Lade Inhalte...
  • NEWSLETTER
  • ABO / EPAPER
  • Lade Login-Box ...
    Anmeldung
    Bitte E-Mail-Adresse eingeben
    Bitte geben Sie Ihre E-Mail-Adresse oder Ihren nachrichten.at Benutzernamen ein.

gemerkt
merken
teilen

Vom Stein der Weisen und den Birig-Stutzen

Von Helmut Wittmann, 04. Juni 2022, 15:10 Uhr
Totes Gebirge
Bild: Giovi, Johannes Löberbauer

Märchenerzähler Helmut Wittmann streift durchs Tote Gebirge und findet Sagenhaftes.

Es ist erstaunlich, dass es im Toten Gebirge bei der Vielfalt der Landschaft und den markanten Szenerien vergleichsweise wenige Sagen gibt. Hat sich denn noch niemand gefragt, wie der Feigentalhimmel zu seinem Namen gekommen ist – und eine Geschichte draus gewoben?

Auch das Rotgschirr, die Jakobinermütze, das Almtaler Köpfl und der Backenstein haben klingende Namen und doch noch keine Spuren in der Geschichtslandschaft hinterlassen? Wie kommt der Siniweler zu seinem Namen? Was ist das Geheimnis der "Windluckan"?

Nicht einmal vom Redenden Stein gibt es eine Sage. Die Erklärung, dass der Name eigentlich auf den sich im Abendrot rötenden Stein zurückgeht, weil der in der Mundart "da-rötade-Stoa" genannt wurde, befriedigt vielleicht den Verstand – bestenfalls. Erklärung Nummer zwei meint, dass der Felsen vom Redenden Stein innen viele Höhlungen hat. Darin tropft fortwährend Wasser. Am Gipfel klingt das dann so, als ob irgendwo unterhalb Leute miteinander reden würden. Auch das mag als Erklärung durchgehen. ... Ja, und? Eine fantasievolle Geschichte fängt mit dem Murmeln von irgendwoher erst an.

Im Toten Gebirge muss man also sehr genau schauen, um Sagen zu entdecken: So berichtet der Thüringer Arzt und Alchemist Johann Agricola in seinem umfassenden Werk "Chymische Medicin" im Jahr 1638 von den drei Jahren, die er im Salzkammergut praktizierte.

Da besuchte er einen gewissen Aegidius von der Wiesen, "der wohnete im Gebirge im Land ob der Enns". Dieser Aegidius von der Wiesen war "des Paracelsus Famulus", also ein Gehilfe des berühmten Wunderdoktors Paracelsus. Was Johann Agricola dabei überraschte war, dass dieser Aegidius von der Wiesen zwar "... ein Mann in einem hohen Alter war. Er war aber so gerade und frisch als etwa ein Mann von dreißig Jahren" und "dass er also im Gebirge in der Einöde ... wohnete".

Ein Leben in den Bergen bedeutete im 17. Jahrhundert meist ein karges Dasein voller Entbehrungen. Nicht so für den Aegidius von der Wiesen. Johann Agricola stellt erstaunt fest: " ... er lebte im Essen und Trinken trefflich wohl und war in seinem Haus alles wohl ausgeputzt und ein schöner Vorrat darinnen. War auch an Geld kein Mangel zu spüren. War kostfrei, und wer auch zu ihm kam, dem tat er alles Gute. ..."

Für Johann Agricola lag nahe, dass da ein Zauber im Spiel sein müsse. Er fragte sich, welche Fertigkeiten dieser Aegidius von der Wiesen bei Paracelsus erlernt habe. So schreibt Johann Agricola: "Ich hatte meine Gedanken, er müsste ein heimliches Kunststücklein haben." Er dachte also an einen geheimen Zauber, den der kundige Paracelsus-Schüler anzuwenden verstand. Ein Versprechen des Aegidius verstärkt diesen Eindruck noch. Zitat Agricola: "Er sagte mir auch zu, nach seinem Tode sollte mir seine Hausfrau etwas zustellen, welches mir Zeit meines Lebens helfen sollte, denn es wäre mir zur Zeit noch nichts nütze." Dazu kam es aber nicht, wie Agricola später bedauernd feststellt.

