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"Kirche muss den Mut finden, Sexualität positiv zu bewerten"

Von Elisabeth Ertl, Josef Schuldenzucker   13.Februar 2020

Florian Baumgartner ist 39 Jahre alt, der Sohn einer Religionslehrerin, seit September 2019 Pastoralassistent in Brunnenthal, mag an seiner Arbeit vor allem die Arbeit mit Jugendlichen, lebt in Suben, hat in Braunau die HTL gemacht und ist schwul. Obwohl die sexuelle Orientierung nur eine Facette seiner Persönlichkeit ist, wird sie immer wieder thematisiert – auch beruflich. Eine Tatsache, die der sympathische Innviertler längst akzeptiert hat. Mehr noch, er kämpft seit Jahren für die Gleichberechtigung von Homosexuellen in der Kirche. Ein Einsatz, der ihn fordert, den Aufwand aber wert sei. Wie es dazu kam, warum Kirche und Homosexualität zusammenpassen, Kirche und Lebensrealität aber oft nicht, erklärt Florian Baumgartner im Interview.

 

Waren Sie schon immer gläubig?

Ja, seit ich denken kann. Als Kind habe ich das von daheim mitbekommen. Im Laufe der Jahre habe ich dann meinen ganz eigenen Zugang zum Glauben gefunden.

Wann entstand bei Ihnen der Wunsch, Ihren Glauben zum Beruf zu machen?

Etwa mit 17. Damals war mir schon klar, dass ich unbedingt mit Menschen arbeiten möchte. Deshalb habe ich quasi mein Hobby zum Beruf gemacht, der für mich mehr Berufung als Arbeit ist. Ich bin sehr glücklich, dass ich diesen Weg gegangen bin.

Hat Ihnen Ihre sexuelle Orientierung diesen Weg erschwert?

Es war nicht immer einfach, aber in Oberösterreich leben wir, was das betrifft, im gelobten Land. In vielen anderen Diözesen wäre es wesentlich schwieriger, als offen schwuler Mann in der Kirche zu arbeiten. Ich versuche, sehr offen mit dem Thema umzugehen, obwohl meine sexuelle Orientierung eigentlich reine Privatsache ist. Trotzdem ist es mir wichtig, meine Kirche ein Stück weit zu verändern. Das ist der Grund, warum ich mich so für die Gleichstellung aller Menschen in der Kirche engagiere.

Diese Frage haben Sie wahrscheinlich schon oft gehört, ich muss Sie trotzdem stellen: Warum arbeiten Sie für eine Institution, die Sie eigentlich ablehnt?

Mit dieser Frage werde ich tatsächlich oft konfrontiert. Auch innerhalb der Community. Die Antwort darauf ist simpel. Ich kann für mich nur in der Kirche etwas verändern. Von außerhalb hätte ich so gut wie gar keinen Einfluss.

Kostet dieses Engagement nicht unheimlich viel Kraft?

Das schon, aber wenn man die Entwicklung in und außerhalb der Kirche betrachtet, lohnt es sich. Vor allem bei den Leuten tut sich was. Die Wahrnehmung und Akzeptanz von Homosexuellen hat sich in den letzten 15 Jahren stark verändert.

Zum Besseren?

Definitiv. Der Großteil geht mit diesem Thema inzwischen recht locker und selbstverständlich um. Trotzdem gibt es ein paar Ewiggestrige, die noch immer glauben, Homosexualität sei heilbar. Das sind in der Regel auch die, die Sex vor der Ehe verteufeln oder keine Frauen in der Kirche haben wollen. Das alles hat nichts mehr mit unserer Lebensrealität zu tun.

Und dennoch ist es die Lehrmeinung der Kirche.

Es ist ein langer und langsamer Prozess, aber eines steht fest: Bestimmte Dinge müssen sich ändern – und dafür setzen wir uns ein. Die Kirche sollte den Mut finden, Sexualität, ganz gleich ob homo- oder heterosexuell, positiver zu bewerten. Wenn das nicht passiert, stimmen Kirche und Lebensrealität der Menschen nicht überein. Bleibt diese Divergenz wird die Kirche noch mehr an Bedeutung für die Gesellschaft verlieren.

Welche Rolle spielt bei diesem Prozess der DAHOP, der Diözesane Arbeitskreis für Homosexuellenpastoral?

Eine wichtige. Den DAHOP gibt es seit fast 30 Jahren. Es ist ein Zusammenschluss von Seelsorgern, Fachleuten, interessierten und engagierten Menschen, die sich gemeinsam für die Gleichberechtigung von Menschen jeglicher sexueller Orientierung einsetzen. Wir beraten und begleiten gleichgeschlechtlich liebende Menschen und ihre Angehörigen. Außerdem sehen wir uns als Interessensvertretung sowie Anlauf- und Schnittstelle. Darüber hinaus organisieren wir regelmäßige Queer-Gottesdienste, Bildungs- und Begegnungstage (nähere Informationen am Textende, Anm. der Red.) und Gesprächsabende.

