Nicht von hier, aber sie sind gar nicht so fremd

Von Astrid Aichinger   09.März 2019

"Ich liebe Weihnachten, aber ich feiere es nicht" sagt Selma Kocak. Sie ist eine der fünf multikulturellen BotschafterInnen, die bei der Podiumsgesprächsrunde "Durchs Reden kommen die Leute zamm" der Caritas, Reki und der Stadtgemeinde Ried aus ihrem Leben in Österreich erzählen.

Die 34-jährige gebürtige Vorarlbergerin mit türkischer Herkunft lebt seit 1994 in Ried und trägt wie selbstverständlich ein Kopftuch zu ihrem Dirndl. Obwohl sie akzentfrei Deutsch spricht, passiert es ihr immer wieder, dass Menschen sich über sie unterhalten, weil sie denken, sie würde sie nicht verstehen. Und das obwohl ihr die österreichische Lebensart mittlerweile näher ist als die türkische: "Mich macht das zum Beispiel fertig, dass in der Türkei die Geschäfte erst um elf aufsperren" lacht sie über alltägliche Unterschiede.

Vorurteile haben sich geändert

"Die Vorurteile haben sich im Laufe der Zeit geändert", erzählt Mirela Krajinovic, die 1992 vor dem Bosnienkrieg nach Österreich floh. "Uns Bosniern sagt man nach, dass wir uns gut in Österreich integriert haben." Aber auch sie kann von Anfangsschwierigkeiten berichten, die sie immer noch versucht mit Humor zu nehmen und darüber zu lachen. Kultur und Religion sieht die Muslima als zwei verschiedene Dinge, so isst sie zwar kein Schweinefleisch, trinkt aber Alkohol. Jedes Jahr am 23. Dezember sind sie und ihre Familie bei den Nachbarn zum Glühweintrinken eingeladen.

Sprache als Basis

Einigkeit herrscht unter den Botschafterinnen und Botschaftern, dass das möglichst rasche Erlernen der Sprache eine grundlegende Basis für ein gelungenes Miteinander bildet. So sieht es auch Rashid Esmail aus Aleppo in Syrien: "Österreich ist eine Burg. Für diese Burg gibt es eine Tür, und der Schlüssel für diese Tür ist die Sprache." Er ist seit drei Jahren in Österreich und hat Deutsch selbstständig mittels YouTube-Videos erlernt. Von den Arbeitskollegen in seiner Firma – er lernt mittlerweile Zerspanungstechniker bei der Firma Kowe in Geinberg – fühlt er sich gut unterstützt und akzeptiert: "Alle sprechen mit mir Hochdeutsch, das hilft mir sehr."

Hochdeutsch spricht auch der zweite Mann am Podium. Heiko Schirmer bezeichnet sich selbst als Wirtschaftsflüchtling und auch für ihn ist die Sprache manchmal ein Problem. Der Deutsche lacht: "Ich muss nur einmal den Mund aufmachen, dann wissen eh schon alle was los ist." Ein gebürtiger Deutscher aus dem Publikum weiß zu berichten: "Ich werde oft gefragt wie etwas ‚bei uns’ ist, dabei lebe ich nun bereits schon seit 50 Jahren in Österreich." Sprache sorgt manchmal nicht nur für Verstehen, sondern auch für Fehleinschätzungen.

Aber nicht nur die Sprache kann ein Grund für Missverständnisse sein. Gladys Mühlböck, gebürtige Kenianerin und seit neun Jahren in Österreich, erzählt davon, dass in Afrika eine Verabredung "um neun Uhr" irgendwann zwischen neun und 15 Uhr stattfindet. Oder eben auch nicht. Sie empfand es anfangs als sehr stressig, immer pünktlich sein zu müssen. Mittlerweile ist die gelernte Köchin selbständig und betreibt am Rieder Roßmarkt ihr Geschäft "Gladys african dishes and catering" und hat sich an die beschleunigte Lebensweise in Europa gewöhnt. Noch einen Unterschied hat sie zu ihrem alten Heimatland festgestellt: Die Leute auf der Straße lachen leider nicht oft zurück.

Moderiert wurde der Abend von Sami Opak, dessen eigenes Asylverfahren zehn Jahre dauerte und der jetzt als interkultureller Coach arbeitet. Mit der Veranstaltung und den erfreulichen Besucherzahlen zeigt sich Berta Burghuber für die Organisatoren sehr zufrieden, eine Folgeveranstaltung ist beabsichtigt.

 

"Miteinander entsteht beim gemeinsamen Tun: Kochen, Essen, einander Treffen, Reden." - Mirela Krajinovic, Bosnien

"Es ist nicht einfach sich in einem neuen Land einzufügen, man braucht Zeit, um sich an Traditionen zu gewöhnen." - Rashid Esmail, Syrien

"Ein gutes Miteinander entsteht für mich durch ganz viel Empathie, und basiert nicht alleine auf Sprache." - Selma Kocak, Türkei

"Man hört immer nur Negatives, und alle werden in einen Topf geworfen. Dagegen wollten wir mit dieser Veranstaltung etwas unternehmen." - Berta Burghuber, Regional Caritas