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"Die Riada Ratschn war eine Treiberin des Fortschritts"

Von Roman Kloibhofer, 19. September 2020, 00:04 Uhr
"Die Riada Ratschn war eine Treiberin des Fortschritts"
Autor Wolfgang Marschall hat sich für das Buch durch Zeitungsbände aus 20 Jahren gelesen.

Wolfgang Marschall hat 20 Jahre des Innviertler Wochenblattes "Rieder Volkszeitung" analysiert – sie ist ein unterhaltsames und informatives Zeitdokument.

Die Rieder Volkszeitung (mehr dazu unten) war ein besonderes Blatt. Eindeutig war sie die beste Wochenzeitung von allen."

Nicht nur diese Erkenntnis hat Wolfgang Marschall (70), pensionierter Gymnasiallehrer und PR-Berater aus Ried im Innkreis, gezogen, als er sich Ausgaben aus 20 Jahren der 1880 gegründeten Innviertler Wochenzeitung genauer angesehen hat. Sie ist auch ein unvergleichliches Zeitdokument: informativ, erheiternd, verblüffend modern und fortschrittlich.

"Sie war eine echte Treiberin des Fortschritts!", sagt Wolfgang Marschall über die liebevoll "Riada Ratschn" genannte Wochenzeitung. Er hat aus seiner fünf Jahre dauernden Lektüre und Recherche ein Buch über das erfolgreiche Innviertler Wochenblatt, das 2008 in seiner ursprünglichen Form eingestellt wurde, geschrieben. "Eine Luftmatratze muss her!" ist dieser Tage erschienen und liefert ein gleichermaßen witziges wie informatives Zeitdokument über das "Dorfwirtschaftswunder" zwischen 1950 und 1970.

Banal und international

Donnerstag – das war der ersehnte Erscheinungstag der Zeitung, die für katholische und konservative Wertehaltung stand. Dann wurde mit der Volkszeitung ins Haus geliefert, was sich in der Gegend rund um Ried und Schärding ereignet hatte: Von scheinbar banalsten Meldungen über Geschehnisse in den Gemeinden ("Dem Franz Maier wurde eine Uhr gestohlen") bis hin zu internationalen Sensationen: "Atombombe soll Hafenbecken schaffen", wodurch offenbar durch die Volkszeitung ein "kernkraftfreundlicher Boden für das Innviertel aufbereitet" werden sollte.

Dem Frauenbild ist ein Kapitel gewidmet.

Das Lokale war unbestritten die große Stärke der Volkszeitung: "Nur das Lokale war für sie das Zeitungswahre", schreibt Wolfgang Marschall. "Wegen des Katholischen gab man die Rieder Zeitung heraus, wegen des Lokalen las man sie", bilanziert er. "Nichts war zu unbedeutend und zu klein, als dass es nicht gebührend ausgebreitet wurde", so ein Fazit des Volkszeitungs-Analysten, der das Blatt als "Zeitungsechokammer" für ausnahmslos alle Dörfler bezeichnet.

Apropos bezeichnen: Die Synonyme, die Wolfgang Marschall der Rieder Volkszeitung gibt, spiegeln deren Rolle im gesellschaftlichen Wandel dieser Zeit wider – je nachdem, in welchem ideologischen oder gesellschaftlichen Kontext sie sich befand. So ist etwa vom "Rieder Bekehrungsblatt" die Rede, oder von der "gutgläubigen Zeitung", dem "Innviertler ÖVP-Zentralorgan" oder (wenn es um Einflüsse aus den USA ging) von "His Master’s Voice". Er nennt das "Innviertler Presse-Unikat" eine "Zeitung für Leser und nicht für Schauer" (weil damals praktisch keine Fotos im Blatt waren). Doch zuallererst sei sie ein Zeitdokument für das Atmosphärische der 50er- und 60er-Jahre, einer Zeit der subtilen Revolution, die einen Wandel von der patriarchalischen hin zu einer modernen, aufgeschlossenen Gesellschaft gebracht hatte. "Innerhalb von 20 Jahren ist es gelungen, die Gesellschaft total umzudrehen."

