Auf den Spuren von Weltmeister Rossi
SANKT MARIENKIRCHEN/SCH. Motorsport: Thomas Gradinger ist der Shootingstar der diesjährigen Supersport-WM – Der 22-jährige Innviertler beendete seine Rookie-Saison auf dem siebten Gesamtplatz
"Ich war ein weinerliches und verweichlichtes Kind", sagt Thomas Gradinger über sich selbst. Kaum vorstellbar bei den Ergebnissen, die der 22-jährige St. Marienkirchner in den vergangenen Jahren abgeliefert hat. Der IDM Supersport 600-Meister des Jahres 2017 hat heuer erstmals die Supersport-WM bestritten, dabei drei Mal den vierten und in der Endabrechnung den siebten Rang belegt. Mit 86 Punkten. Inmitten der Weltspitze. "Ich hätte jedem einen Vogel gezeigt, der mir das vor einem Jahr prophezeit hätte", sagt Gradinger. Einfach sei die Umstellung nicht gewesen. "Meine Gegener in dieser Saison habe ich davor nur aus dem Fernsehen gekannt. Und plötzlich war ich selbst mittendrin. Das war irgendwie surreal." Auch sportlich musste sich der Innviertler erst an die WM gewöhnen. "Im Jahr davor lief es in der IDM super. Dann bin ich zum ersten Mal die Supersport-WM gefahren und am Anfang richtig abgewatscht worden", sagt Gradinger, der seit 2013 Testfahrer für KTM ist.
Eine rasante Entwicklung
Bei der WM selbst war er auf einer Yamaha unterwegs – mit bis zu 280 km/h. Vom wehleidigen Kind war auf den internationalen Rennstrecken nichts mehr zu sehen. Der Samaskirchner ist zu einem selbstbewussten jungen Mann geworden, der beim letzten Rennen in Katar nur hauchdünn (drei Hundertstel) an seinem ersten Podium vorbeischrammte. Ein Aufwärtstrend, der sich in der neuen Saison fortsetzen könnte. Noch ist allerdings nicht klar, wo Thomas Gradinger 2019 Gas geben wird. "Sollte es wieder die Supersport-WM werden, dann will ich konstant um die Top-Sechs mitfahren. Ein Podestplatz wäre natürlich ein Traum", sagt der gelernte KFZ-Techniker, der noch ein bisschen größer denkt. "Und irgendwann möchte ich dann MotoGP-Weltmeister werden."
Wie alles begann
Vor mehr als zwölf Jahren hat ein Tag am Güpl (Gruppenübungsplatz) in Mehrnbach das Leben von Thomas Gradinger nachhaltig verändert. "Ich war mit meiner Mama dort und habe mir ein Motocross-Rennen angeschaut. Danach wollte ich auch fahren. Als ich meine erste Maschine bekommen habe, war ich fast elf Jahre alt. Ich bin mit meiner 50ccm KTM im Garten herumgedüst und habe mir damals vorgenommen, irgendwann im Fernsehen zu sein." Ein kindlicher Wunsch, der Realität wurde. Doch der Weg dorthin war steinig. "Ich bin kein Naturtalent. Wenn ich etwas lernen will, dann dauert das bei mir meistens länger. Außerdem habe ich mich immer wieder gefürchtet, wenn ich gestürzt bin", sagt der heute 22-Jährige, der noch immer Mitglied des HSV Ried ist.
Aufgefangen wurde Thomas Gradinger von seinen Eltern. Immer. "Ohne die beiden wäre ich heute nicht da, wo ich bin. Sie haben mich bei Rückschlägen aufgebaut und halten mir noch heute den Rücken frei. Trotzdem geben sie mir den nötigen Freiraum. Dafür bin ich meinen Eltern unendlich dankbar. Ich weiß, dass ich viel Glück habe und genieße deshalb jeden Moment." Vielleicht auch deshalb, weil der Innviertler die Kehrseite der Medaille kennt. "Ich war drei Jahre lang in Spanien. Das war sportlich und mental die härteste Zeit für mich. Es gab viele Rückschläge und Dämpfer, die mich am Ende aber weitergebracht haben. Dort habe ich das Verlieren gelernt." Neben seinen Eltern steht dem 22-Jährigen auch sein bester Freund und Mechaniker Tobias Gattermaier zur Seite. "Auf ihn kann ich mich hundertprozentig verlassen. Obwohl er 2017 eine Herzoperation hatte, ist er immer noch dabei. Das weiß ich sehr zu schätzen."
Schnell und geschickt
250 Tage im Jahr ist Thomas Gradinger unterwegs. Deshalb freut sich der St. Marienkirchner umso mehr, wenn er nach einem Rennen nach Hause kommt. "Später will ich auf jeden Fall wieder zurück ins Innviertel. Das ist meine Heimat. Außerdem renoviere ich seit ein paar Jahren das Haus meines Opas. Da werde ich in ein paar Jahren einziehen", ist Gradinger überzeugt. Davor stehen allerdings noch andere Dinge auf seiner Agenda. "Ab sofort wird viel verhandelt und gerechnet. In ein paar Wochen weiß ich dann hoffentlich, wo und für wen ich 2019 fahren werde." Mit dem Tempo das Thomas Gradinger vorlegt wird auch diese Entscheidung schnell fallen.