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"A Schaumroin hätt scho nu Platz!"

Von Reinhard Burgstaller   22.April 2021

Bäckerei Zischg in Großweiffendorf an einem Donnerstag. 7.30 Uhr. Kümmel. Anis. Banane. Vanille. Leichte Röstaromen: So ungefähr muss es im Schlaraffenland riechen. Mittendrin weiß gewandete Menschen, die hin- und hereilen, aber genau wissen, was zu tun ist. Der Berer Hans steht auch da. "Pack ma’s", sagt er und lädt mich zum Mitfahren ins "Gäu" in einem bereits prall mit Brot und jeder Menge anderen Genüssen gefüllten Pritschenwagen ein.

Auf dem Weg nach Warmanstadl erklärt mir Berer, der ehemalige Stehachterl- und Weingreißlerei-Betreiber in Ried, warum er mit fast 70 noch umgesattelt hat. Auf Gäufahrer beim Zischg: "Mir ist wichtig, dass ich fit bleibe. Im Hirn und auch sonst." Als er erfahren habe, dass der Zischg-Junior in die Meisterschule gehe und ein Ersatz als "fahrender Bäcker" gesucht werde, "hab ich nicht lange überlegt", sagt der Saigahanser.

"A Schaumroin hätt scho nu Platz!"
Resi Maier in Tiefenthal.

Und hupt, dass mir vor Schreck beinahe der Kugelschreiber aus der Hand fällt. An die Huperei werde ich mich aber noch gewöhnen. Es ist das Zeichen: Der Bäcker ist da! In Arnberg springt der Hans aus dem Auto und begibt sich nach hinten in seinen fahrbaren Verkaufsladen. Einer der ersten Kunden ist Herbert Lettner, von dem Berer sogar weiß, dass er am Vortag Geburtstag hatte: "Alles Gute! Bleib gsund. Des is in diesen Zeiten gar net so einfach!" "Greti, du bist ja so lüfti beinand", begrüßt er kurz darauf Greti Aigner in Großweiffendorf. Worauf diese lacht: Drinn is ja eh woarm." Zu mir sagt sie: "Fotografiern deafst mi aber ned, i bin nu im Pyjama", und zum Hans: "Is da Kaffee eh billig?"

Tüt! Tüt! Die Fanni in Arnberg deutet das Gehupe richtig. Sie eilt mit ihren 89 Lenzen flotten Schrittes herbei und meint, als sie meinen gezückten Fotoapparat sieht: "Da muaß i mi owa maskiern." Sagt’s und kauft "a weng ebbs Siaß fürn Nachmittag". Auf die Frage, ob auch er etwas Süßes möchte, antwortet Georg Berer – der ehemalige Wirt von Arnberg: "Siaß? Na, liaber net", und fährt sich mit der Hand über seine Wölbung in der Leibesmitte. Auch junge Käufer winken schon von Weitem: Elena und Gabriel kaufen schnell ein Gebäck, dann geht’s ab in die Schule.

"A Schaumroin hätt scho nu Platz!"
Elena und Gabriel in Arnberg.

Auf der Fahrt durch mehrere Ortschaften erklärt mir Hans Berer so manche Eigenheiten des Gäu-Fahrens: Bei einem Haus hängt ein Taferl am Gartenzaun, Aufschrift: "Heute kein Brot!" "Dann brauch ich gar nicht hupen und fahr weiter." Dort und da hängen eine Tasche oder ein Korb an der Haustüre. Mit Zetteln und Geld darin. Berer gibt das Gewünschte hinein und das Geld heraus. Weiter geht’s. Tüt! Tüt! Der Hupton ist zwar nicht verkaufsfördernd, aber wirksam. Bei Maria in Warmanstadl lacht ein älterer Herr, ihr Vater, aus dem Fenster. "Fast jedes Mal, wenn ich komm. Dann lach und deut ich zurück", sagt Berer: "Lachen kostet ja nichts!" Tüt! Tüt! Lotte in Warmanstadl wartet bereits. "Was damma denn eini ins Körberl", fragt der noch immer behende vom Lenkrad aufspringende und in seinen Verkaufsladen zurückeilende Fastsiebziger: "A Schaumrolln hätt nu Platz. Oder magst a Prinzenrolle? Da Prinz hat uns ja desnächst verlassn." Erst bei der Weiterfahrt dämmert es mir, was der Hans mit dem "Prinzen"-Hinweis gemeint hat – den Heimgang von Prinz Philip.

"A Schaumroin hätt scho nu Platz!"
„Dass d’ ma net ausrutschst“: Lotte in Warmanstadl trägt Hans Berer das Gekaufte sogar ins Haus.

Wir haben noch viele – Tüt! Tüt! – Einkaufswünsche erfüllt. Zwei müssen aber noch erwähnt werden. Der Hingsamer Sepp kauft regelmäßig "ein Paarl Semmel". Auf meine Frage, wie es denn so gehe, meinte er nur: "Saudrawi!" Das Warum beantwortet er mit ernster Miene: "Mitn Fernsehen!" Und der Sepp in Schlag, der den Bäcker heute warten lässt, "weil i mitn Rasiern net fertig woa." Die 92 kennt diesem gestandenen Mannsbild keiner an. Kein Wunder: "I mag bei da Arbeit mit de Junga scho nu mithaltn", sagt der ehemalige Holzknecht und Landwirt. Wir glauben ihm aufs Wort.

Nach vier Stunden schließt sich der Kreis. Wir stellen den Pritschenwagen beim Zischg in die Garage. Und treffen dort den Senior. Obwohl die Mitte Achtzig schon lange überschritten, hilft er täglich überall mit, wo er gebraucht wird. Nächtens in der Backstube und untertags gerne auch am Küchenofen. Der Senior kocht für die ganze Familie. "Aber nicht nur Schnitzel, auch Kalbs- und Rindsbraten", lacht er.

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29. März 2024