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Die Knödelfrau

Von Helmut Wittmann, 05. März 2022, 00:04 Uhr
Bild: Volker Weihbold

Helmut Wittmann erzählt frisch und frei ... und macht Appetit

War’s a so, oder war’s net a so, und wad’s net a so g’wen, dann kunnt i’s net a so vazöln, da hat auf am Bauernhof in Edt bei Lambach eine Bauerntochter gelebt. Die hatte einen Buckel – und was für einen!

Die schwere Arbeit draußen am Feld war damit nicht zu machen. Aber das Kochen, das lag ihr. Und erst recht Knödel. Die konnte sie besser machen als jede und jeder andere. Ja, die waren so gut, dass die Leute am Hof immer wieder Knödel essen wollten. Hascheeknödel, Speckknödel, Semmelknödel – natürlich zum Braten, Grießknödel – mit Sauerkraut, Grammelknödel, aber auch Topfenknödel, Zwetschgenknödel, und – wenn es denn Marillen gab – Marillenknödel. Die Leute konnten einfach nicht genug bekommen von den guten Knödeln. Ein Tag ohne Knödel war für sie kein Tag. Anfangs gefiel das der Bauerntochter ja. Schön, wenn die Leute so begeistert sind, von dem was man macht. Aber irgendwann wurde ihr das viele Knödelmachen zu viel. Und schließlich hatte sie es satt – so richtig satt.

Einmal waren wieder besonders viele Leute zum Essen am Hof: Nachbarn, aber auch die Verwandtschaft von rundum waren zusammengekommen. Da stand sie, die junge Köchin, vor dem vielen Knödelteig und wollte und konnte nicht mehr. Aus Widerwillen und Verzweiflung begann sie bitterlich zu weinen, dann nahm sie die Schüssel mit dem Knödelteig und warf sie trotzig auf den Boden. Da hörte sie plötzlich eine Stimme aus dem Ofen: "Was hast du denn? Warum weinst du?" Wer spricht denn da? Kommt das wirklich aus dem Ofen? Ungläubig machte die Bauerntochter das Türl vom großen Tischherd auf.

"Ich bin das Ofenmandl"

Da sah sie in der Glut eine Gestalt, die schaute aus wie ein Zwerg. "Wer bist denn du?", fragte sie verwundert. - "Ich bin das Ofenmandl", sagte der Zwerg, "und hab’ dich weinen gehört." Die junge Frau erzählte dem Zwerg jetzt von ihrer Knödelnot: "I kånn koane Knödel mehr seg’n!" - "Wenn du mir eine Schale Milch gibst, dann kann ich dir helfen", meinte der Zwerg. Das brauchte er nicht zweimal zu sagen. Schon stand eine Schale Milch vor dem Ofen. Drauf huschte ein kleiner Feuerball durchs offene Türl. Im nächsten Moment war die Milchschale leer – und der Zwerg wieder im Ofen. "Hör zu", sagte der Zwerg drauf, "im Schupf’n hinter’m Haus liegen ein Haufen gedörrte Kräuter. – Die nimmst du und schmeißt sie ins kochende Wasser. Gib den Teig dazu und sag: ‚Wåsser, Wåsser, koch s’ nur fein – Grammelknödel sollen’s sein!’– Sag also einfach, welche Knödel du willst. Drauf kochen sich die Knödel von ganz von alleine. Und wenn du genug davon hast, dann sag ‚Grazias!’. Drauf hört das Knödelkochen wieder auf. Also vergiss nicht auf das ‚Grazias’! – Und wenn du mir jeden Tag eine Schale Milch vor den Ofen stellst, dann brauchst du nie wieder selber Knödel zu machen." Was konnte sich die Bauerntochter mehr wünschen. Jetzt brauchte sie die fertigen Knödel nur mehr aufzufangen. Sie schmeckten köstlich wie eh und je - und keiner merkte etwas von dem Zauber. Tag für Tag stellte sie die Schale mit Milch vor den Ofen. Da dachte sich auch niemand etwas dabei. Die Milch war wohl für die Katzen bestimmt.

Einmal musste die Bauerntochter für zwei Tage nach Linz. So weihte sie eine junge Magd ein in ihr Geheimnis. "Denk’ immer an die Schale Milch", schärfte sie ihr ein, "und vergiss nie auf das ‚Grazias’! Sonst hört das Knödelkochen nimmer auf!" "Ja, ja", meinte die Magd nur, "ist schon recht!". Sie war in Gedanken bei ihrem Liebsten. Da war alles andere nicht so wichtig.

Knödeln überrollen das Land

Tags darauf holte sie die Kräuter aus dem Schupfen und warf sie ins kochende Wasser. Der Spruch dazu fiel ihr Gott sei Dank ein – und schon begannen die Knödel zu kochen. Einer nach dem anderen hüpften sie aus dem Topf. Bald war die große Schüssel voll. Aber es kamen mehr und mehr von den Knödeln. "Auch recht", sagte sich die junge Magd, "ist für morgen auch gleich genug da!" Bald war die nächste Schüssel bummvoll. "Jetzt långt’s!", rief die Magd. Die Knödel sprangen aber weiter munter aus dem Topf. Bald war die Küche voll. Die Magd wusste sich nicht mehr zu helfen. Auf die Schale mit Milch hatte sie auch vergessen. Der Zwerg stellte sich deshalb taub. So lief sie in ihrer Not zu den Bauersleuten aufs Feld. Schon kugelten die Knödel bei der Küchentür hinaus. Und schließlich sprudelten Knödel über Knödel aus dem Bauernhof hinaus ins Land.

Auf dem Heimweg kam der Bauerntochter die Knödelflut schon kurz nach Wels entgegen. Zuerst traute sie ihren Augen nicht. Dann wusste sie aber gleich, was Not tat: "Grazias!", rief sie von weitem Richtung Hof. Jetzt hatte das Knödelsprudeln ein Ende. Frag nicht, wie lange es dauerte bis sich die Hausleute durch all die Knödel wieder einen Weg in den Hof gebahnt hatten.

In Edt und Lambach setzte jetzt das große Knödelessen ein. Noch mehr Knödel verschwanden in Gräben und Erdlöchern. Und selbst heute noch gilt: Wenn du in der Gegend von Edt bei Lambach wanderst, und plötzlich fühlt sich der Boden unter deinen Füssen weich, nachgiebig und schwammig an, dann gehst du wohl gerade nicht wie auf rohen Eiern sondern auf_– einstmals– wunderbaren Knödeln.

Der Autor Helmut Wittmann

Seit mehr als 23 Jahren ist Wittmann Märchenerzähler von Beruf. Auf seinen Antrag nahm die UNESCO das Märchenerzählen in Österreich in das Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes auf.
Wittmann veröffentlichte unter anderem bei Tyrolia „Sagen aus Oberösterreich“ und bei Ibera „Das große Buch der österreichischen Volksmärchen“.

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