Wer kommt zu diesen Gesprächsabenden?

Das ist ein ganz bunter Mix. Angefangen vom älteren Herren, der erst spät gemerkt hat, dass er homosexuell ist, bis zur Mutter, deren Sohn sich geoutet hat und die sich informieren möchte.

Was raten Sie beispielsweise diesen Müttern?

Für Eltern ist es am wichtigsten, dass sie selbstbewusst zu ihren Kindern stehen. Ganz egal, was andere dazu sagen. Man würde sich bei der Wahl seiner Hausfarbe ja auch nicht von den Nachbarn dreinreden lassen.

Wie weit entfernt sind wir in Österreich noch von einem selbstverständlichen Umgang mit dem Thema Homosexualität?

In der Anführungszeichen ‘normalen Bevölkerung’ gibt es bereits eine große Offenheit und Akzeptanz, aber es gibt natürlich Gruppen, die sich damit schwer tun. Aber selbst in der Leitung der römisch-katholischen Kirche gibt es hier Veränderungen und Aufbrüche. Darum werden die nächsten Jahre sicher spannend werden. Man hört zwar häufig, dass dieses und jenes immer schon so war, aber das stimmt nicht. Ein Beispiel ist der Zölibat, der erst vor zirka 1000 Jahren eingeführt wurde. Nichts bleibt genauso wie es ist und das stimmt mich positiv.

Was wünschen Sie sich? Persönlich und für die Kirche?

Zum einen wünsche ich mir mehr Sensibilität – auch was die Sprache betrifft. Es werden immer wieder flapsige Bemerkungen gemacht, die Betroffene sehr verletzen können. Zum anderen würde ich mir wünschen, dass es den DAHOP irgendwann nicht mehr braucht. Dass unsere sexuelle Orientierung keinerlei Rolle mehr spielt, sondern nur mehr unsere fachliche und menschliche Kompetenz zählt. Um das zu erreichen, müssen wir sichtbar sein. Darum sind auch Paraden wie der Christopher Street Day, der in Wien Regenbogenparade genannt wird, so wichtig. Dieses Sichtbarsein ist mit ein Grund, warum ich so offensiv mit meiner Homosexualität umgehe. Damit will ich ein Zeichen setzen. Die vielen positiven Rückmeldungen oder Aussagen wie ‘Cool, dass du so offen darüber sprichst’ freuen mich deshalb sehr. Noch cooler wäre es allerdings, wenn es gar nicht nötig wäre.

 

Bildungs- und Begegnungstag: "Und Gott sah, dass es gut war!" am Freitag, 20. März, 15 bis 21 Uhr im Bildungshaus Schloss Puchberg. Die Frohe Botschaft, deren Kern die Liebe ist, unterscheidet Menschen nicht nach ihrer sexuellen Orientierung. "Ihr seid geliebte Kinder Gottes!" und "Es ist gut, wie du bist!" – auch und gerade eine Botschaft der katholischen Kirche. Mit dieser Aussage und der Haltung dahinter wird sich der DAHOP beim Bildungs- und Begegnungstag am 20. März beschäftigen.

Eingeladen sind Menschen jeglicher sexueller Orientierung, Haupt- und Ehrenamtliche in der Seelsorge, Lehrer- Innen und BeraterInnen. Auf dem Programm stehen ein Impulsreferat, eine Plenumsdiskussion, Gruppenarbeit, eine Liturgiefeier und anregende Gespräche. Referent: Dipl.-Theol. Michael Brinkschröder; Kursbeitrag: 40 Euro. Weitere Informationen und Anmeldung online: www.schlosspuchberg.at.

 

Wie sich die Kirche mit dem Thema befasst

"Es ist mir ein Anliegen, dass Menschen in ihrem So-Sein wahrgenommen und nicht nur respektiert, sondern akzeptiert werden", sagt Franz Harant, Leiter der Regenbogenpastoral Österreichs. In seiner Tätigkeit als Ehe-, Familien-, Lebensberater und als Priester hat er in 30 Jahren auch Homosexuelle begleitet. Die Kirche habe "eine respektvolle Begleitung zu gewährleisten, damit diejenigen, welche die homosexuelle Tendenz zeigen, die notwendigen Hilfen bekommen können, um den Willen Gottes in ihrem Leben zu begreifen und ganz zu erfüllen", schreibt Papst Franziskus in seinem Apostolischen Schreiben "Amoris Laetitia".

