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Schneller Mobilfunk ruft die Skeptiker auf den Plan

Von Dieter Seitl   04.Juli 2019

Die Gegner des neuen superschnellen Mobilfunknetzes – 5G (die Abkürzung steht für 5. Generation) – sind mobilisiert. Ried wurde im März als eine von 17 Gemeinden in Österreich für den ersten Echtbetrieb ausgewählt. Der vermutliche Grund: Die ausreichende Versorgung mit Glasfaserleitungen, die für den Betrieb des 5G-Netzes Voraussetzung sind.

In Ried fand am Montagabend auch eine Informations-Veranstaltung der 5G-Gegner statt. Rund 300 Besucher kamen – und erforderten daraufhin eine ungewöhnliche Maßnahme: Die Veranstaltung wurde aufgrund des großen Besucherandrangs kurzerhand vom Riedberg-Pfarrsaal in die Riedbergkirche verlegt.

Bedenken wegen Strahlung

Unterschriften-Listen gegen "die Menschheit als Versuchskaninchen" im Bezug auf mögliche Strahlenbelastung: Die Veranstalter haben Gottfried Huemer, Sprecher und Vertreter der Organisation "Diagnose Funk Österreich" aufgeboten – dieser appellierte gleich zu Beginn, die Mobilfunkgeräte abzuschalten.

5G sei ein sehr komplexes Thema, räumt Huemer ein – nach 1G "mit den schweren Mobiltelefonen im Auto" habe sich vieles gewandelt, verbunden mit anstehender dichterer Strahlenbelastung. "6G ist schon in Arbeit", so Huemer. Bisher seien die Funkmasten möglichst hoch oben platziert worden. Dies werde sich mit 5G ändern. "In dicht besiedelten Gebieten sind alle 100 bis 200 Meter Sender geplant, zum Beispiel auf Straßenlaternen. Das wäre auch wegen dem geplanten autonomen Fahren nötig. Alles, was bei uns öffentlich-rechtliche Fläche ist, darf durch die Betreiber verwendet werden, bei allen Gebietskörperschaften. Ohne vorher nachzufragen."

In Österreich gebe es, was die Strahlenbelastung betrifft, nicht wirklich gesetzliche Grenzwerte. Und schon gar nicht in Bezug auf Schulen, Kindergärten oder Krankenhäuser. "Die Dauerbelastung bei Sendemasten für die direkte Umgebung wird nicht berücksichtigt." 5G habe "hohe Datenrate, geringe Reichweite und hohe Leistung". Am Ende komme es durch permanenten Funkkontakt und immer weitergehende Anwendungen zur "Überwachung". Gesundheitlich schädliche Auswirkungen seien durch ein immer dichter werdendes Strahlennetz durchaus zu befürchten. Huemers Empfehlung: "Was man nicht braucht, abdrehen, zum Beispiel zu Hause über Nacht das W-Lan." Nachsatz: Konventionelle Festnetz-Schnurlostelefone weisen eine vergleichsweise sehr hohe Strahlenbelastung auf, so Huemer. Sinngemäß: "Wenn Sie so etwas noch zu Hause haben, werfen Sie es beim Fenster raus!"

"Keine Studie pro oder contra"

Es gebe unterschiedliche Meinungen – auch innerhalb der Ärzteschaft, sagt Piero Lercher, Umweltreferent der Wiener Ärztekammer gegenüber den OÖN. Daher sei die Aufklärung der Bevölkerung und der Hinweis auf Vorsorgemaßnahmen im Umgang mit Mobiltelefonen der Schwerpunkt. Er hält zu den möglichen Gefahren von Mobilfunk fest: "Wissenschaftlich gibt es keine Studie pro oder contra!" Ein vorsichtiger Umgang sei geboten, zumal die Weltgesundheitsorganisation (WHO) als oberste medizinische Instanz die Möglichkeit einer Krebserregung sehe.

 

"Müssen versuchen, die Hysterie aus dem Thema herauszuhalten"
Bernhard Schuster

„Müssen versuchen, die Hysterie aus dem Thema herauszuhalten“

Das Stadtgebiet von Ried wurde von einem Mobilfunkbetreiber als eine von zwei Pilotregionen in Oberösterreich für die Einführung des neuen, schnellen Mobilfunkstandards „5G“ ausgewählt. Bernhard Schuster, Geschäftsführer der Firma Infotech, hat eine Vermutung, warum ausgerechnet in Ried „getestet“ wird. „Die Bedingungen hier sind gut, da in Ried alle Sender mit Glasfaserleitungen ausgestattet und verbunden sind. Das ist eine technische Voraussetzung, damit 5G überhaupt funktioniert.“

Die neue Art der Datenübertragung hat aber nicht nur Befürworter, es gibt auch Bedenken wegen möglicher Strahlenbelastung. Ein Thema, mit dem auch Bernhard Schuster immer wieder konfrontiert wird. „Ich bin kein Experte auf diesem Gebiet, aber es gibt ein paar Fakten, die unbestreitbar sind. Damit 5G nutzbar wird, braucht es mehr Sender und mehr Standorte, wodurch die Strahlung zunehmen wird. Auch die Verwendung von hohen Frequenzen, die im Raum steht, ist noch viel zu wenig erforscht. Ob diese Entwicklungen Auswirkungen auf den Körper haben und wenn ja welche, lässt sich derzeit nicht mit Sicherheit sagen. Ich finde es aber gut, dass darüber diskutiert wird. Wichtig ist nur, dass die Hysterie aus dem Thema herausgenommen wird. Es braucht eine sachliche Debatte und wissenschaftlich fundierte Ergebnisse“, sagt Bernhard Schuster.

