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Verurteilter Innviertler: "Mauthausen kann man wieder aufmachen!"

Von Thomas Streif   29.November 2016

Leicht nervös geht der Angeklagte vor dem Schwurgerichtssaal mit seinem Anwalt auf und ab. Weniger nervös, aber umso hasserfüllter dürfte er am Abend des 25. Juni 2015 gewesen sein, als er sich auf der Internet-Plattform Facebook wiederbetätigt haben soll. Auf den Text eines anderen Innviertlers, der geschrieben haben soll, dass Asylanten kein Flugticket erhalten, sondern ins KZ nach Dachau gebracht werden müssten, soll der Mann aus dem Bezirk Ried laut Anklage zurückgepostet haben: „Nicht zurückschießen, Mauthausen kann man wieder aufmachen, bisserl brausen gehen oder bei der bissl Todesstiege Steine schleppen – gibt ein paar Klasse Sachen, was man dort machen kann – Gsindel des.“ Seinen Eintrag beendete er mit eine Zwinkersmiley. Einen zweiten Beitrag soll er laut Anklägerin Ernestine Heger mit „Kein Flugticket, ab nach Dachau“ kommentiert haben.

Jetzt ist der Tag der Verantwortung gekommen, der 21-Jährige muss sich in Ried vor einem Geschworenengericht unter dem Vorsitz von Claudia Lechner wegen Wiederbetätigung verantworten. Außerdem wird ihm das Vergehen der Verhetzung zur Last gelegt. Er soll am 22. Juli 2015 auf der Facebookseite eines Mediums das Hassposting „Neger ist gleich Zielscheibe. Kunt ma se a bissl mit am Luftdruck einschießn“, verfasst haben. Auch hier endete der Eintrag mit einem Smiley.

So etwas dürfe man nie im Leben schreiben, so der Verteidiger, der allerdings am subjektiven Tatbestand seines Mandanten zweifelt. Dieser habe mit den Einträgen nichts erreichen wollen, außerdem würden die Einträge in überhaupt keiner Weise die innere Einstellung des 21-Jährigen widerspiegeln.

"Wollte nichts Böses bezwecken"

„Bekennen sie sich schuldig“, will Lechner vom Angeklagten wissen. „Nein“, lautet die kurze Antwort. Allerdings räumt er gleich zu Beginn seiner Befragung ein, die Einträge verfasst zu haben. Er habe die Beiträge aus Wut verfasst. Vor allem ein Artikel, in dem es darum ging, dass Asylwerber auf Einheimische geschossen haben sollen, habe ihn dazu hinreißen lassen. Lechner: „Haben sie schon einmal schlechte Erfahrungen mit Flüchtlingen gemacht?“ Auch hier lautet die Antwort wieder „nein“. Es tue ihm leid beteuert der 21-Jährige immer wieder. „Es war nicht ernst gemeint. Ich wollte nichts Böses bezwecken, das interessiert mich ja gar nicht.“ Auch das Posting, in dem er Neger als Zielscheibe bezeichnete, habe nichts zu bedeuten. „Ich habe nicht nachgedacht, was ich da geschrieben habe.“ Von der NS-Zeit habe er wenig bis keine Ahnung. In Mauthausen sei er noch nie gewesen. Die Geschichte des Nationalsozialismus interessiere ihn überhaupt nicht.

Richterin vermutet: "Sie haben Phrasen für den Prozess einstudiert"

Die beisitzende Richterin Sonja Hofbauer ist vom Auftritt des 21-jährigen Arbeiters überhaupt nicht überzeugt: „Ich glaube, sie haben fleißig irgendwelche Phrasen für den Prozess einstudiert, das ist mein Eindruck.“ Außerdem hält Hofbauer dem Beschuldigten vor, dass er innerhalb weniger Wochen gleich zwei hetzerische Kommentare auf Facebook verfasste. „Da kann man nicht von einem einmaligem Ausrutscher sprechen“, sagt Hofbauer.

Er sei jetzt für zwei Kinder verantwortlich, er wolle mit solchen Aussagen überhaupt nichts zu tun haben. Das veranlasst die Prozessvorsitzende Claudia Lechner zu dem Kommentar: „Das ist nicht so optimal wenn das vermeintliche männliche Vorbild wegen Wiederbetätigung vor einem Geschworenengericht sitzt.“

Eine Geschworene will vom Beschuldigten wissen, warum er an diesem 25. Juni 2015 gar so wütend gewesen sei und von Mauthausen und der Todesstiege geschrieben habe. „Es war vielleicht ein wenig lustig gemeint“, so der Angeklagte. Allerdings sei diese Wahrnehmung im Nachhinein natürlich Schwachsinn. „Es ist einfach passiert.“ Dann hat die Geschworene noch einen Tipp fürs Leben: „Das erste was sie tun sollten, ist dass sie sich das KZ in Mauthausen einmal persönlich ansehen.“

Dafür, dass sie angeben, wenig Ahnung von Konzentrationslagern zu haben, kennen sie sich aber doch ganz gut aus“, hält Staatsanwältin Heger dem Beschuldigten, der mit leiser Stimme spricht und immer wieder behauptet, überhaupt nichts gegen Ausländer oder Flüchttlinge zu haben, vor. Auch mit der rechten Szene habe noch nie etwas zu tun gehabt, so der Beschuldigte. Auch die Behörden dürften keine Hinweise auf eine Mitgliedschaft in der rechten Szene gefunden haben.

In ihrem Schlussplädoyer fordert Anklägerin Heger einen Schuldspruch. Der Angeklagte habe einschlägige rechte Facebookseiten aufgesucht. Er habe auch nicht erklären können, warum er sich zu den Beiträgen hinreißen ließ. „Man muss eine gewisse Grundeinstellung haben, um auf diesen Zug aufzuspringen. So etwas öffentlich im Internet zu posten, das kommt nicht von heute auf morgen“, sagt Heger.

Der Verteidiger räumt ein, dass sich sein Mandant nicht immer sehr geschickt verantwortet habe. „Er hat natürlich versucht, sich selber zu entlasten. Niemand kann in den Angeklagten hineinschauen.“ Das Gericht habe es mit einem Familienvater zu tun, bei dem man möglicherweise nicht zu 100 Prozent von einer subjektiven Tatabsicht ausgehen könne. „Wenn sie Restzweifel an der Gesinnung meines Mandanten haben, dann ersuche ich sie um einen Freispruch“, sagt er zu den Geschworenen.

Schuldspruch wegen Wiederbetätigung

Nach rund einstündiger Beratung gibt das Geschworenengericht das Urteil bekannt: Für den Vorwurf der Wiederbetätigung wurde der Angeklagte mit 6:2 Stimmen schuldig gesprochen. Vom Vergehen der Verhetzung wird der Beschuldigte freigesprochen, hier stimmten je vier Geschworene für schuldig bzw. nicht schuldig.

Das Gericht verurteilt den bisher unbescholtenen Innviertler zu fünf Monaten bedingter Haft. Verteidigung und Staatsanwaltschaft geben keine Erklärung ab, das Urteil ist daher nicht rechtskräftig. 

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19. April 2024