Im Katechismus der Katholischen Kirche findet sich Widersprüchliches: Einerseits, dass Homosexuellen mit Achtung, Mitgefühl und Takt zu begegnen sei, sie nicht ungerecht zurückgesetzt werden sollen. Andererseits aber auch, dass die homosexuellen Handlungen gegen das natürliche Gesetz verstoßen, "denn die Weitergabe des Lebens bleibt beim Geschlechtsakt ausgeschlossen."

"So manche homosexuelle Frauen und Männer begreifen den Willen Gottes darin, in verlässlicher und treuer Beziehung, in gegenseitiger Fürsorge mit einer Person des gleichen Geschlechts das Leben verbindlich zu leben", weiß Harant. Diesen Menschen sei eine respektvolle Begleitung zu gewährleisten, die im Einzelfall anlässlich der Begründung einer staatlichen Verpartnerung oder Eheschließung auch eine Feier mit Gebet und Segen sein könne. Segnungsfeiern sind auch für geschiedene Wiederverheiratete unter bestimmten Voraussetzungen möglich.

Das Coming-out finde meist im privaten Kreis statt. Im kirchlichen Dienst gebe es wenige öffentlich bekennende homosexuelle Personen, sagt Harant. Und fügt an, dass die Menschen umfassender wahrgenommen werden wollen, nicht nur über ihre sexuelle Orientierung. Diese sei zudem für die Arbeit nicht relevant.

 

Zahlen und Fakten

421 Eingetragene Partnerschaften wurden von 2010 bis 2018 in Oberösterreich begründet, davon sind 213 Männer- und 208 Frauenpaare (für 2019 gibt es noch keine differenzierten Daten). 2018 wurden 8139 Ehen geschlossen und 51 Partnerschaften eingetragen, 2470 Ehen geschieden und acht Partnerschaften aufgelöst.

Die Regenbogenpastoral nimmt LGBTIQA*-Personen, deren Angehörige und Freunde in den Blick (Lesben, Gay, Bi-, Trans-, Intersexuelle, Queere, Asexuelle und Sonstige), die sich an die römisch-katholische Kirche wenden oder deren Angebote in Anspruch nehmen wollen. Der Regenbogen ist seit den 70er Jahren ein international etabliertes schwul-lesbisches Symbol. Ab den 90er Jahren war die Regenbogenpastoral ein informeller Arbeitskreis in Österreich, seit 2017 ist sie eine Plattform des Forums Beziehung, Ehe und Familie der Katholischen Aktion Österreichs, in sieben von neun Diözesen gibt es offizielle Einrichtungen oder vom Bischof beauftragte Personen, in Linz den DAHOP. Leiter der Regenbogenpastoral Österreichs ist Franz Harant.

Fünf bis zehn Prozent der Menschen sind homosexuell. In der Beratungstätigkeit und Seelsorge begleitet Harant rund drei bis fünf Prozent gleichgeschlechtlich orientierte Personen.

 

Bianca Wienroither: Eine starke Frau mit schlagkräftigen Argumenten

Die 35-Jährige aus Aurolzmünster hat früh gemerkt, dass sie lesbisch ist – Ihre Familie hat "ganz cool" darauf regiert – sogar die Großeltern

Bianca Wienroither: Eine starke Frau mit schlagkräftigen Argumenten
Bianca Wienroither

Lange Haare, Kleider, Puppen und all die anderen "typischen" Mädchensachen – damit hat sich Bianca Wienroither schon als Kind schwer getan. Dass sie lesbisch ist, hat sie zum ersten Mal richtig wahrgenommen, als sie in der Hauptschule für ihre Turnlehrerin geschwärmt hat. Trotzdem dauerte es noch Jahre, bis sie mit ihren Eltern darüber gesprochen hat. Vor allem die Reaktion ihres Papas hat ihr Kopfzerbrechen bereitet. Wie sich später herausstellen sollte, hatte sie sich völlig unnötig Sorgen gemacht.

"Meine Eltern haben, schon lange bevor ich mit ihnen darüber gesprochen habe, vermutet, dass ich lesbisch bin. Beide haben total cool reagiert und mir gesagt, dass das für sie überhaupt keinen Unterschied macht. Ich habe wirklich großes Glück mit meiner Familie", sagt die 35-Jährige. Schwieriger sei es gewesen, Oma und Opa "einzuweihen", doch auch die haben es ganz entspannt aufgenommen. "Was wirklich bewundernswert ist. Schließlich ist das noch eine ganz andere Generation", sagt Bianca Wienroither.

