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Gravierender Mangel an Pflegekräften in Braunau und Ried

Von Thomas Streif   18.Juli 2019

Händeringend wird in Oberösterreich nach Pflegekräften in der Altenhilfe, vor allem in den Alten- und Pflegeheimen gesucht. Im Innviertel ist die Situation in den Bezirken Braunau und Ried derzeit besonders prekär, in Schärding sieht es (derzeit noch) besser aus. Der allgemeine Fachkräftemangel hat jetzt auch die Pflegeberufe erreicht.

"Beim Sozialhilfeverband Braunau gibt es derzeit mehr als 100 Interessenten auf einer Warteliste. Ungefähr gleich viele Betten stehen derzeit leer, weil es keine Pflegekräfte gibt", sagt Braunaus Bezirkshauptmann Georg Wojak.

Auf die Frage nach den größten Herausforderungen bei der Suche nach geeignetem Personal, antwortet Wojak: "Die Wirtschaft boomt und kann mehr bezahlen als wir. Aber selbst dort wird über den Fachkräftemangel gejammert, da ist also guter Rat teuer. Unsere Geschäftsführerin Karin Altmüller und Abteilungsleiterin Angela Stoffner lassen nichts unversucht, um das Interesse für dieses wunderbare Tätigkeitsfeld zu wecken." Denn man könne sich an gravierenden Pflegepersonalmangel nicht "wie die Kuh an die Fliegen" gewöhnen, so Wojak.

Das Problem ist nicht neu, aber dürfte von den Verantwortlichen über Jahre hinweg schlichtweg unterschätzt worden sein. Zuletzt wurden die Initiativen für die Ausbildung, Stichwort "Junge Pflege", mehr, aber trotzdem dürfte sich der Mangel an gut ausgebildetem Pflegepersonal in den kommenden Jahren weiter zuspitzen.

Angesprochen auf die Lage des Bezirks Braunau in Bezug auf das Pflegepersonal, sagt Wojak: "Trüb." Der Sozialhilfeverband sei auf der dringenden Suche nach Pflegekräften aller Qualifikationsstufen, egal ob Heimhelfer, Fachsozialbetreuer oder diplomiertes Personal. Der Beruf in der Altenpflege leide auch unter dem Image. Da sind sich Wojak und Rieds Bezirkshauptfrau Yvonne Weidenholzer einig. "Es gibt so viele schöne Erlebnisse im Rahmen der Arbeit in der Altenpflege", sagt Weidenholzer. "Unsere Bewohner werden nicht nur gepflegt, sondern auch verwöhnt. Daher gilt mein Dank allen 491 Mitarbeitern des SHV Braunau. Berufe in der Altenpflege sind sehr fordernd, man bekommt aber auch viel Dankbarkeit und Zuneigung zurück", sagt Wojak, der einen Appell an die politischen Verantwortlichen richtet: "Die Politik sollte Antworten zur Finanzierbarkeit der Pflege liefern. Im Sinne einer verantwortungsvollen, enkeltauglichen Politik."

Viele leere Betten

Im Bezirk Ried ist die Situation seit etwa einem Jahr ähnlich prekär wie in Braunau. Vor allem in den Pflegeheimen in der Stadt Ried, wo derzeit 39 von insgesamt 256 Betten aufgrund des Personalmangels nicht besetzt werden können, und Eberschwang (47 von insgesamt 84 Betten sind unbelegt) spitzt sich die Lage immer mehr zu. Laut Auskunft des Sozialhilfeverbandes gebe es derzeit eine Warteliste mit dreizehn "sehr dringlichen Aufnahmen" und 27 "erwünschten Aufnahmen".

"Trotz sehr intensiver Bemühungen kann der Bedarf an Pflegepersonal seit Mitte 2018 nicht mehr gedeckt werden", sagt Weidenholzer auf OÖN-Anfrage.

Auch im Bereich der Ausbildung gebe es Probleme. Trotz finanzieller Unterstützungen während der Ausbildung komme es häufig vor, dass die – bereits herabgesetzte – Mindestteilnehmerzahl für Kurse nicht zustande kommen würde. Leider würden Heime, Krankenhäuser oder auch mobile Dienste in "einem leeren Teich fischen", sagt Rieds Bezirkshauptfrau.

Schärding ist die Ausnahme

Positiv: In Schärding sieht es derzeit, den Umständen entsprechend, noch gut aus. "Derzeit haben wir beim Sozialhilfeverband Schärding ausreichend Personal, auch wenn es im diplomierten Bereich knapp ist", sagt Bezirkshauptmann Rudolf Greiner. Allerdings sei spürbar, dass die Anzahl der Bewerbungen zuletzt deutlich zurückging. Für Greiner "eine Folge der demografischen Entwicklung, die auch die Wirtschaft spürt."

