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"Viele, die permanent schimpfen, haben keine Ahnung"

Von Thomas Streif   30.September 2016

Die Gastroszene im Innviertel ist im Umbruch: Vor allem die Schließung vieler Wirtshäuser wird in den sozialen Netzwerken und den immer weniger werdenden Stammtischen heftig diskutiert. "Wir machen mehr Umsatz, aber es bleibt uns immer weniger, motivierend ist das nicht", sagt der Rieder Gastronom Karl Zuser, der den Biergasthof Riedberg führt, im OÖN-Interview.

 

OÖN: Sie sind seit mehr als zwei Jahrzehnten in der Gastronomie tätig. Ganz direkt gefragt: War früher alles besser?

Karl Zuser: Die Themen in der Gastronomie haben sich verändert. In unserem Wirtshaus haben wir das Konzept im Laufe der Jahre immer wieder verändert. Man muss mit der Zeit gehen oder man geht mit der Zeit. Wir haben früher ein gutes Geschäft gemacht und machen es auch heute, aber es ist in einer gewissen Weise sicher nicht motivierend, wenn trotz höheren Umsatzes immer weniger Gewinn bleibt. Ich glaube auch, dass die Wirte vor allem marketingtechnisch gefragt sind. Meine Lage hier am Riedberg ist sicher nicht optimal, daher muss ich für mein Wirtshaus trommeln, damit die Leute kommen.

Welche Umstände sind Ihrer Meinung nach für das viel zitierte "Wirtshaussterben" verantwortlich?

Für diejenigen, die kurz vor der Pensionierung standen, war die Einführung der Registrierkassenpflicht sicher einer der Hauptgründe. Das hat auch überhaupt nichts mit Schwarzgeld zu tun, aber wenn jemand 58 Jahre lang keinen Computer angegriffen hat, überlegt er es sich mehr als einmal, ob er sich das noch antut. Ich kenne Kollegen, die damit schlicht überfordert und verzweifelt waren. Auch die Raucher/Nichtraucherdiskussion hat uns sicher geschadet. Wenn immer wieder gesagt wird, dass es auch in anderen Ländern funktioniert, sollte auch erwähnt werden, dass dort viele Lokale zusperren mussten.

Es gibt aber auch viele Nichtraucherlokale, die bestens funktionieren.

Natürlich, es gibt Lokale, wo das perfekt passt. Aber wenn du in Italien oder Spanien in einer Bar bist, wo das Rauchen verboten ist, kannst du zur fortgeschrittenen Stunde gar nicht so schnell schauen, wie dir der Aschenbecher gereicht wird. Ich finde, der Wirt soll über die Art, wie er sein Lokal führt, selbst entscheiden können.

Viele Gastronomen finden kein passendes Personal. Warum wird das immer schwieriger?

Die erste Frage bei Bewerbungsgesprächen ist mittlerweile nicht mehr, wie viel verdiene ich, sondern, wann muss ich arbeiten, wann habe ich frei. Das hat sich völlig verändert. Der Ansatz in Österreich, dass man, wenn man 25 Stunden arbeitet, verhältnismäßig mehr verdient, passt nicht. Leistung sollte wieder mehr belohnt werden. Außerdem müssen die Unternehmer steuerlich entlastet werden.

Wie hoch sind die bürokratischen Hürden für einen Wirt?

Die sind im Laufe der Jahre immer höher geworden. Auch die Maximalarbeitszeit von zehn Stunden stellt uns vor sehr große Herausforderungen. Dafür sollte eine andere Lösung gefunden werden. Ich hätte kein Problem damit, wenn sich bei einem flexibleren gesetzlichen Arbeitszeitrahmen auch die Erholungszeit dementsprechend erhöhen würde.

Sie kritisieren auf Ihrer Facebookseite auch den Konsumenten. Diesem sei der Preis oft zu hoch und er nörgle.

Man hat das Gefühl, dass immer der Preis das große Thema ist. Frische und regionale Produkte kosten Geld. Die Frage, die sich auch der Konsument stellen muss, ist: Will ich ein Schnitzel um sieben Euro, wo das Fleisch von irgendwo kommt oder eines um zwölf Euro von einer regionalen Landwirtschaft. Wir verarbeiten hier im Biergasthof Riedberg zu 90 Prozent regionale Produkte. Wir versuchen Regionalität durch und durch zu leben. Dieses Thema zu kommunizieren ist aber alles andere als einfach.

Das Image der Wirte ist bei einem Teil der Öffentlichkeit nicht das beste. Wie sehen Sie das?

Viele, die permanent schimpfen und lästern, haben keine Ahnung von der Branche. Diese Stimmung in Teilen der Bevölkerung ist mitverantwortlich dafür, dass die Wirte sich sagen: Warum soll ich mir das noch antun? Ich wage, ohne überheblich klingen zu wollen, zu behaupten, dass man in vielen anderen Branchen mit weniger Einsatz mehr verdienen kann.

Würden Sie sagen, dass die vielen Vereinslokale, vor allem am Land, auch mitverantwortlich für das Wirtesterben sind?

Ich will mich sicher mit keinen Vereinen anlegen, aber es gibt gewisse Dinge bzw. Auflagen, die in einem Vereinsheim mit viel weniger bürokratischem Aufwand möglich sind als in einem Gasthaus. Der Gesetzgeber misst mit zweierlei Maß, daher sollten die Rahmenbedingungen für alle die- selben sein.

Warum sind Sie trotz allem noch immer Wirt aus Leidenschaft?

Ich bin davon überzeugt, dass man uns Wirte auch weiterhin brauchen wird. Im Wirtshaus wird noch Klartext gesprochen, da kann sich keiner hinter einem Bildschirm verstecken. Aber die Gastronomie wird sich weiter verändern. Ich gehe grundsätzlich davon aus, dass sich die Anzahl der traditionellen Wirtshäuser von 2014 bis 2020 auf ungefähr die Hälfte reduzieren wird. Das grundsätzliche Angebot in der Gastronomie wird (Kebapstuben, Burgerläden etc.) ungefähr gleich- bleiben. Die, die überbleiben, werden auch als vernünftige Unternehmer wahrgenommen, die wissen, was sie für gute Qualität verlangen können. Wir Wirte müssen wieder davon wegkommen, die Branche für tot zu erklären. Wir müssen motivieren und Freude vermitteln. Dafür sind das Wirtshaus und der Wirt da.

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25. April 2024