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Im Vollrausch "Sieg Heil" geschrien und Hitlergruß gemacht

Von Thomas Streif   22.Jänner 2022

Es war ein intensiver Donnerstag für einen 29-Jährigen aus Braunau. Der Tschetschene, der seit rund 20 Jahren in Österreich lebt und angibt, staatenlos zu sein, musste sich gleich zwei Mal an einem Tag im Landesgericht Ried verantworten.

Einen weiten Weg in den Schwurgerichtssaal hat er nicht, denn der achtfach vorbestrafte Angeklagte sitzt seit einer Körperverletzung im November in der Justizanstalt Ried in Untersuchungshaft. Staatsanwältin Petra Stranzinger wirft dem Beschuldigten das Verbrechen der Wiederbetätigung im nationalistischen Sinne (§3g, Verbotsgesetz) vor.

Von Anrainern wurde in den frühen Morgenstunden des 22. Augusts wegen Lärmbelästigung gleich zwei Mal die Polizei zu einem Lokal gerufen. Beim zweiten Besuch der Beamten kam es dann zu der Entgleisung des Mannes. Der Beschuldigte habe in unmittelbarer Nähe des Geburtshauses von Adolf Hitler vor mehreren Polizisten die Hand zum Hitlergruß erhoben und wiederholt "Heil Hitler, Sieg Heil und mein Adolf" geschrien, so der Tatvorwurf der Staatsanwältin. Zudem soll der Mann angeben haben, dass Hitler sein Onkel sei.

"Mein Mandant kann sich an den genauen Ablauf nicht mehr erinnern, was wiederum auf seine hochgradige Alkoholisierung zurückzuführen ist. In der Haft hat mein Mandant sein bisheriges Verhalten überdacht und sich aus eigener Initiative um eine Alkohol-beratung bemüht. Am 26. Jänner hat er seinen ersten Beratungstermin", sagt Verteidiger Robert Schertler.

"Ich weiß es nicht"

Der Angeklagte sitzt mit gesenktem Kopf auf dem Anklagesessel, vier Worte wiederholen sich währen der Befragung durch den vorsitzenden Richter Josef Lautner immer wieder: "Ich weiß es nicht."

Er könne sich an die Nacht nicht mehr erinnern. Tagsüber habe man begonnen, den vierten Hochzeitstag im engsten Familienkreis mit Bier, Wein, Schnaps und Wodka zu feiern. "Ich bin kein Nazi und weiß nicht, wie ich auf das gekommen bin. Ich habe in meiner Familie schließlich Türken, Italiener und Deutsche", beteuert er vor dem Geschworenensenat.

Der Richter hält ihm vor: "Am Montag gab es eine Verhandlung im Bezirksgericht, weil Sie einen Mann aus dem Irak verletzt haben. Es geht bei Ihrer Tat eindeutig um die Verherrlichung und Glorifizierung von Hitler. Ich frage mich, wo kommt das her." Die Antwort. "Ich weiß es nicht." Lautner bohrt nach: "Sie werden doch sicher schon einmal gehört haben, dass im Alkohol die Wahrheit steckt. Es gibt ein Sprichwort, in dem es heißt, dass Alkoholisierte und Kinder die Wahrheit sagen." Der 29-Jährige weint und: "Ich bin kein Nazi", gefolgt von einer fünffachen Wiederholung von "ich weiß es nicht."

Immer nur zu sagen, man wisse es nicht, sei aber schon "ein bisserl sehr bequem" fügt die beisitzende Richterin Sonja Hofbauer hinzu.

Lautner konfrontiert den Mann mit seiner kriminellen Vergangenheit. "Herr Richter, ich weiß es nicht, Sie kommen mit alten Geschichten daher, das ist doch Vergangenheit, ich will jetzt nichts mehr aussagen."

"Mein Adolf, Sieg Heil"

Eine Erklärung für die Wiederbetätigung des 29-Jährigen habe er nicht, sagt der Polizist, der die Amtshandlung durchführte. "Zuerst meinte er, dass er noch einen saufen gehe. Plötzlich ist er zurückgekommen und hat geschrien, dass das seine Straße und seine Stadt sei." Der Angeklagte habe "mein Adolf und Sieg Heil" geschrien und sei mit ausgestrecktem Hitlergruß auf ihn zugegangen. Dass die Polizei weder einen Drogen- noch Alkoholtest durchführte, kritisiert Richter Lautner. "Das wäre bei diesem Strafrahmen sehr wichtig gewesen. Das war ein Fehler, aber es kann passieren."

Verteidiger Schertler argumentiert in seinem Schlussplädoyer, dass sein Mandant aufgrund der Alkoholisierung oder Drogenbeeinträchtigung bei der Tat nicht zurechnungsfähig gewesen sei.

"Für mich ist der Zustand einer vollen Berauschung nicht gegeben gewesen. Der Angeklagte wusste sehr wohl noch, was er gemacht hat. Er hat sich über die Polizei geärgert und die Naziparolen von sich gegeben", sagt Staatsanwältin Stranzinger.

Zustand voller Berauschung

Nach längerer Beratung sprechen die Geschworenen den Beschuldigten einstimmig schuldig. Allerdings wegen der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung. Er wird also nicht wegen der Straftat an sich verurteilt, sondern deswegen, weil er sich schuldhaft in einen Rauschzustand versetzt hat. Eine volle Berauschung liegt laut Strafgesetzbuch dann vor, wenn das Bewusstsein des Täters von der Außenwelt hochgradig getrübt ist.

Das Gericht verurteilt den Angeklagten zu zehn Monaten unbedingter Haft. Weder die Staatsanwältin noch der Angeklagte geben eine Erklärung ab, das Urteil ist daher nicht rechtskräftig.

Noch eine Haftstrafe verhängt

Nach einer Mittagspause muss der Beschuldigte dann noch einmal in den Gerichtssaal. Diesmal wirft ihm die Staatsanwaltschaft Körperverletzung, gefährliche Drohung und Sachbeschädigung vor. Am 19. November verletzte er einen Mann mit einem Kopfstoß. Einen anderen bedrohte er mit der Aussage: "Deine Mutter geht ins Grab und deine Kinder werde ich heute töten." Dafür fasste der 29-Jährige noch einmal ein halbes Jahr unbedingte Haft aus. Auch dieses Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

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18. April 2024