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Rieder Primarärzte schlagen Alarm: "Die Situation ist sehr, sehr ernst"

Von Thomas Streif, 12. November 2020, 07:29 Uhr
Rieder Primarärzte schlagen Alarm: "Die Situation ist sehr, sehr ernst"
Primar Peter Hohenauer und Primar Thomas Winter stehen wie das gesamte Personal des Krankenhauses Ried vor schweren Wochen. Bild: Krankenhaus Ried

RIED. Vierte Pandemiestation im Spital in Betrieb: Versorgung akuter Erkrankungen gewährleistet

Die Zahl der an Covid-19 erkrankten Patienten im Krankenhaus Ried ist in den vergangenen Wochen und Tagen stetig gestiegen. Die Bezirke Ried und Schärding gehören aktuell zu den "Corona-Hotspots" in Österreich, dementsprechend groß sind die Herausforderungen in den Spitälern. Die OÖN haben mit Primar Thomas Winter, dem Leiter der Pandemiestation des Rieder Spitals, und Peter Hohenauer, Abteilungsleiter Intensivmedizin, ein ausführliches Video-Interview geführt.

OÖN: Die Situation hat sich in den vergangenen zwei, drei Wochen immer mehr zugespitzt. Wie ernst ist die Lage?

Winter: Sehr, sehr ernst, daran gibt es keine Zweifel. Vor allem die Bezirke Ried und Schärding gehören zu den Regionen Österreichs, die am stärksten von Covid-19 betroffen sind. Die Erkrankung hat bei Patienten mit mehreren Grunderkrankungen, hohem Alter und schwacher körperlicher Kondition eine sehr hohe Sterblichkeit. Die Anzahl der Patienten mit einem schweren Verlauf hat zuletzt stark zugenommen. Wir behandeln (Stand Mittwoch) auf den vier Pandemiestationen 56 Covid-19-Patienten, dazu kommen noch sechs auf der Intensivstation, Tendenz steigend. Anfang der Woche haben wir die vierte Pandemiestation in Betrieb genommen, damit können wir weitere 40 Patienten versorgen. Derzeit können wir alles noch gut bewältigen, aber ich befürchte, dass in ein, zwei Wochen noch mehr Patienten auf uns zukommen werden.

Rechnen Sie mit einer weiteren Verschärfung in den kommenden Tagen?

Winter: Schätzungen abzugeben, wäre unseriös, aber wir hoffen, dass wir mit den zusätzlichen 40 Betten auskommen. Es hängt vieles davon ab, wie die Maßnahmen des Lockdowns greifen.
Hohenauer: Wir könnten im absoluten Notfall noch weitere Intensivbetten zur Verfügung stellen, außerdem stehen wir mit den anderen Krankenhäusern in OÖ in intensivem Austausch. Sollten die Kapazitäten knapp werden, was nicht auszuschließen ist, könnte man Patienten auch in andere Spitäler transferieren.

Haben Sie im Sommer damit gerechnet, dass sich die Entwicklung so zuspitzen könnte?

Hohenauer: Damit, dass eine zweite Welle kommen wird, war zu rechnen. Die Intensität ist für mich aber schon sehr überraschend, zumal der Bezirk Ried im Frühling relativ glimpflich davongekommen ist.
Winter: Mit ein Grund ist ein offensichtlich leichtfertiger Umgang in der Bevölkerung. Dass derzeit vor allem ländliche Regionen massiv betroffen sind, hat sicher auch mit dem Lebensstil und den (gesellschaftlichen) Gewohnheiten der Menschen zu tun. Aufgrund der eher niedrigen Zahlen im Frühling dürfte die Lage unterschätzt worden sein.

Wie weit ist man im Rieder Spital von einer Triage, also dass man im Notfall entscheiden müsste, welcher Patient ein Intensivbett erhält, entfernt?

Hohenauer: Ausschließen kann man es nicht, wir gehen aber davon aus, dass uns dieses Szenario hoffentlich erspart bleibt.
Winter: Sehr wichtig ist zu betonen, dass andere Krankheiten ernst genommen werden. Mein Appell: Bei Beschwerden, die auf eine akute Krankheit hinweisen, unbedingt ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen, diese ist gewährleistet.

Man kennt Bilder aus Spanien oder Italien mit hoffnungslos überfüllten Spitälern und Pflegepersonal und Ärzten, die bis zur absoluten Erschöpfung arbeiten. Ist so etwas vorstellbar?

Winter: Aus meiner Sicht nicht. Man kann unser Gesundheitssystem in Österreich nicht mit jenem in Spanien oder Italien vergleichen. Dort war man nicht vorbereitet auf eine derartige Welle. In Österreich wurde der Sommer genutzt, um Vorbereitungen zu treffen. Es wird kein zweites Bergamo bei uns geben.

Wie groß ist die Belastung für das Personal auf der Pandemiestation?

