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"Ich war der rote Rebell mit schulterlangen Haaren und Vollbart"

Von Marina Mayrböck, 12. März 2020, 18:04 Uhr
"Ich war der rote Rebell mit schulterlangen Haaren und Vollbart"
Hans Steindl Bild: PNP/Kleiner

BURGHAUSEN. Hans Steindl (SPD) ist seit 30 Jahren Bürgermeister der reichen Stadt Burghausen: Am Sonntag finden in Bayern die Kommunalwahlen statt - die Ära Steindl geht damit zu Ende

Sein politischer Ursprung liegt beim "Mehr Demokratie wagen"-Äußerer Willy Brandt. Als der 1969 erster sozialdemokratischer Bundeskanzler wurde, machte Hans Steindl gerade sein Abitur. Er studierte Sport, Geschichte und Politikwissenschaften, demonstrierte gegen Anti-Atomkraft und für mehr soziale Freiheit. Wie aus dem jungen Protestler aus dem linken Lager der Bürgermeister der reichen Wirtschaftsstadt Burghausen wurde, und worüber sich der einstige Rebell heute empört, erzählt der 70-Jährige im Interview.

Braunauer Warte: Herr Steindl, jetzt ist es mir direkt unangenehm vor Ihnen zu sitzen, nach dem "Alleingang" der Österreicher betreffend die Straßensperren auf der B156 und B147. Wie haben Sie diese Entscheidung aufgenommen?

Hans Steindl: Hier wird völlig engstirnig und isoliert gehandelt. Ich sehe immer den gemeinsamen Wirtschaftsraum, weil 50 Kilometer keine Rolle spielen. Wir haben eine Binnenstruktur. Dinge, die hier produziert werden, müssen verladen und zu Flughäfen und Häfen transportiert werden. Sie machen es sich zu leicht, wenn sie sagen, der Schwerverkehr soll auf die Autobahn verlagert werden: Ja, da muss ich aber zuerst zur Autobahnauffahrt kommen! Ich kenne die Situation in Lamprechtshausen und die schwierigere in Mattighofen. Das Verkehrsaufkommen in Lamprechtshausen find ich überhaupt nicht belastend. Das ist normaler Wirtschaftsverkehr.

Planen Sie Gegenmaßnahmen?

Die einzige Ausweichstrecke führt auf der bayrischen Seite über die B12 und im weiteren Verlauf auf der B20 durch das Stadtgebiet Burghausen über Tittmoning und Laufen. Wir müssen mit dem Freistaat Gegenmaßnahmen überlegen. Am 16. März wird die Brücke in Laufen gesperrt, wenn nötig auch die Staatsbrücke in Burghausen. Das Ganze ist ein totaler Rückschritt in der Zusammenarbeit.

Die Lkw-Sperre gilt ab 15. März. An dem Tag finden in Bayern die Kommunalwahlen statt. In Burghausen erstmals nach 30 Jahren ohne Sie als Kandidat. Es wird erzählt, Sie hätten gerne noch einmal kandidiert?

Ich bin 70 Jahre alt. Bei der letzten Wahl war ich 64 Jahre, durfte also noch einmal kandidieren, weil ich unter der 65-Jahr-Grenze war. Ich bin mir nicht sicher, ob ich noch einmal angetreten wäre, wenn es möglich gewesen wäre. Zwei, drei Projekte hätte ich ehrlich gesagt gerne noch weitergeführt, aber es ist gut so. Ich habe einen Nachfolger aufgebaut.

Sie wurden mit 22 Jahren in den Burghauser Stadtrat und in den Kreisrat Altötting gewählt – und galten als der "rote Rebell". Wer war der rebellische Herr Steindl vor 50 Jahren?

Ich bin seit 1970 SPD-Mitglied, das war die Willy Brandt-Ära mit dem Slogan "Mehr Demokratie wagen". Damals wurde die Bundesausbildungsförderung eingeführt, ohne die ich nicht studieren können hätte. Bildungsgerechtigkeit spielte damals bei der SPD-Regierungsübernahme eine große Rolle. Wir haben zu der Zeit in Burghausen das erste bayrische Jugendzentrum initiiert, das es heute noch gibt. Dazu haben wir Begriffe gewählt wie emanzipatorische Jugendarbeit und Selbstbestimmung. Ich war der linke Rebell mit schulterlangem Haar und Vollbart. Man war im linken Lager, ein Protestler, ging auf die Straße – wie Fridays for Future – nur mit anderem Titel und Hintergrund.