Das Interesse an dem neuen Mobilfunkstandard sei groß – von unterschiedlichsten Seiten. „Zum Beispiel fragen uns Unternehmen, ob sich 5G für sie lohnt. Meiner Ansicht nach werden wir in Zukunft beides brauchen: Glasfaser und ein gutes Mobilfunknetz. Nur so lässt sich der Bandbreitenhunger stillen.“ Profitieren sollen von der neuen Art der Datenübertragung vor allem die ländlichen Regionen, in denen es noch keine Glasfaserleitungen gibt.

Technische Details

5G sei vom Standard her offener, sagt Bernhard Schuster. Mit hohen Frequenzen können große Datenmengen transportiert werden, wobei die Reichweite eher gering ist. Umgekehrt verhält es sich mit niedrigen Frequenzen: weniger Datenmenge, große Reichweite. „Wegen der niedrigen Frequenzen müssen wir uns keine Sorgen machen. Die wurden früher schon vom analogen Fernsehen genutzt.“

Handy und Gesundheit – Mediziner rät: "Vorsichtig damit umgehen!"
Auswirkung der Handynutzung auf die Gesundheit: brisantes Thema.

Handy und Gesundheit – Mediziner rät: „Vorsichtig damit umgehen!“

Wie die Beurteilung der Gefahren der 5G-Technologie aus Sicht der Medizin aussieht, erläutert der Umweltreferent der Wiener Ärztekammer, Piero Lercher, im Gespräch mit den OÖNachrichten.

„Es gibt unterschiedliche Meinungen dazu, die Ärztekammer als solche sieht einen Schwerpunkt in der Aufklärung der Bevölkerung sowie dem Hinweis auf Vorsorgemaßnahmen im Umgang mit Handy-Technologie“, sagt der Umweltmediziner. Er empfiehlt „grundsätzlich vorsichtig damit umzugehen!“ Es sei noch nichts eindeutig geklärt – und verweist auch auf die von der Ärztekammer herausgegebenen „10 medizinischen Handy-Regeln!“

Er halte nichts von Verschwörungstheorien, sagt Piero Lercher, dass Handys jedoch so ungefährlich seien, wie Mobilfunkbetreiber betonen, sei ebenfalls zu hinterfragen. Auch wenn das Forum Mobilfunk auf seiner Homepage betone: „Eine Gefährdung der Gesundheit durch Mobilfunk ist nach wie vor nicht wahrscheinlich“, heiße es in einer Studie auf der gleichen Webseite: „Bisher konnten gentoxische Wirkungen von Mobilfunkfeldern nicht eindeutig nachgewiesen werden.“ Daher müsse man seriöserweise sagen. „Wissenschaftlich gibt es keine Studie pro oder contra!“

Vor Beteuerungen der Mobilfunkbetreiber, dass die Strahlung der 5G-Technologie mit jener der Radiostrahlen vergleichbar sei, warnt der Mediziner: „5G-Strahlung liegt im Mikrowellenbereich und ist nicht vergleichbar mit Radiowellen. Da werden wir Bürger für dumm verkauft!“ Die Mikrowellenstrahlung sowie die hohe Senderdichte („Keiner sagt, wie viele Sender geplant sind!“) seien die Risiken, wie Piero Lercher sagt.

„Lösung heißt Glasfaserkabel“

Die Mediziner seien keineswegs „altfaderisch und gegen Digitalisierung“, aber: „Es gibt eine Lösung, wie man Digitalisierung ohne potentielle Gesundheitsgefährdung vorantreiben kann – mit kabelgebundenen Lösungen auf Basis der Glasfasertechnologie. Das geht viel schneller, das ist datensicherer, das ist nicht gesundheitsgefährdend!“, so Piero Lercher. Es stelle sich grundsätzlich die Frage, weshalb die 5G-Technologie notwendig sei, wenn es andere Lösungen gebe.

Schneller Mobilfunk ruft die Skeptiker auf den Plan
Der Widerstand wächst.

Zahlen zum Thema

200 Menschen in Österreich testen derzeit die neue 5G-Datenübertragung. Der Grund für die geringe Zahl: 5G-Router sind Mangelware und auch 5G-fähige Smartphones werden erst im Sommer auf den Markt kommen.

17 Gemeinden in fünf österreichischen Bundesländern wurden für den Test der neuen 5G-Technologie ausgewählt. Die beiden oberösterreichischen Gemeinden, in denen dieser Testbetrieb läuft, sind Oberhofen am Irrsee und Ried im Innkreis.

100 Mal schneller soll das geplante 5G-Netz Datenmengen übertragen als der Vorgänger 4G bzw. LTE (4G: rund 100 Megabite pro Sekunde; 5G: 10 Gigabite pro Sekunde). Zudem können wesentlich mehr Geräte zeitgleich im Netz sein. Bei 5G sind das theoretisch eine Million. Bei 4G waren es 200. Deswegen ist 5G momentan hauptsächlich für die Industrie interessant.

2025 Erst ab dem Jahr 2025 werden Frequenzen frei, die 5G flächendeckend ermöglichen. Deshalb ist 5G für die meisten Privatanwender noch Zukunftsmusik.

52.070  Menschen haben bisher eine Petition gegen den 5G-Netzausbau unterschrieben. Mit der Unterstützung von Ärzten warnen Kritiker vor den Folgen des Aufrüstens auf 5G – vor allem für elektrosensible Patienten. Etwa sechs bis acht Prozent der Bevölkerung leiden demnach unter dem „Mikrowellensyndrom“, das sich unter anderem durch Migräne, Schmerzzustände oder Depressionen äußert.

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25. April 2024