Wo die Naturgeister wohnen

Wenn man weiß, dass im "Oberösterreichisches Sagenbuch" von Adalbert Depiny aus dem Jahr 1932 in einer Notiz vermerkt ist, "Auf dem Roßkogel beim Almsee findet man hie und da Erde von eigentümlich gelber Farbe. Daraus läßt sich der Stein der Weisen gewinnen", dann kann man sich drauf etwas reimen – wenn man will.

Der Roßkogel ist übrigens nicht in unmittelbarer Nähe vom Almsee, sondern liegt am Nordrand des Toten Gebirges

zwischen Feigentalhimmel und dem Weißhorn. Südlich davon breitet sich ein Stück unterhalb die Wildensee-Alm aus. Die kann man sich – zumindest im Sommer – sehr gut als Wohnstatt des Aegidius von der Wiesen vorstellen. Wer es versteht sich mit den Naturgeistern vor Ort anzufreunden hat nicht nur hier ein gutes Leben.

Die Birig-Stutzn

Einer, der schon im 19. Jahrhundert einige Touren durchs Tote Gebirge unternahm, war Erzherzog Johann. Bei einer seiner Wanderungen erzählten ihm die Leute von den "Birig-Stutzen". Ein Birig-Stutzn, so heißt es, ist: "... eine kurze, dicke Schlange mit zwei kleinen Füßen, die, in halbaufgerichteter Stellung auf Steinen lauernd, Umschau hält." Und weiter: "Gewahrt ein Birig-Stutzn einen Menschen, so schießt er wie ein Pfeil zischend auf ihn los, und zwar mit solcher Wut, dass er dem Menschen durch und durch fährt. Verfehlt er sein Ziel, ist er selbst hin auf tausend Stücke."

Soweit die Überlieferung. Menschen können sich vor den Birig-Stutzn nur retten, wenn sie "zwerch", also im Zickzack, laufen. Besonders gefürchtet waren "die kohlschwarzen Stutzen". Der Erzherzog war auf das Gehörte hinauf neugierig geworden und setzte auf einen gefangenen oder erlegten Birig-Stutzen 30 Dukaten aus. Das war zu seiner Zeit ein stattlicher Betrag. Es gelang trotzdem nicht so ein Untier zu erwischen. Wer weiß, ob sich der Erzherzog auch mit einer Kreuzotter oder ihrer schwarzen Verwandtschaft, der Höhlenotter, zufrieden gegeben hätte. Die sind im Toten Gebirge immer wieder zu sehen. Und wenn sie überrascht werden, dann stellen sie sich auch gerne auf und pfauchen. Einem Menschen durch und durch zu fahren, dass aber schafft wohl keine Kreuzotter.

Der Bäckermeister aus Grünau

Viele dieser Sagen werden seit Jahrhunderten überliefert. Im Toten Gebirge passieren aber auch in der Gegenwart noch Geschichten, die die Fantasie anregen und einen recht nachdenklich werden lassen.

Am 8. September 2001 stieg der Grünauer Bäckermeister Christian B. zum Priel-Schutzhaus auf. Dort aß er eine warme Suppe. Dann machte er sich wieder auf den Weg. Er wollte über die Brotfall-Scharte und den Fleischbanksattel hinüber zur Welser Hütte und zurück ins Almtal. Christian B. war topfit und als Mitglied der Bergrettung ein erfahrener Mann. Den Großen Priel und das Tote Gebirge kannte er von vielen Bergtouren und Rettungseinsätzen bestens. Natürlich wusste er auch, was bei ungünstiger Witterung zu tun war.

Was dann passierte kann man nur erahnen: Oberhalb der Brotfall-Scharte zwangen ihn der heftige Sturm und ein halber Meter Neuschnee offenbar zum Umdrehen. Mag sein, dass er in der Höhle unterhalb der Brotfall-Scharte Zuflucht suchen wollte. Die Sicht war aber so schlecht, dass der Weg kaum mehr zu erkennen war.

Christian B. irrte herum. Er wusste, der Weg zur Schutzhöhle war nicht weit. Im Rucksack hatte er trockenes, warmes Gewand. Die Höhle würde Schutz bieten sich umzuziehen. So suchte er weiter, bis er durchnässt, unterkühlt und erschöpft unmittelbar beim Wegweiser zusammenbrach und im Sturm umkam. Ganze 50 Meter wären es noch gewesen bis zur Höhle.

