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„Wir müssen weniger konsumieren“

Von Bianka Eichinger, 03. Mai 2012, 00:04 Uhr
„Wir müssen weniger konsumieren“
Niko Paech ist Wirtschaftswissenschafter an der Universität in Oldenburg. Bild: privat

RIEDAU. Niko Paech, Ökonom und Wirtschaftswissenschafter, spricht in Riedau über seinen visionären, gleichzeitig konkreten Gesellschaftsentwurfs der „Postwachstumsökonomie“.

Mit seiner These „Wir müssen nicht mehr produzieren, sondern weniger konsumieren“ sorgt der Wirtschaftswissenschafter Niko Paech für Diskussion. In Riedau hält er einen Vortrag zum Thema „Leben ohne Wirtschaftswachstum – Wie geht das?“ Mit der Volkszeitung sprach der Professor für Produktion und Umwelt über seinen Gesellschaftsentwurf der „Postwachstumsökonomie“ und auf welche Dinge er persönlich verzichtet.

 

Volkszeitung: Waren Sie schon einmal im Innviertel? Was fällt Ihnen spontan zum Innviertel ein?

Paech: Ich war zwar noch nie hier, so weit ich mich erinnere, aber ich weiß aus Beschreibungen, wie schön es da ist. Deshalb bin ich neugierig.

Volkszeitung: Von Ihnen stammt der Begriff „Postwachstumsökonomie“. Können Sie einem Laien in drei Sätzen verständlich erklären, was dieser bedeutet?

Paech: Eine Postwachstumsökonomie resultiert aus dem Rück- und Umbau der globalisierten Industrie. Die Versorgung stützt sich zum einen darauf, im Rahmen eines 20-Stunden-Jobs weiterhin ein bescheidenes Einkommen zum Konsumieren zu verdienen, zum anderen darauf, durch eigene geldlose Leistungen Produktion zu sparen. Letzteres umfasst unter anderem die eigenständige Pflege, Instandhaltung und Reparatur von Gegenständen, eigene Lebensmittproduktion in Gemeinschaftsgärten und die gemeinschaftliche Nutzung von Gütern.

Volkszeitung: Wie sieht der Vorzeigebürger dieses Lebensstils aus?

Paech: Er verursacht pro Jahr nicht mehr als 2,7 Tonnen CO2.

Volkszeitung: Mit Ihrer provokanten These, wir müssen nicht mehr produzieren, sondern weniger konsumieren, haben Sie sicherlich auch viel Kritik einstecken müssen. Ein Großteil der Bevölkerung sieht nicht ein, dass man auf gewisse Dinge verzichten beziehungsweise sich zukünftig einschränken sollte. Nennen Sie drei Argumente, warum Sie Recht haben?

Paech: Umwelt-, insbesondere Klimaschutz ist anders nicht möglich, weil technische Innovationen dabei versagen, unseren Wohlstand ökologischer zu machen. Die enorme Ressourcenverknappung, die uns absehbar ereilen wird, setzt unserem Konsum- und Mobilitätsmodell neue Grenzen. Wir erleiden durch zu viel Konsum und Mobilität eine Reizüberflutung, die unserem Glück abträglich ist, zuweilen sogar die Burn-out-Gefahr steigert.

Volkszeitung: Sie haben den Begriff „Prosument“ kreiert. Was dürfen wir darunter verstehen?

Paech: Das ist Mensch, der seine ökonomische Souveränität dadurch zurück erlangt hat, dass er selbst produziert, repariert, mit anderen Dinge tauscht oder gemeinsam nutzt, also sich vom Dasein eines Konsumdeppen befreit.

Volkszeitung: Der Titel Ihres Vortrages in Riedau lautet: „Leben ohne Wirtschaftswachstum – Wie geht das?“ Bei den Unternehmern werden Sie sich damit keine Freunde machen, oder?

