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Innviertler lag zwölf Tage auf Intensivstation: "Bitte nehmt das Virus ernst"

Von Thomas Streif   09.Juni 2021

Es begann mit Fieber am 11. April 2021 und endete mit 28 Tagen im Krankenhaus Ried, zwölf davon auf der Intensivstation. Andreas Rathner, 44, aus Neuhofen im Innkreis, hatte Corona. "Ich sehe mich in der Pflicht, darüber zu sprechen", sagt Rathner bei einem Termin mit den OÖN. Auch der Vater von Andreas Rathner musste einige Tage im Spital behandelt werden. Er konnte einen Tag, bevor sein Sohn auf die Intensivstation verlegt wurde, aus dem Krankenhaus entlassen werden. Rathner, Geschäftsführer der Werbeagentur Blausieben, hat fast 15 Kilogramm abgenommen, die Zeiten als "Gelegenheitsraucher" seien vorbei. Jede körperliche Betätigung ist anstrengend, ein Sauerstoffgerät ist für den Fall der Fälle im Auto immer mit dabei.

"Seit einigen Tagen benötige ich keinen zusätzlichen Sauerstoff mehr. Es sind diese Fortschritte, die mir zeigen, dass ich auf dem richtigen Weg bin", sagt Rathner, der sich über diverse Gerüchte ärgert. "Es wird erzählt, dass ich im Rollstuhl herumfahre, Corona-Demonstrationen organisiert habe und ein Luftröhrenschnitt gemacht werden musste. Das ist alles Blödsinn", sagt der Unternehmer und vierfache Familienvater.

Dass er gewisse Maßnahmen der Regierung kritisch hinterfragt habe, stehe außer Zweifel. "Ich hinterfrage gewisse Vorgehensweisen der Regierung, das heißt aber nicht, dass ich ein Corona-Leugner bin, sondern mir meine eigene Meinung bilde. Das Coronavirus habe ich aber immer sehr ernst genommen, ich war regelmäßig testen und habe leider am eigenen Leib zu spüren bekommen, wie gefährlich es ist. Ich hätte aber nie gedacht, dass es mich, obwohl ich ein Risikopatient bin, so erwischen kann. Corona ist gefährlich, nicht nur für ältere Personen, man kann hier nicht oft genug warnen. Nehmt das Virus ernst", sagt Rathner.

"Habe mir immer wieder gesagt, dass ich es schaffen muss"
Auf dem Weg der Besserung: Andreas Rathner und Tochter Katharina arbeiten gemeinsam in der Werbeagentur Blausieben.

"Hatten so Angst um dich"

Jetzt nimmt Tochter Katharina Platz am Tisch, es fällt ihr nicht leicht, über die Tage des Bangens zu sprechen. "Wir hatten schon sehr viel Angst um dich", sagt sie zu ihrem Vater mit Tränen in den Augen. "Als Papa ins Krankenhaus gekommen ist, haben wir gewusst, dass er in guten Händen ist, und gehofft, ihn bald wieder bei uns daheim zu haben. Wenn ich an den Moment denke, als wir erfuhren, dass er auf die Intensivstation verlegt werden muss, kriege ich ein mulmiges Bauchgefühl", sagt die 24-Jährige. Nach einigen Tagen auf der normalen Station geht Rathner, ohne vorher Bescheid zu geben, kurz alleine duschen. "Ich habe dann gedacht, dass ich nicht mehr alleine zurück ins Bett komme, ich hatte Erstickungsängste und erstmals echte Panik. Da wusste ich endgültig, dass es nicht gut um mich steht", sagt Rathner. Er sollte leider Recht behalten, kurze Zeit später wird er, nachdem ein Bett frei wird, auf die Intensivstation verlegt.

"Jetzt geht es ums Überleben"

"Neben mir ist ein Mann, den ich vom Sehen her kannte, gelegen. Er befand sich in künstlichem Tiefschlaf." Der 44-Jährige zeigt auf seinem Handy Fotos, überall an seinem Körper Schläuche, es geht jetzt um das Überleben. "Ich habe mir nur gedacht, das kann doch nicht wirklich der Papa sein", sagt Tochter Katharina.

"Unglaublich, welche und wie viele Dinge einem da durch den Kopf gehen. Und im Grunde hat sich immer alles um die eine Frage gedreht: Werde ich jemals wieder heim zu meiner Frau und den Kindern kommen? Es war mir klar, dass ich an jenem Punkt im Leben angekommen bin, an dem ich nur noch der sprichwörtliche Passagier bin. Ich habe einfach nur gehofft, dass mein Körper mich nicht im Stich lässt", sagt Rathner und fügt hinzu: "Immer wieder habe ich mir selber gesagt, dass ich es schaffen muss und werde, weil ich ein Kämpfer bin."

Nach einigen sehr kritischen Tagen verbessert sich der Zustand von Rathner etwas, nachdem er in ein Einzelzimmer auf der Intensivstation verlegt wird. "Ich habe erstmals Besuch von meiner Familie empfangen dürfen. Da sind bei mir dann alle Dämme gebrochen, ich habe stundenlang geweint, weil ich wusste, dass es eine Zeit nach diesem Spitalsaufenthalt für mich geben wird. Wie eng die ganze Familie in dieser Zeit zusammengerückt ist, war unglaublich und hat mir in dieser so schweren Zeit – auch ohne persönlichen Kontakt – enorm geholfen", sagt Rathner, der das Personal im Rieder Krankenhaus in höchsten Tönen lobt. "Unvorstellbar, was dort geleistet wird und wie mit allen Patienten, auch jenen im künstlichen Tiefschlaf, umgegangen wird. Hier regiert die Menschlichkeit, das hat mich tief bewegt", sagt Rathner.

Nach rund einem Monat darf der Neuhofner das Krankenhaus verlassen. Jetzt kämpft er sich Schritt für Schritt zurück in ein normales Leben.

Auf die Frage, ob sich sein Blick auf das Leben verändert habe, antwortet Rathner: "Ja, und wie. Ich habe gemerkt, wie schnell es gehen kann und welche Dinge im Leben wirklich wichtig sind." Vor einigen Tagen war Rathner erstmals wieder bei "seiner" U13-Fußballmannschaft in Neuhofen, die er betreut, zu Besuch. "Ich bin mit dem Sauerstoffgerät hingegangen und habe zugeschaut. Es war ein unglaublich schönes Gefühl." Im August geht es für Rathner drei Wochen auf Reha nach Bad Gleichenberg. "Ich bin mir sicher, dass ich dort die nächsten großen Schritte nach vorne mache."

Für die "Zeit nach Corona" wünscht sich der Neuhofner, dass die soziale Spaltung wieder zurückgeht. "Ich denke, man sollte die unterschiedlichen Meinungen zum Thema Corona akzeptieren", sagt Rathner, der sich trotz gewisser Bedenken im Herbst impfen lassen will. "Ich habe einen großen Respekt vor den Nebenwirkungen einer Impfung, aber ich will so etwas nie wieder erleben. Das wünsche ich niemandem."

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19. April 2024