Dieser familiäre Rückhalt hat ihr auch durch schwierigere Zeiten geholfen, denn im Laufe der Jahre gab es immer wieder verletzende Kommentare. "Wegen meiner burschikosen Art wurde ich häufiger blöd angesprochen, aber da stehe ich inzwischen drüber. Nichts mehr auf die Meinung fremder Leute zu geben ist ein ständiger Lernprozess, der mich über die Jahre schlagfertiger und selbstbewusster gemacht hat. Wenn mir heute jemand blöd kommt, gibt es von mir die passende Antwort", sagt die Innviertlerin. Das Einzige, was sie für diese Menschen empfindet, ist Mitleid. "Es ist doch traurig, wenn man andere niedermachen muss, nur um sich selbst besser zu fühlen oder seinen eigenen Frust zu bewältigen", sagt die Kraftdreikämpferin aus Aurolzmünster.

Im Großen und Ganzen überwiegen bei ihr ohnehin die positiven Eindrücke. "Da hat sich in den vergangenen Jahren einiges getan. Bei uns am Land wird man zwar trotzdem noch angeschaut, wenn man händchenhaltend herumläuft, das wars aber auch. Davon abgesehen gehen die Leute recht entspannt mit mir und meiner Homosexualität um", sagt Wienroither, der es wesentlich lieber ist, wenn sie direkt angesprochen wird. "Das ist mir kürzlich auf einem Flohmarkt passiert. Die Dame war einfach interessiert und hat nachgefragt, wie es mir damit geht, lesbisch zu sein. Ohne Bewertung, ohne zu beurteilen. Von diesen Leuten dürfte es ruhig mehr geben."

 

"Bei uns sind die Frauen schon seit 24 Jahren den Männern gleichgestellt"

Elisabeth Steinegger ist Vikarin der Altkatholischen Kirche Österreichs – Im Interview spricht sie zum Thema Homosexualität

Elisabeth Steinegger, Vikarin der Altkatholischen Kirche

Im Jahr 2015 wurde Elisabeth Steinegger zur Vikarin der Altkatholischen Kirche Österreich geweiht. Sie leitet das Pfarramt in Ried. Vorher war sie mehrere Jahrzehnte lang Diakonin und Pastoralassistentin in Linz. Für die 67-jährige Vikarin ist das Thema Homosexualität völlig normal.

Frauen als Priesterinnen, sind die Altkatholischen den anderen bereits einen Schritt voraus?

Elisabeth Steinegger: Das kann man auf alle Fälle so sagen. Die Priesterinnenweihe gibt es bei uns bereits seit dem Jahr 1996. Und auch, dass Frauen zu allen Ämtern zugelassen sind, genauso wie die Männer.

Kirche und Homosexualität? Wie passt das zusammen, wie steht die Altkatholische Kirche diesem Thema gegenüber?

Wir behandeln alle Menschen gleich. Egal in welchen Lebensformen sie auch leben oder sich zusammenschließen. Es gibt bei uns überhaupt keine Vorbehalte gegen Wiederverheiratete, Geschiedene oder andere Lebensformen, die die Menschen wählen. Es steht uns einfach nicht zu, das zu beurteilen. Wir sind selber nur Menschen und Christus hat niemanden ausgeschlossen. Ganz im Gegenteil. Er hat sich genau denen zugewandt, die von der Gesellschaft diffamiert bzw. ausgegrenzt wurden. Das ist unser Vorbild, das ist die "alte" Kirche. Wir sind modern, aufgeklärt und liberal.

Gibt es zu diesem Thema einen Austausch mit der römisch-katholischen Kirche?

Nein, in dieser Richtung gibt es überhaupt keinen Austausch. Die Katholische Kirche vermeidet es meist, das Thema anzuschneiden und sich groß damit auseinanderzusetzen.

Gibt es Anlaufstellen? Eventuell für Eltern, die merken, dass ihr Kind homosexuell ist?

In dieser Thematik sind wir immer gesprächsbereit. Wir beraten und geben Hilfestellung. In erster Linie kann man sich an mich als Priesterin und Seelsorgerin wenden. Ich stehe als erste Anlaufstelle zur Verfügung. In der Weihe schwört man ja, dass man den Dienst am Menschen sehr ernst nimmt?

Homosexuelle heiraten, wollen ein Kind adoptieren, lesbische Frauen wollen durch künstliche Befruchtung eine Familie werden. Wie stehen Sie dazu?

Wir engen niemanden ein und beschneiden auch niemanden. Deshalb sind auch diese Formen bei uns nicht verpönt.

Auch die Gesellschaft ist gespalten. Homosexuelle werden oft als krank oder pervers bezeichnet. Ihre Meinung dazu?

So ein Urteil steht niemandem zu. Es gibt Menschen, die mit solchen Anlagen geboren werden. Homosexualität ist auf keinen Fall eine Krankheit. Bei uns werden homosexuelle bzw. lesbische Paare gesegnet. Für uns ist das kein Tabu-Thema.

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29. März 2024