Herde soll durch Masern-Impfung auch Geschwächte schützen
METTMACH. Warum eine hohe Durchimpfungsrate gerade für kranke Menschen so wichtig ist, erklärt Doktor Franz Daringer im Interview mit den OÖNachrichten.
OÖN: Herr Doktor Daringer, vergangene Woche vermeldete das Gesundheitsministerium, dass es in Österreich heuer bereits 147 Masern-Erkrankungen gibt. Beunruhigt Sie das?
Franz Daringer: Ja, absolut.
War der Anstieg Ihrer Meinung nach vorhersehbar?
Ja, weil die Durchimpfungsrate sinkt. Aber nicht nur bei Masern, auch bei Kinderlähmung nimmt die Bereitschaft zum Impfen ab. Der Mettmacher Allgemeinmediziner zeigt einen Bericht in der österreichischen Ärzte-Fachzeitschrift "Medical Tribune", die aktuelle Zahlen zu Masernerkrankungen beinhaltet: 2014 gab es in Oberösterreich 30 Masernfälle. Bis Mitte April 2015 sind im Bundesland 35 bekannt geworden. Die Hochburg, so Doktor Daringer, sei Mattighofen. Seiner Vermutung zufolge leiste ein Impfgegner-Stammtisch Gegenarbeit.
Wie viele Masern-Fälle haben Sie heuer schon diagnostiziert?
Keine.
Verbreitet sich Masern eher in Großstädten?
Das kann man so nicht sagen. Das Virus wird hauptsächlich eingeschleppt. Sogar in Amerika, wo Masern wegen der hohen Impfrate mehr oder weniger nicht mehr existiert und eine sogenannte Herdenimmunität besteht, treten Fälle auf. Nur dort ist die Chance, dass sich das Virus verbreiten kann, sehr gering. Kurzfristig können sich einige infizieren, aber der Virus stirbt dann ab. Bei schlechten Durchimpfungsraten wie etwa in Mattighofen, wo es viele Impfgegner gibt, können Endemien entstehen.
Impfkritiker Dr. Loibner sagte im Gespräch mit den OÖN, dass besonders Menschen mit einem angeschlagenen Immunsystem Gefahr laufen, sich mit Masern anzustecken? Was sagen Sie?
Das mag schon stimmen. Nur ist es arg, wenn ich sage, dass alle, die nicht geimpft sind und ein gutes Immunsystem haben, durchkommen. Und die mit einem schlechten Immunsystem sterben. Nochmal: Es ist sinnvoll, dass alle geimpft sind, damit auch die Menschen davon profitieren, die aufgrund einer schweren Erkrankung oder Organtransplantation nicht geimpft werden können oder von Haus aus ein schlechtes Immunsystem haben. Das ist das Prinzip der Herdenimmunität.
Kann es sein, dass viralen Erkrankungen durch Flüchtlingsströme vermehrt auftauchen, weil sie verschleppt werden?
Ja, durch Transit wird auch Kinderlähmung bei uns wieder auftreten. So geschehen vor einigen Jahren im Erstaufnahmezentrum Traiskirchen. Durch eine bessere Durchimpfungsrate kann die Gefahr gebannt werden, der Virus kann zwar eingeschleppt werden, kann sich aber nicht verbreiten.
Verläuft Masern Ihren Erkenntnissen nach bei Erwachsenen schlimmer als bei Kindern?
Es heißt immer so, dass Kinderkrankheiten schlimmer verlaufen, wenn sie im Erwachsenenalter auftreten. Das mag zum Teil schon stimmen. Die größte Gefahr sind Komplikationen wie Gehirnhautentzündungen. Ich kann mich noch erinnern, als ich Anfang der 80er Jahre im Turnus im Krankenhaus Braunau tätig war, damals hat es noch keine Impfung gegen Masern gegeben. Ich habe noch Kinder auf der Kinderstation gesehen, die Masernenzephalitis hatten. Das trifft aber nicht jeden.
Hat das mit dem Immunsystem zu tun?
Nein.
Sind die Oberösterreicher impf-faul?
Glaube ich nicht. Die Impfkritik und Skepsis nimmt generell zu. Auch in Deutschland. Der Laie denkt so: Warum soll ich mich impfen lassen, wenn’s die Krankheit nicht mehr gibt? Diese Logik wird durch Impfkritiker unterstützt, die sich auch in Ärzte- und Apothekerkreisen finden. Sie bringen Verschwörungstheorien in Umlauf, dass Pharmafirmen dahinter stecken und die Impfstoffe so schädlich sind. Diese Theorien werden dann von Leuten beim Stammtisch verbreitet.
Auch wenn es rechtlich nicht möglich ist, sollte es Ihrer Meinung nach eine Vorschreibung für manche Impfungen geben?
Wenn alle anderen Maßnahmen nicht greifen... Zuvor müsste man den Leuten begreiflich machen, dass es ohne Impfung nicht geht.
Glauben Sie, dass Masern jemals ausgerottet werden kann?
Wenn es uns wie in den Vereinigten Staaten gelingt, eine Durchimpfungsrate von 90 Prozent zu erzielen, dann ja. Aber derzeit liegt diese bei uns nur bei 83 Prozent. Wir waren schon einmal bei 85 oder 86 Prozent. Bei Keuchhusten ist diese Rate noch sehr hoch, bei Zeckenschutz sehr niedrig. Aber es gibt auch Menschen, die gegen nichts geimpft sind. Nicht einmal gegen Tetanus. Ich frage mich, was dann passiert, wenn diese Leute eine gröbere Verletzung erleiden, sich im Garten mit einer Heckenschere oder bei einem Verkehrsunfall verletzen?
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