Winter: Die körperliche Belastung des Personals ist sehr hoch, bedingt durch die enganliegenden Masken und die Schutzkleidung. Im Vordergrund steht aber die psychische Belastung, da der soziale Kontakt mit den Patienten sowie Kollegen durch die unbedingt nötigen Schutzmaßnahmen stark eingeschränkt ist. Durch ausreichend Schutzmaterial können wir die Gesundheit unserer Mitarbeiter so gut wie möglich schützen.
Hohenauer: Man muss generell sagen: Das gesamte Personal des Krankenhauses leistet großartige Arbeit unter den erschwerten Bedingungen. Alle ziehen an einem Strang, manche Mitarbeiter werden für ihre Mithilfe auf anderen Stationen eingeschult, Klagen hört man keine.

Was können Sie den Corona-Leugnern und Maskenverweigerern, von denen es im Innviertel nicht wenige gibt, sagen?

Winter: Das ist eine gute Frage, die schwer zu beantworten ist. Mit Argumenten dringt man kaum durch. Ich kann immer nur wiederholen, dass die Lage sehr angespannt ist. Ich appelliere an alle, die Masken konsequent zu tragen, die sozialen Kontakte auf das unbedingt Notwendigste zu reduzieren und auf die Hygienemaßnahmen zu achten.
Hohenauer: Viele glauben leider nach wie vor, sich an nichts halten zu müssen. Anders werden wir diese Pandemie aber nicht in den Griff bekommen, jeder ist gefordert. Mitarbeiter auf der Intensivstation tragen die Schutzausrüstung bis zu sechs Stunden. Das ist eine große Belastung. Daher sollte es für jeden möglich sein, im Supermarkt für 20 Minuten eine Maske zu tragen. Das ist nicht zu viel verlangt. Für Corona-Leugner habe ich absolut kein Verständnis.

Es wird intensiv an Impfstoffen geforscht. Was ist Ihre Botschaft an Impfskeptiker?

Winter: Ich beobachte die aktuellen Fortschritte sehr interessiert. Ein Impfstoff mit einer Wirkung von 90 Prozent, der möglicherweise vor dem Durchbruch steht, könnte die Situation massiv verändern. Wenn es möglich wird, Risikogruppen, Mitarbeiter von Pflegeheimen sowie medizinisches Personal und Pflegepersonal mit einem effektiven Impfstoff zu impfen, dann wäre das ein echter Durchbruch. Aus der aktuellen Misere wird man nur so herauskommen. Gibt es keine Impfung, bleibt es problematisch.
Hohenauer: Impfskeptikern muss man entgegenhalten, dass es ohne Impfung weitere Lockdowns geben wird. Wenn man mit einer einfachen, gefahrlosen Impfung eine Covid-19-Krankheit verhindern kann, ist es verantwortungslos, das nicht zu tun.

Es gab Mitte September eine Pressekonferenz mit Vertretern der oberösterreichischen Ärztekammer, wo gesagt wurde, es gebe keine zweite Welle, sondern einen Test-Tsunami. Wenn man sich die prekäre Situation in OÖ ansieht, wie förderlich waren diese Aussagen?

Hohenauer: Förderlich war das mit Sicherheit nicht, denn damit hat man der Bevölkerung ein falsches Bild von Sicherheit vermittelt. Es hat sich dabei offenbar um eine krasse Fehleinschätzung gehandelt.

Arzt bei akuten Erkrankungen sofort aufsuchen
Ein Intensivbett im Rieder Krankenhaus

Arzt bei akuten Erkrankungen sofort aufsuchen

Ried. Obwohl sich derzeit öffentlich fast alles rund um die Corona-Situation dreht, appellieren Thomas Winter und Peter Hohenauer, vom Krankenhaus Ried an alle, bei akuten Erkrankungen unbedingt das Spital aufzusuchen. „Es braucht niemand Angst zu haben, sich im Krankenhaus mit Corona anzustecken. Unsere Hygienemaßnahmen sind auf dem allerhöchsten Standard, die Corona-Pandemiestationen sind von den anderen Abteilungen isoliert“, sagt Winter, Leiter der Pandemiestation.

Es sei sehr wichtig, andere Krankheiten nicht zu übersehen. „Bei Beschwerden, die auf eine akute Krankheit hinweisen, bitte unbedingt, wie bisher, ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen“, unterstreicht Winter. Die Versorgung von akuten Erkrankungen sei im Rieder Krankenhaus weiterhin in hoher Qualität gewährleistet, betont Winter.

Milde Verläufe bei Kindern

Auf die Frage, ob aus seiner Sicht eine Schließung aller Schulen sinnvoll wäre, antwortet Winter im OÖN-Gespräch: „Die aktuellen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie in Österreich sind aus meiner Sicht angemessen und zielgerecht. Kinder und Jugendliche haben üblicherweise sehr milde Krankheitsverläufe, sind also selbst kaum gefährdet und sind nicht ansteckender als Erwachsene. Daher gibt es keinen Grund, Kinder und Jugendliche sozial zu isolieren. Als Vater von zwei Kindern weiß ich, wie wichtig Kindergarten und Schule für die soziale und intellektuelle Entwicklung sind.“

Ob weitere Verschärfungen geplant sind, wird man möglicherweise am morgigen Freitag bei einer Pressekonferenz der Regierung erfahren.

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Autor
Thomas Streif
Redaktion Innviertel
Thomas Streif

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