Ein sagenhafter Einfluss

Die Rieder Volkszeitung sei "die allerkundigste Zeitzeugin der damaligen Innviertler Geistesgegenwart", glaubt Wolfgang Marschall und sagt: "Sie war die Zeitung, die den Menschen Heimat gegeben hat, und ich behaupte, das Innviertel stünde ohne sie nicht dort, wo es heute steht."

Eines stellt der Autor vorab klar: "Es ist keine wissenschaftliche Arbeit, und ich werte und bewerte nicht. Es muss auch nicht jeder Rückschluss, den ich ziehe, stimmen. Aber ich habe vieles aus dieser Zeit selbst erlebt und ich weiß, welche Rolle die Rieder Volkszeitung gespielt hat. Ihr Einfluss war einfach sagenhaft!"

Die Rieder Volkszeitung, 1880 gegründet und Anfang der 1990er-Jahre in Rieder Rundschau umbenannt, wurde 2008 von den damaligen Eigentümern in ihrer Form als Verkaufs-Wochenzeitung eingestellt. Die OÖNachrichten haben den Innviertlern ihre beliebte Wochenzeitung – unter dem Titel "Rieder Volkszeitung" – erhalten. Seit 2009 erscheint die Volkszeitung sehr erfolgreich wieder als Wochenzeitung der Oberösterreichischen Nachrichten – wie übrigens auch die Braunauer Warte.

3 Fragen an ... Wolfgang Marschall

Der gebürtige Waldzeller – Jahrgang 1950 – hat vieles aus dieser von ihm im Buch beschriebenen Zeit damals zwar miterlebt, aber manches war ihm gar nicht so bewusst...

Die Recherche zum Buch erforderte ein überaus intensives Studium der Rieder Volkszeitung, liebevoll „Riada Ratschn“ genannt. Was ist Ihr Fazit?

Diese Zeitung war vermutlich die beste lokale Wochenzeitung – sie war sehr professionell gemacht. Nicht zuletzt war diese Zeitung auch eine Kaderschule für viele Journalisten. Und – die Rieder Volkszeitung war so etwas wie die Echokammer der Zeit. Ähnlich den sozialen Medien der Gegenwart.

Was macht Ihrer Ansicht nach eine gute Lokalzeitung aus?

Wenn Positives und Wertvolles aus der Region vermittelt und dabei weitgehend auf Reißerisches verzichtet wird. Das Reißerische ist global, es gibt aber viel Wertvolleres. Die Kunst ist es daher, auch über das vermeintlich Unscheinbare, das vermeintlich Nebensächliche, das Persönliche zu berichten. Eine gute Lokalzeitung muss Heimat sein, Konservatives bewahren und dieses mit Modernem verbinden. Guter Lokaljournalismus ist durchaus zeitgemäß.

Was war für Sie die kurioseste Meldung, die Sie beim Stöbern in zwanzig Jahren Volkszeitung entdeckt haben?

Kurioses gibt es viel. Aber dass im Innviertel ein Atomkraftwerk im Gespräch war, das war für mich völlig neu. Übrigens für viele meiner Bekannten auch!

Das Buch & der Autor

„Eine Luftmatratze muss her! Dorfwirtschaftswunder 1950“ – so lautet der Titel des kürzlich im Verlag Anton Pustet erschienenen Buches von Wolfgang Marschall. Darin hat der Rieder Autor (aufgewachsen in Waldzell, Gymnasiallehrer, PR-Berater, freier Journalist) seine Eindrücke aus der Lektüre von 20 Jahrgängen der Innviertler Wochenzeitung „Rieder Volkszeitung“ zusammengestellt und kommentiert die Zeit zwischen 1950 und 1970, die er als „Dorfwirtschaftswunder“ bezeichnet. Neben Originalzitaten sowie Kommentaren des Autors sind auch Inserate aus dieser Zeit abgebildet.

160 Seiten, 24 Euro.

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Autor
Roman Kloibhofer
Redaktion Innviertel
Roman Kloibhofer
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1  Kommentar
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Siebenschlaefer (1.094 Kommentare)
am 19.09.2020 06:01

Wolfi, danke für diese wunderbare Retrospektive. Die Ratschn war wichtig
für uns Innbayern und ich war jeden Donnerstag schon ganz gespannt auf die neue Ausgabe 🤭 Werde mir Buch kaufen!

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