Gibt es den Widerständler Steindl heute auch noch?

Ich verfolge natürlich die Bundespolitik und schüttle den Kopf über manche Entscheidungen. Aber ich bin nicht mehr drinnen. Ein Bürgermeisteramt ist mit einem Parteiamt aus meiner Sicht nur sehr holprig zu vergleichen. Da musst du schauen, dass du dein eigenes Haus in Ordnung hältst.

Der Sozialdemokrat in der Wirtschaftsstadt: Gab es hier Reibungspunkte?

Ein Amt prägt natürlich eine Person. Als Bürgermeister in einem Wirtschaftsstandort mit 18.000 Arbeitsplätzen für 18.000 Einwohner lernt man viele Leute aus dem Wirtschaftsbereich kennen. Man lernt mit ihnen zu verhandeln und zu argumentieren. Ich habe mir ein wirtschaftliches Wissen angeeignet, jeden Tag die Wirtschaftszeitung mehrfach gelesen.

Burghausen ist eine der reichsten Städte Deutschlands mit 50 bis 75 Millionen Gewerbesteuer jährlich. Das muss doch wie im Schlaraffenland sein, oder?

Wir haben momentan 50 Millionen Euro Rücklagen auf der Bank. Mit dem Geld wird auch die Kreisumlage bezahlt und wir sind mit 50 Prozent Umlage-Hauptzahler. Aber aufgrund des exorbitanten Steueraufkommens blieb immer noch viel für Sonderleistungen übrig: Hallenbad, Vereine, Kultur, öffentlicher Nahverkehr, beitragsfreie Kindergärten und Krippenplätze... Unsere Spitzen-Gewerbesteuer war einmal 75 Millionen Euro, wir fallen jetzt hinunter auf 30 Millionen.

Die Situation ändert sich gerade, Wacker-Chemie-AG muss sparen und Arbeitsplätze streichen. Welche Auswirkungen hat das für die Stadt Burghausen?

Horrormäßige. Wir würden von den Steuern klar runterfallen, damit bekommt der Landkreis ein Problem. Sozialhilfe, Jugendhilfe: überall müsste massiv gekürzt und manches womöglich geschlossen werden.

Wie könnte dieser Entwicklung entgegengewirkt werden?

Viele Produkte von Wacker werden mittlerweile überall am Weltmarkt hergestellt und das drückt den Preis. Wir haben die höchsten Stromkosten in ganz Europa. Wenn der Strompreis nicht wesentlich günstiger wird, wenn man keine Sondervereinbarung zulässt und keine schnelleren Genehmigungszeiten für Anlagenneubau oder -ausbau erreicht, um Produkte zu entwickeln und zu produzieren, dann werden viele Chancen verspielt. Ob Batteriefabrik, Plastikrecycling oder Wasserstofftechnologie: Wir haben das Know-how hier, aber wir ersaufen im Bürokratismus. Die Ministerialbürokratie hat die Macht übernommen. Grenzwerte und dergleichen werden von Ministerialbeamten festgelegt. Die Politik hat das nur zu verkaufen und macht das noch dazu sehr schlecht. Mit der Überbürokratisierung stehen wir uns selbst im Weg.

Sie haben jahrzehntelange Politik-Erfahrung. Was raten Sie jungen Leuten, die sich politisch einbringen möchten?

Ich habe Politikwissenschaften studiert, der Job im lokalen Bereich ist aber learning by doing. Du musst ein Netzwerk aufbauen und wissen, wer die Entscheidungsträger sind. Musst dir Wissen aneignen und überlegen, wie du deine Idee am besten präsentieren kannst. Du wirst Niederlagen haben, vielfach nicht gehört werden und enttäuscht sein. Aber da musst du durch und lernen, wieder aufzustehen.

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Autorin
Marina Mayrböck
Redaktion Innviertel
Marina Mayrböck
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