Das Unglück erschütterte den ganzen Ort Grünau – und erst recht die Kameraden von der Bergrettung. Einer – auch ein erfahrener Bergsteiger – erzählte mir, dass er selbst ein gutes Monat später, also Anfang Oktober 2001 an einem prächtigen Herbsttag auf den Großen Priel gestiegen war. Oben angekommen sah er, dass eine gewaltige Nebelwalze einfiel. Schnell machte er sich auf den Rückweg. Er war aber kaum über den Gipfelgrad gestiegen und auf dem langgezogenen steinigen Abhang angelangt, der sich weit hinunterzieht zum Fleischbanksattel, als der Nebel einfiel. Schlagartig war die Sicht so schlecht, dass kaum die Hand vor Augen zu sehen war. Durch seine Bergerfahrung wusste er, dass es jetzt nur eines gab – abwarten, bis die Sicht wieder besser werden würde.

Wenn man nur einen Strudel hätt'

Also setzte er sich auf einen Stein und wartete. Die Zeit verging – und in solchen Momenten wird die Zeit lang. Da zieht sie sich wie ein Strudelteig. Wenn man denn nur einen hätte, einen Strudel! Geduldig harrte er aus. So schnell wie der Nebel eingefallen war, so schnell konnte es auch wieder besser werden. Seine Geduld wurde aber auf eine harte Probe gestellt. Das Unglück von Christian B. kam ihm in den Sinn. So leicht konnte es also gehen, dass man sich in einer Situation wiederfand mit der man nie und nimmer gerechnet hätte. Gott sei Dank war es nicht so kalt wie beim Wintereinbruch Anfang September.

Da nahm er etwas wahr – eine Gestalt. "Wo willst denn du hin, bei dem Nebel?", fragte er. Keine Antwort. Aber wer immer da ging, wusste offenbar den Weg genau. Ohne lange zu überlegen stand er auf und ging der Gestalt nach. Im Nebel war sie irgendwie gerade halt noch zu erkennen. So entschlossen wie sie abstieg, war ihr der Weg offenbar bestens vertraut. Er hatte Mühe zu folgen. Das verlangte seine ganze Konzentration. Ließ er aber abreißen, das wusste er, dann hieß es wieder warten. Das aber wollte er unbedingt vermeiden.

Endlich! Nach einem Marsch, der ihm wie eine Ewigkeit vorkam, lichtete sich der Nebel. Da lag der Fleischbanksattel im klaren Herbstlicht. Vor ihm aber war niemand zu sehen...

  • Das Buch

Der Text stammt aus dem Buch "Das Tote Gebirge - Lebenswelten in einem Naturparadies" herausgegeben von Willibald Girkinger, Lutz Maurer, Franz Sieghartsleitner; erschienen im Trauner Verlag, 296 Seiten, 500 Fotos, 43,80 Euro 

Willibald Girkinger, Lutz Maurer, Franz Sieghartsleitner (Hrsg.): „Das Tote Gebirge“, Trauner Verlag, 296 Seiten, 500 Fotos, 43,80 Euro Bild: Trauner Verlag,

 

mehr aus Hoamatland

Fische im Wandel der Zeit

Freies Radio Salzkammergut: Wo seit 25 Jahren die Funken fliegen

Spitzenküche beim Aichingerwirt: "Die Gerichte entstehen beim Bauern"

Hoftaverne Ziegelböck: Seit 500 Jahren ein Ort der Geselligkeit

Lädt

info Mit dem Klick auf das Icon fügen Sie das Schlagwort zu Ihren Themen hinzu.

info Mit dem Klick auf das Icon öffnen Sie Ihre "meine Themen" Seite. Sie haben von 15 Schlagworten gespeichert und müssten Schlagworte entfernen.

info Mit dem Klick auf das Icon entfernen Sie das Schlagwort aus Ihren Themen.

Fügen Sie das Thema zu Ihren Themen hinzu.

0  Kommentare
0  Kommentare
Zu diesem Thema wurden noch keine Kommentare geschrieben.
Neueste zuerst Älteste zuerst Beste Bewertung
Aktuelle Meldungen