jägerschaft muss auf jeden Fall sehr kreativ werden, da die Jagdpacht ja schließlich auch zu bezahlen ist.
Sie sind jetzt seit 40 Jahren Jäger und seit 19 Jahren Bezirksjägermeister. Was ist das Besondere daran, Jäger zu sein?
Fast jeder Reviergang ist ein Erlebnis. Man verbringt viel Zeit in der Natur, das ist wunderschön. Da heißt es zusammenhelfen. Aktuell gibt es z. B. das Problem mit dem Borkenkäferbefall. Wenn wir Jäger bei den Bäumen solche Nester sehen, geben wir den Grundbesitzern Bescheid. Es ist wichtig, ein gutes Verhältnis untereinander zu haben. Für die aktuelle Krisensituation bin ich optimistisch, dass alles wieder gut wird. Es ist wie in der Natur: Wenn jeder auf den anderen etwas Rücksicht nimmt, gibt es weniger Probleme.
Wenn Rehe sich an die Menschen gewöhnt haben, flüchten sie nicht. Außer sie haben Angst vor Menschen, zum Beispiel durch "falsche" Jagd.
Sichtbares Wild ist Lebensqualität; für die Menschen, die Jagd und für das Wild.
Wie das erreicht werden kann, ist in dem Jagdfilm "Sichtbares Wild, kostbares Wild" der Bundesforste zu sehen: https://www.bundesforste.at/leistungen/jagd/jagdfilme.html
Die Kurzfassung auf Papier ist hier: https://www.bundesforste.at/fileadmin/jagd/Jagdfilme/SichtbaresWildKostbaresWild_Teil1.pdf
Lieber Herr Wagner!
Der Verbissdruck steigt in erster Linie durch zu hohe Wildbestände, falsches Futter (zb. Körner für Rehe, Mastfutter etc.). Gehören Jäger auch zu den Menschen, wenn e um den Störeinfluss geht, oder ist das ständige umherkurven mit ihren Offroadfahrzeugen mancher Jäger keine Störung?
Wildtiere können meiner Meinung nach auch zwischen Jäger und Wanderer sehr gut unterscheiden, deshalb heißt die Aussage
"Wünschenswert wäre es, wenn sich die Spaziergänger, Läufer und Radfahrer in einem Zeitraum von zwei Stunden nach dem Sonnenaufgang und zwei Stunden vor dem Sonnenuntergang nicht mehr im Wald aufhalten würden"
Wenn die Jäger im Wald sind habt ihr das nichts verloren, damit wir in dieser Zeit ungestört arbeiten können (von Reh erlegen bis illegalem Greifvogelabschuss)!