Wo der Krampus brav ist

Von Edmund Brandner   03.Dezember 2016

Düstere Techno-Klänge, Pyrotechnik und Teufelsmasken, die selbst Erwachsenen einen Schauer über den Rücken jagen. In immer mehr Orten finden am 5. Dezember wilde Perchtenläufe statt. Der Krampus in der Version 2.0 sieht dabei oft aus wie eine Kreatur aus einem Fantasy-Film. Jugendliche sind davon begeistert, und die neuen Perchten haben es geschafft, einem alten Brauchtum Leben einzuhauchen. Kleine Kinder würde man dem wilden Treiben dennoch ungern aussetzen.

Warmherzige, pelzige Gesellen

Dafür gibt es die Krampusse von Bad Ischl. Pelzige Gesellen, die in Nikolos Schlepptau dahertrotten und mit kleinen Geschenken versuchen, das Vertrauen der Kinder zu gewinnen. Fast verlegen wirken sie, wenn die Kleinen sich vor ihnen fürchten. Und so richtig glücklich sind sie, wenn sie am Ende von ihnen umarmt werden.

Hinter den guten Krampussen von Bad Ischl stecken Mitglieder des Faschingsvereins. Vor mehr als 30 Jahren beschlossen Hannes Kienberger und Mathias Gastinger, als Nikolaus und Krampus Bad Ischler Familien zu besuchen. Sie erlangten so große Beliebtheit, dass sie 1995 den Spieß umdrehten. Seither kommen die Kinder zu ihnen. Alljährlich am 5. Dezember tritt der bischöfliche Rauschebart abends am Auböckplatz auf, um den Kindern leuchtende Augen zu machen. 13 Krampusse der guten Art begleiten ihn dabei.

Siegfried Lemmerer ist einer von ihnen. Seit 25 Jahren macht er mit. Mittlerweile organisiert der 45-Jährige, der im Bad Ischler Tourismusbüro arbeitet, alljährlich den Nikolausauftritt im Stadtzentrum. Er ist selbst Vater zweier Kinder und weiß, was es braucht, um kleine Leute zu faszinieren.

Wenn Nikolaus und seine Gesellen um 17 Uhr bei Einbruch der Dunkelheit im Ischler Stadtzentrum erscheinen, erklingen dazu ein Böllerschuss und feierliche Musik. Die Krampusse machen Nikolo ein Spalier, als wären sie seine Schweizergarde.

"Der Krampus muss schon eine Respektsperson sein", sagt Lemmerer. "Aber ich möchte auf keinen Fall, dass Kinder vor mir Angst haben, und wir tun alles, damit uns das gelingt." Da hilft es zum Beispiel, dass nicht nur der Nikolaus Geschenke verteilt, sondern auch die Krampusse. Wochenlang arbeiten die Mitglieder des Faschingsvereins mit ihren Familien, um rund 500 Pakete für die Kinder vorzubereiten. Darin befinden sich Äpfel, Nüsse und selbst gebackener Lebkuchen.

Sollte sich das eine oder andere Kind trotz des Geschenks weiterhin vor den zotteligen Gesellen fürchten, nehmen diese zärtlich Kontakt auf. "Unsere Birkenruten halten ewig, aber die Hosen unserer Fellkostüme sind vom vielen Niederknien regelmäßig aufgescheuert", sagt Lemmerer. Doch der Erfolg spricht für sich. "Ich habe in all den Jahren noch nie erlebt, dass ein Kind sich am Ende immer noch vor mir gefürchtet hätte."

Das hat sich mittlerweile weit über die Salzkammergut-Metropole hinaus herumgesprochen. Bis zu 1500 Menschen kommen alljährlich zum Ischler Nikolaus-Gastspiel, viele davon von weit her.

Die Ischler Familien selbst haben das Privileg, Nikolo und seine guten Begleiter auch privat buchen zu können. An rund 30 Haustüren klopfen diese jedes Jahr an, in der Tasche einen Schummelzettel, auf dem steht, wie die Kinder heißen und worüber man sich mit ihnen unterhalten könnte. "Oft reden die Kleinen viel mehr als der Nikolaus", sagt Lemmerer grinsend. "Sie sind schön angezogen, und wenn sie uns bereits aus dem Vorjahr kennen, ist die Vorfreude groß."

Schnullersammlung

Auch bei ihren Hausbesuchen ist den Krampussen wichtig, schnell Freundschaft mit den Mädchen und Buben zu schließen. Die Tricks, zu denen sie dafür greifen, sind durchaus subtil. "Wir vergessen in jeder Wohnung wie zufällig eine Birkenrute", so Lemmerer. "Das macht uns menschlicher."

Umgekehrt nehmen die Krampusse selbst dankbar Geschenke von den Kindern entgegen. Oft sind es selbst gemachte Zeichnungen – "von denen wir noch keine einzige weggeworfen haben", wie Lemmerer beteuert. Kistenweise horten er und seine Kollegen mittlerweile auch gebrauchte Schnuller. Sie wurden den Krampussen von kleinen Kinderhänden feierlich überreicht.

Der Nikolaus: Der Nikolausbrauch geht auf Bischof Nikolaus von Myra zurück, der Anfang des vierten Jahrhunderts in Anatolien lebte. Der Überlieferung zufolge hat er sein ererbtes Vermögen unter den Armen verteilt. Darauf bezog sich später die Sitte, sich in seinem Namen gegenseitig zu beschenken. Erst infolge der Ablehnung der Heiligenverehrung durch die Reformation wurde die Bescherung in vielen Ländern auf Weihnachten verlegt.

Der Krampus: Der Krampus als Schreckgestalt geht auf vorchristliche Traditionen zurück. Als Gegenfigur zum gütigen Nikolaus bestraft er in der Überlieferung unartige Kinder. Der Krampuslauf war im gesamten Habsburgerreich verbreitet, bis die Kirche ihn verbat. Niemand dürfe sich als teuflische Gestalt ausgeben, so die Begründung. In den schwer zugänglichen Alpentälern überlebte der Brauch jedoch und breitete sich von dort wieder aus.

Ein guter Krampus: Siegfried Lemmerer (45) ist seit vielen Jahren einer der braven 13 Krampusse von Bad Ischl. Der zweifache Vater organisiert alljährlich den großen gemeinsamen Auftritt mit dem Nikolaus im Zentrum der Salzkammergut-Metropole. „Es ist schön, dass wir auch einen Perchtenlauf haben“, sagt er. „Aber wenn wir auftreten, sollen sich die Kinder keinesfalls fürchten.“