Es gebe derzeit in den Pflegeheimen des Bezirks Schärding keine unbelegten Betten, es bestehe eine Warteliste von zirka 30 pflegebedürftigen Personen, die auf einen Heimplatz warten, so Greiner.

"Die Situation wird sich wahrscheinlich weiter zuspitzen"
Karin Altmüller, Geschäftsführerin Sozialhilfeverband Braunau

„Die Situation wird sich wahrscheinlich weiter zuspitzen“

„Ich bin grundsätzlich immer positiv eingestellt, aber die dringend benötigten Pflegekräfte können wir leider nicht herzauber“, sagt Karin Altmüller, die Geschäftsführerin des Sozialhilfeverbandes (SHV) Braunau im OÖN-Gespräch. Wie auch in Ried und Schärding wird in Braunau bei der Suche nach Personal nichts unversucht gelassen, die Bemühungen sind enorm. Die Mitarbeiter in den Heimen und die Führungskräfte der Sozialhilfeverbände sind immer häufiger mit verzweifelten Angehörigen konfrontiert. Nicht alle haben Verständnis, dass trotz freier Betten aufgrund des Personalmangels eine lange Warteliste besteht. „Die Leute reagieren ganz unterschiedlich. Manche sind so verzweifelt, dass sie uns beschimpfen, andere wiederum nehmen es ruhig und sachlich zur Kenntnis“, sagt Altmüller, die Verständnis für die Angehörigen hat. „Ich kann die Verzweiflung oftmals verstehen, aber es ist auch für unsere Heimleitungen nicht leicht, bei schweren Schicksalen niemanden aufnehmen zu können“, sagt Altmüller und fügt hinzu: „Ich kenne zwei Fälle, bei denen Personen ihre Stunden im Beruf reduzierten, um daheim die Angehörigen zu pflegen.“ Die Situation wird sich in den kommenden zehn Jahren aufgrund einer bevorstehenden Pensionierungswelle von vielen Angestellten des SHV wahrscheinlich weiter zuspitzen, eine Besserung ist nicht in Sicht“, befürchtet Altmüller.

Ausbildungsleiterin zu Schülern in Pflegeberufen: "Ihr seid unsere Zukunft!"
Legen Wert auf Praxisnähe in der Ausblldung: Marlies Demmelbauer (l.) und Brigitte Pointner.

Ausbildungsleiterin zu Schülern in Pflegeberufen: „Ihr seid unsere Zukunft!

Der Mangel an Pflegekräften ist nicht von der Hand zu weisen, doch die Leiterin der Schule für Sozialbetreuungsberufe am BFI Ried, Brigitte Pointner, beteuert: „Der Pflegeberuf ist ein schöner und abwechslungsreicher Beruf, er bietet viele Möglichkeiten, auch für Berufs-Wiedereinsteiger.“ Und allen Absolventen der Ausbildungslehrgänge gibt Brigitte Pointner einen wichtigen Satz mit auf den Weg: „Ihr seid unsere Zukunft!“

Aufgrund der guten Wirtschaftslage sei die Zahl der Bewerber für die Ausbildungslehrgänge rückläufig, sagt die Leiterin der Pflegeassistenzlehrgänge, Marlies Demmelbauer. Dennoch bleibe man der Ausbildungslinie, die Qualität vor Quantität stelle, treu: „Wer sich um einen der 20 Ausbildungsplätze bewirbt, absolviert ein Auswahlverfahren und ein einwöchiges Schnupperpraktikum.“ Dadurch kann die Eignung überprüft werden, und dem Bewerber wird die Möglichkeit geboten, sich ein Bild vom Beruf zu machen. „Praktisch jeder, der die Ausbildung abschließt, bekommt einen Job“, sagen Pointner und Demmelbauer.

Praxisnahe Ausbildung

Zwei Jahre lang dauert die Ausbildung zum Fachsozialbetreuer am BFI Ried, mit einem Wechsel von Theorie und Praxis werde versucht, den Unterricht so realitätsnah wie möglich zu gestalten, sagt Demmelbauer: „Das ermöglicht es, das Gelernte in die Praxis umzusetzen und die Fragen, die in der Praxis auftauchen, in den Theorieteil einzubringen.“ Mit Fallbeispielen werden komplexe Situationen im Unterricht in Lernfeldern bearbeitet. Damit kann die hohe Qualität der Ausbildung erhalten und weiterentwickelt werden. Es werden vorwiegend Lehrbeauftragte eingesetzt, die nach wie vor in der Praxis tätig sind. Freude an der Arbeit mit alten Menschen, Verlässlichkeit, Empathie, Teamfähigkeit, gute Sprachkenntnisse in Deutsch und eine stabile Persönlichkeit sollten die Bewerber mitbringen.

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