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Im Anschauen des Christkindes

Von Wolfgang Mayer König, 21. Dezember 2019, 00:04 Uhr
Im Anschauen des Christkindes
Bild: Volker Weihbold

Eine Weihnachtsgeschichte.

"Siehst du", flüsterte Maria in Josefs Ohr, "wie sich das Aufwachen bei ihm jedes Mal abspielt." Der kleine Jesus klappte die Lider auf, und seine großen, die Umwelt immer neu entdeckenden Augen kamen zum Vorschein. Immer intensiver leuchteten sie. Aus dem anfänglich hilflosen, fast ängstlich fragenden Schauen wurde – wie das Eindringen des Lichts in diese bizarre Örtlichkeit eines verfallenen dunklen Stalles – ein Lächeln und nach und nach ein alles einnehmendes Lachen.

Das zierlich vorspringende Näschen und die unmerklich geöffneten Lippen eines zart geformten Mundes ergaben in einem solch rundlichen Babygesicht ein Unterpfand für erwachende Heiterkeit, welche mit so viel Vertrauen ausgestattet war, wie es nur von einem Kind ausgehen kann. Seine Augen wendeten sich einmal zu Maria, dann zu Josef, schon aus dieser Schaukelbewegung des Blickes ganz offensichtlich Heiterkeit beziehend. Während er wie beiläufig Gewohnheit und Überraschung nebeneinander unterbrachte, verblieb für Jesus noch Zeit, lallend seine eigenen Beine und Füße zu begrüßen, um erst dann die kleine Faust zum Mund zu führen. "Es ist immer das Gleiche", bemerkte Maria liebevoll, "er begrüßt seine Hände und Füße, wenn er aufwacht. Und er tut so, als ob er mit ihnen reden würde."

Verwandlung in Erhabenes

Wenn Maria und Josef die erste Lebenszeit "ihres" Kindes auch in einer solchen unwirtlichen Umgebung erleben mussten, das Kind verwandelte auf seltsame Weise das Verwahrloste in etwas Erhabenes. Das Kind lag interessiert umherblickend, manchmal länger einem Gegenstand zugewandt, ein andermal alles im Umkreis überblickend. Aus diesem kleinen Wesen strömte so viel an Gelassenheit, dass selbst die Neugier in eine geordnete Intelligenz eingebettet schien. Das Staunen über alle Verabreichungen war wie getragen von einem heiteren, geradezu selbstbewussten Dasein. Der Ablauf der Eindrücke mündete im Blick auf eine verfallene, lückenhafte Bretterwand und einen anderen steinernen Futtertrog wie den, in welchem man selbst lag, aus welchem ein Esel und ein Ochse ihr Futter fraßen. Auch das sah Jesus lächelnd.

Als ihn Maria in der gemeinsam eingespielten Weise an ihre Brust legte, war es natürlich mit der Fassung vorbei, und hastig aufrückend konnten das Köpfchen und der Mund diese Verbringung und das Stillen gar nicht mehr erwarten – das Trinken begleitet vom wissenden Lächeln der Mutter. Kaum gestillt, wendete sich Jesus mit Halbdrehungen zu Josef um und lächelte ihn an. Zum Bäuerchenmachen von Maria auf die Schulter gehoben, wiederholte sich der Vorgang des Umdrehens und Lachens diesmal aus ganzer Kehle, so dass sich manchmal das kleine Stimmchen überschlug. So wurde auch Marias Lachen wie selbstverständlich ausgelöst. Ein unbefangenes, grenzenloses Lachen.

Josef lächelte und empfand dabei dieses Glück, dieses einfache und grenzenlose. Jedes Mal, wenn sich Josef seine Rolle, seine Aufgabe vor Augen führte, die ihm übertragen war und die er ausfüllen durfte, empfand er voll Freude diese Aufregung, die nicht zuletzt aus der Tatsache herrührte, dass er dieser viel jüngeren, kindlichen Frau angetraut war, die für ihn eine Einheit mit dem Kind darstellte. Das war für ihn ein wirkliches Wunder. Er war dieser Frau und diesem Kind in wirklich liebevollster Weise zugetan. Er wollte und konnte gar nicht zu Ende denken, was mit dieser Frau geschah. Diese Art der Empfängnis und dennoch eine schmerzhafte Geburt, die sie so tapfer ertrug. Und über alle Freude hinaus gab es da stets die Sorge, bestand sogar Angst um das Schicksal dieses Kindes, in einer so abweisenden, geradezu feindseligen Welt.

