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"Igelmama" schlägt Alarm: "Es ist ein Drama, wie ich es noch nie erlebt habe"

Von Alfons Krieglsteiner   04.Dezember 2020

Seit Tagen steht das Telefon von Gabriele Reisinger nicht mehr still. Denn in der heimischen Natur spielt sich derzeit ein Drama ab, "wie ich es noch nie erlebt habe", sagt die Vorsitzende der "Igelhilfe Österreich", die seit zwanzig Jahren in St. Lorenz bei Mondsee eine Igelstation betreibt. Ständig erreichen sie Meldungen über Funde von Jungigeln, die in der Entwicklung so weit zurückgeblieben sind, dass sie ohne Hilfe nicht überleben können.

"Bis zu zehn Igel werden täglich in die Station gebracht", sagt Reisinger. Manche wiegen unter 200 Gramm. Deutlich mehr als 500 Gramm müssten es aber sein, sonst fehlen die Fettreserven, von denen sie im Winterschlaf zehren. Dabei sinkt die Körpertemperatur auf fünf Grad, das Herz schlägt fünf Mal pro Minute. Untergewichtige Igel verfallen hingegen nur in einen "Dämmerschlaf" bei einer Körpertemperatur von 25 Grad. Entweder gehen sie noch während des Dämmerzustands ein – oder bald nach dem vorzeitigen Erwachen im Februar.

"Igelmama" schlägt Alarm: "Es ist ein Drama, wie ich es noch nie erlebt habe"
Fütterung mit der Pipette

Wettlauf gegen die Zeit

Begonnen hat das Drama im Frühling. Normalerweise schreiten die Igel im Mai und Juni zur Paarung – milde Nächte vorausgesetzt. "Die hatten wir heuer kaum, meist lagen die Nachtwerte nur um drei Grad", so Reisinger. Hochzeit feierten die Igel deshalb nicht vor Ende Juli. Nach 35 Tagen kamen die Jungen zur Welt. Für sie begann dann ein Wettlauf gegen die Zeit, den die meisten verloren haben. Denn sie waren nicht nur spät dran – sie fanden auch zu wenig Nahrung, um sich rasch genug Fett anzufressen. Der Grund? "Generell gibt es immer weniger Insekten", so Reisinger. Und dann noch die anhaltende Trockenheit, durch die der Boden "brettelhart" wurde. Keine Chance für die Jungigel, an Würmer und Engerlinge zu kommen. Ein Übriges taten die Herbstfröste. "Schon im Oktober ist das Nahrungsangebot deshalb gegen null gesunken", sagt der Gmundner Naturbeobachter Heinrich Metz.

Mehr als 400 Igel wurden in St. Lorenz bisher aufgenommen (www.igelhilfe.net). "Jetzt sind wir voll", sagt Reisinger. Nicht nur untergewichtige Jungigel sind darunter, sondern auch erwachsene Exemplare: "Wenn die jetzt noch herumlaufen, sind sie krank und brauchen ebenfalls Hilfe." Untergebracht sind die Findlinge in einer "Igel-Wohnung" im Haus, in einem Freigehege (für Dauerpfleglinge) und in "Hasenställen", die sich in der Garage stapeln.

Wegen der extremen Wohnungsnot in der Igelstation appelliert Reisinger an alle Gartenbesitzer, sich gefundener Igel selber anzunehmen. "Geben Sie sie aber nicht in den Keller, sondern halten Sie sie bei Zimmertemperatur!", rät die "Igelmama". Gefüttert wird mit Katzenfutter, gekochten Eiern, gekochtem Rind- und Hühnerfleisch, bis sie ein Gewicht von 800 Gramm erreicht haben. Auch Wasser darf man nicht vergessen (keine Milch!). Dann kann man sie in einer Box ins Freie stellen, wo sie in einen "kontrollierten Winterschlaf" verfallen. Nach den Eisheiligen werden sie freigelassen. Einen Leitfaden zur Igel-Pflege kann man bei Gabriele Reisinger unter Tel. 0664-1115642 anfordern.

Tödliche Rasenroboter

Die Betreuung der Igel-Findlinge geht ins Geld: 1500 Euro sind es pro Monat. Täglich werden bis zu 600 Futterschüsseln gewaschen, Geschirrspüler sind nötig, dazu kommen Futterkosten und Medikamente. Öffentliche Unterstützung gibt es keine, "deshalb sind wir dringend auf Spenden angewiesen, sonst geht uns im Jänner das Geld aus", sagt Reisinger.

Noch auf eine weitere Gefahr weist sie hin: die Rasenroboter. Da gab es heuer die meisten Verletzungen: "Die Jungigel sind tagsüber unterwegs und werden oft bei lebendigem Leib zerstückelt."

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28. März 2024