Paech: Kürzere Distanzen zwischen Verbrauch und Produktion, also eine Rückkehr zu regionaler und weniger kapitalintensiver Fertigung, wäre ein wichtiger Schritt. Andere Nutzungsformen und Produkte, die lange halten und reparabel sind, können auch für Unternehmen interessant sein – natürlich nicht für alle. Unternehmen sind gut beraten, sich auf Peak Oil (Fördermaximum des Rohöls) einzustellen, sonst brechen manche Produktionssysteme wie Kartenhäuser zusammen. Weiters benötigen wir eine Verkürzung und Umverteilung der Arbeitszeit sowie Veränderungen unseres Geldsystems.

Volkszeitung: In einem Interview sagten Sie, dass der Nahrungsmittelanbau das Wichtigste sei. Steigt Ihrer Meinung nach die Bedeutung regionaler Lebensmittelproduzenten in Zukunft bzw. sollen wir alle zu Hobbygärtnern werden?

Paech: Ohne Flugzeuge, Flat Screens und Wellness-Aufenthalte kann ich gut leben, aber nicht ohne Nahrung. Deshalb sollte dieser Bereich, um hinreichend auf Peak Oil vorbereitet zu sein, so geld- und energieunabhängig wie möglich gestaltet sein. Es reicht, wenn möglichst viele Menschen daran beteiligt sind, in ihrem Umfeld Haus-, Dach- und Gemeinschaftsgärten zu reaktivieren. Wer dazu keine Lust hat, kann im Tausch gegen Nahrungsmittel andere Fertigkeiten beisteuern.

Volkszeitung: Was kann jeder Einzelne konkret tun, damit wir alle unseren Wohlstand erhalten können?

Paech: Den derzeitigen Wohlstand können wir niemals erhalten. Wer abrüstet, verhindert den tiefen Sturz, der andernfalls so oder so kommt. Denken wir an Griechenland. Wir können die Vorbereitung auf eine gedeihliche Zukunft als Übungsprogramm auffassen. Wir können üben, ohne Flugzeuge, Autos und Industrieprodukte auszukommen. Wir können unsere Arbeitszeit auf 20 Stunden reduzieren, um die anderen 20 Stunden ohne Geld und Öl produktiv sein. Das ist dann ein bescheidener Wohlstand, aber einer, der erstens glücklicher macht, weil er verantwortbar ist und zweitens souverän macht. Glücklich ist nicht, wer viel hat, sondern wenig braucht. Schließlich sollten wir unsere individuelle CO2-Bilanz ermitteln, um zu schauen, was wir tun können, um auf 2,7 Tonnen CO2 zu kommen.

Volkszeitung: Und was machen Sie persönlich, um fit für die Zukunft zu sein?

Paech: Keine Flugreisen, kein Auto, kein Fleisch, kein Handy, kein Fernseher und kein Einfamilienhaus. Dinge lange und intensiv nutzen, sie möglichst selbst reparieren und wo es sich anbietet mit anderen teilen.

 

Termin und Fakten

2,7 Tonnen Kohlenstoffdioxid (CO2) soll laut Paech der Vorzeigebürger der Postwachstumsökonomie höchstens pro Jahr verursachen.

Vortrag: Am Dienstag, 15. Mai, um 20 Uhr referiert Dr. Niko Paech im Pramtalsaal in Riedau zum Thema „Leben ohne Wirtschaftswachstum – Wie geht das?“. Veranstalter ist die Gesunde Gemeinde Riedau. Eintritt: 5 Euro; Vorverkaufskarten über Ö-Ticket und in allen oö. Sparkassen. Der Reinerlös des Abends kommt dem „Regenwald der Österreicher“ zugute. Infos zum Projekt: www.sos-regenwald.at

20 Stunden soll laut Niko Paech jeder Arbeitnehmer nur mehr produktiv tätig sein. Die verbleibenden 20 Stunden sollen die Menschen Geräte selbst reparieren oder Gemüse anbauen.

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