Manchmal beobachtete er Maria von der Seite her. Oft lachte sie selig übers ganze Gesicht. Doch manchmal, vor allem, wenn sie ganz offensichtlich über die Zukunft ihres Kindes nachdachte, sah er dieses Glitzern feinster Tränenperlen über ihre Wimpern hin und her irren, wie sie nach innen weinte und die Tränen nicht über den Rand des unteren Lides quollen, sondern sich nach innen senkten, wie ein nach innen fallender Vorhang, während das Gesicht wieder etwas kindlich Verletzbares, nach innen gekehrt Frauliches annahm – weich und schön, in sich erwägend, bergend, unbesiegbar ergeben, jedoch der Folge unvermeidlichen Schluckens in immer kürzerer Abfolge ausgesetzt. Sie wisse freilich, dass es Fragen gebe, die nur das Leben beantworten könne…

Beten, sprechen und singen

"Ich werde verstehen lernen und dafür beten. Um meinetwegen werde ich verstehen lernen. Um meinetwegen und um aller wegen werde ich beten, wenn ich aufwache und einschlafe. Worte, von denen ich nicht immer weiß, was sie bedeuten, so wie ich die Bedeutung von vielem im Leben und im Tod nicht kenne. Wenn ich oft nicht weiß, was es bedeutet, bete ich einfach, spreche und singe. Wie die Stimmen, die mein Frühlingsgefühl auslösen, die Vogelstimmen. An vieles habe ich mich noch nicht gewöhnen können. Es ist einfach ungewohnt für mich. Vielleicht kann ich es durch dich verstehen, Josef, oder durch mein Kind, Jesus."

Irgendwann im Zuge dieses dreisamen Zusammenseins und der entwickelten Gedanken setzt ein leises Quengeln des Kindes ein. Josef nimmt es aus der strohbedeckten Futterkrippe, schaukelt es bedächtig in seinen Armen und redet dem Kind zu, ein bisschen zu schlafen, bis Jesus mit immer mehr geschlossenen Lidern wieder in den Schlaf überwechselt. Kein Tierlaut, kein Hufscharren des Esels, kein Fliegen vertreibendes Schwanzwedeln des Ochsen kann Jesus dem Schlaf entreißen. Wenn er zu quengeln beginnt, genügt meist Josefs schaukelnde Armbewegung, um Jesus zu beruhigen, es muss immer alles in Bewegung bleiben.

Leben und Tod

So gestaltet sich das Leben dieser drei Menschen, die man, wenn die Wirklichkeit es nicht besser wüsste, als ganz natürliche Familie ansehen würde. Ein Kind, nicht aus der körperlichen Liebe seiner Eltern entstanden? Aber hier war etwas, das weit darüber hinausging, in unvorhersehbarer, unermesslicher Freude und unvorhersehbarem, unermesslichem Leid. Wie eben auch alles Leben und aller Tod so eng beieinander liegen.

Oft denkt Josef ebenso vor sich hin. Ruhig lässt er jeden Tag im Anschauen dieses Kindes ausklingen. Dabei hält er liebend wärmend seine Frau Maria im Arm. Und jeden Tag dieselbe Frage, die er sich stellt. Nicht etwa diejenige, warum er nicht der leibliche Vater sein konnte, auch nicht diejenige, warum seine Familie nicht aus der leiblichen Vereinigung entstanden war, sondern nur die eine Frage, die er sich jedes Mal schon im gleichen Atemzug der Fragestellung auch selbst beantwortet: Nein, ich kann nichts mehr verlangen, weil mir ohnehin schon das Größte geschenkt wurde, was einem Menschen gegeben werden kann: ein gesundes Kind.

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