"Psychiatrie hat sich innerhalb kurzer Zeit im Innviertel steil entwickelt"
SCHÄRDING, BRAUNAU. Primar Gert Bürger über Ausbau des Angebots in Schärding und Braunau: 60 vollstationäre sowie 15 tagesklinische Plätze für Patienten mit psychischer Erkrankung geschaffen.
Der Leiter der Tagesklinik für psychische Gesundheit am Landeskrankenhaus Schärding sowie der Klinik für psychische Gesundheit am Krankenhaus St. Josef Braunau, Gert Bürger spricht im Interview über die "sehr steile Entwicklung" des Angebots für Menschen mit psychischen Erkrankungen innerhalb sehr kurzer Zeit im Innviertel und ob eine Erweiterung der Psychiatischen Tagesklinik in Schärding geplant ist.
OÖN: Laut Statistik leidet jeder vierte Mensch im Laufe seines Lebens mindestens einmal an einer schweren psychischen Erkrankung. Ist die Tendenz Ihrer Erfahrung nach steigend oder in den letzten Jahren gleich hoch?
Bürger: Was tatsächlich zunimmt, sind Überlastungssyndrome, Burnout-Prozesse mit begleitend psychiatrischen Problematiken wie Depression, Angststörungen. Grund sind immer komplexer werdende gesellschaftliche Rahmenbedingungen oder der zunehmende Druck am Arbeitsplatz.
Was ist der Vorteil der Psychiatrischen Tagesklinik gegenüber einem stationären Aufenthalt?
Die Frage ist, was besser ist, die Tagesklinik oder die vollstationäre Behandlung. Alles hat seinen Platz. Die vollstationäre Behandlung bedingt einen geschützten Rahmen, in dem bei Schwerstkranken eine Behandlung möglich ist. In der tagesklinischen Behandlung ist der Patient, wenn es ihm bereits etwas besser geht und Dinge, die tagsüber besprochen und erarbeitet werden, abends im häuslichen Umfeld gleich eingeübt werden können. Der Patient verbleibt in seinem Umfeld, dadurch sind Veränderungen dort möglich.
Durchschnittlich verbringen Patienten in der Tagesklinik sechs Wochen. Hört sich für Laien kurz an?
Die Aufenthaltsdauer in der Tagesklinik ist individuell recht unterschiedlich und an den Bedürfnissen und Krankheitsbildern der Patienten orientiert.
Was sind Ihrer Meinung nach ausschlaggebende Faktoren für den Erfolg der Tagesklinik?
Es geht um die richtige Indikation zur tagesklinischen Behandlung, das heißt, abzuklären, ob im Vorfeld erhebliche Suizidalität vorliegt, sodass eventuell eine vollstationäre Behandlung notwendig ist oder ob sonstige Akutsituationen vorliegen, die eine tagesklinische Behandlung ausschließen. Wenn diese Einschränkungen nicht gegeben sind, ist von einer erfolgreichen tagesklinischen Behandlung auszugehen.
Die Nachfrage ist groß. Ist eine Erweiterung am LKH Schärding bzw. ein zweiter Standort geplant bzw. aus Ihrer Sicht notwendig?
Es ist keine Erweiterung bzw. auch kein zweiter Standort geplant. Durch die Regionalisierung der Psychiatrie wurde 2004 der Versorgungsauftrag für das Innviertel an die Franziskanerinnen von Vöcklabruck vergeben. Zunächst war die Abteilung am Krankenhaus Braunau entstanden; von einem Ambulanzzimmer ausgehend wurden dort seitdem 60 vollstationäre Plätze, 15 tagesklinische Plätze und eine große Ambulanz mit verschiedenen Spezifitäten aufgebaut. Es wurde eine Substitutionsambulanz am Krankenhaus St. Josef Braunau errichtet, ein spezielles Projekt für Menschen mit selbstverletzendem Verhalten und ein ambulantes Psychose-Modul. Seit 2013 gibt es nun die Tagesklinik in Schärding. Diese ist eine Kooperation zwischen dem Krankenhaus St. Josef Braunau und dem Krankenhaus in Schärding. Wie man sieht, hat sich in diesem Fachgebiet in den vergangenen Jahren innerhalb einer sehr kurzen Zeit viel zum Positiven weiterentwickelt. Durch die Errichtung der Tagesklinik in Schärding wurde eine wichtige Versorgungslücke geschlossen.
Vielseitiges Therapieangebot von Montag bis Freitag
Vor fünf Jahren reagierten das LKH Schärding gemeinsam mit dem Krankenhaus St. Josef in Braunau auf die stetig steigende Anzahl von Menschen mit einer schweren psychischen Erkrankung mit der Etablierung der Tagesklinik für psychische Gesundheit. Seither haben Betroffene die Möglichkeit, wohnortnah, im vertrauten Umfeld behandelt zu werden.
Tagesklinische Behandlung bedeutet, Patienten kommen tagsüber ins Spital und kehren nachmittags nach Hause zurück. Somit können in der Therapie erreichte Verhaltensänderungen direkt im Alltag umgesetzt werden. Die Notwendigkeit dezentraler Angebote in der Psychiatrie ist unbestritten: Seit der Eröffnung im Jänner 2013 wurden rund 770 Patienten im Alter von 18 bis 78 Jahren behandelt. Die Zuweisungen erfolgen durch psychiatrische Fachärzte, Hausärzte, Psychotherapeuten oder durch die Empfehlung der Arbeitsassistenz.
„Schnuppertag“ möglich
Seit etwa eineinhalb Jahren haben die Patienten zudem die Möglichkeit, einen „Schnuppertag“ zu absolvieren, um so das tagesklinische Setting kennen zu lernen. Aufgrund der guten Organisation gibt es keine langen Wartezeiten.
Gestartet wurde vor fünf Jahren mit zwölf Behandlungsplätzen, aufgrund der großen Nachfrage wurden es rasch 15. Ein multiprofessionelles Team betreut die Patienten und bietet ein breitgefächertes therapeutisches Angebot.
Das Leistungsspektrum wurde seit der Eröffnung stetig erweitert: So wurden etwa ein Therapieweg sowie Hochbeete angelegt. Dieser sogenannte ‘Genussgarten’ erfüllt therapeutische Zwecke. 2015 kam Musiktherapie hinzu und seit 2017 erhalten die Patienten von einer Diätologin Informationen im Gruppen- und Einzelgespräch über gesunde Ernährung. Zudem werden seit dem Vorjahr sogenannte Skillstrainings in der Gruppe und am PC angeboten.
Grundvoraussetzung zur Aufnahme sind Gruppen- und Absprachefähigkeit. Ausschlusskriterien sind akute Suizidalität und Suchterkrankungen. Die Behandlung in der Tagesklinik erfolgt montags bis donnerstags, von 8 bis 16 Uhr und freitags, von 8 bis 14 Uhr.
Gewalt: Die Handzeichen, Signale und Codes, die jede Frau kennen sollte
"Jene, die offenbar versucht haben, uns zu schaden, sind gescheitert"
23-jähriger Alkolenker in Weng im Innkreis in parkende Autos gekracht
Doppelspitze ab Juni in der Geschäftsführung der SV Ried
Interessieren Sie sich für diesen Ort?
Fügen Sie Orte zu Ihrer Merkliste hinzu und bleiben Sie auf dem Laufenden.