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Wie wird's Wetter?

Von Fotos von Alexander Schwarzl   06.Juni 2015

Der Innviertler Hauzinger schaut auf Mond, Tierkreiszeichen, Ameisen und Bäume. Der Vorarlberger Jäger verlässt sich auf Modellberechnungen. Auf neutralem Boden, im Garten des Salzburger Café Wernbacher, machten die beiden, was alle tun: über das Wetter reden.

 

Hoamatland: Wie wurde das Wetter zu Ihrer Leidenschaft?

Andreas Jäger: Ich hatte einen genialen Hauptschullehrer, der uns den Land- und Seewind erklärte, indem er uns gesagt hat, um welche Zeit man am besten zum Bodensee und wieder zurückfährt. Wenn man in der Früh hin- und am Nachmittag retour radelt, hat man immer den Wind im Rücken. Dass man das verstehen kann, hat mir extrem imponiert. 

Franz Hauzinger: Der Vater ist Landwirt, immer vom Wetter abhängig. Mich hat als Bub schon fasziniert, wie man das Wetter von den Wolken ablesen kann. Seit 25 Jahren zeichne ich das Wetter auf. 

Jäger: Was halten Sie da fest? 

Hauzinger: Mindestens drei Mal am Tag lese ich von meiner Mess-Station, die ich vom hydrografischen Dienst des Landes habe, Lufttemperatur, Luftfeuchte, Niederschlag – unter anderem auch Schneemenge und -höhe ab.

Hoamatland: Worauf vertrauen Sie bei Ihren Prognosen?

Hauzinger: Ganz viel auf den Mond. Seit Urzeiten ist der Mensch vom Mond abhängig. Früher war er beim Einbringen der Ernte die einzige Orientierung.

Jäger: Mit dem Mond tu ich mir schwer. Finden Sie da eine Relevanz?

Hauzinger: Mit meinen Prognosen liege ich zwischen 60 und 65 Prozent richtig.

Jäger: Das hat wohl viel mit Erfahrung zu tun. Gerade für die kurzfristige Vorhersage vor Ort, wenn da einer ein gutes Gespür hat, dann braucht er für den Zeitraum der nächsten sechs bis zwölf Stunden kaum einen Wetterbericht. Da kann man an den Wolken und aus der Richtung, aus der sie kommen, lesen, ob es ernst wird oder nicht. Aber mit dem Mond funktioniert das leider nicht. Der Mond ist eine einfach zu berechnende astronomische Größe.  Wann er aufgeht, wann ich Voll-, Halb- oder Neumond habe, das kann ich auf die nächsten 100.000 Jahre auf die Sekunde genau berechnen. Wenn der Mond dem Wetter tatsächlich einen Stempel aufdrückte, müsste der als Erstes zu sehen sein. Dann müsste auf der ganzen Welt dasselbe Wetter sein. Aber so ist es nicht.

Hauzinger: Ich schaue dabei ja auch darauf, welche Mondphase welches Sternzeichen durchwandert. Darüber habe ich mir jahrelang Gedanken gemacht.

Wie wird’s Wetter?

Hoamatland: Was sind die Parameter des Andreas Jäger?

Jäger: Ich habe zwar gerade ein Buch geschrieben über die 20 Wetterzeichen, die man unbedingt kennen muss. Aber in der Praxis, wenn wir Vorhersagen machen, verlassen wir uns auf unsere Modellberechnungen. Das heißt: Die Atmosphäre ist ein Gas, und dieses Gas kann ich berechnen, allerdings mit Einschränkungen, weil ich ja nie weiß, wie das Wetter gerade jetzt auf der ganzen Welt ist. Zum echten Wetter kann ich mich mit Annahmen nur hinwursteln, und von dort rechne ich mit meinen physikalischen Gleichungen in die Zukunft. Ein Fehler durch Ungenauigkeit potenziert sich. Aber trotzdem sind die Modelle unglaublich gut geworden. Als ich zu studieren begonnen habe, war schon der übernächste Tag eine Lotterie. Mittlerweile ist der Trend für fünf bis sechs Tage schon ziemlich gut.

Hauzinger: Die Sechs-Tage-Prognosen sind hervorragend, aber darüber hinaus liege ich näher. Ein Schärdinger Modegeschäft ruft mich jedes Jahr 14 Tage vor einer Modenschau im Freien an. Voriges Jahr war es schwierig, weil kein Tag günstig war. Ich hatte nur für Freitag ein Schönwetterfenster, also habe ich den Tag empfohlen. Und tatsächlich war es der einzige Tag, der schön war, es hat am Donnerstag und am Samstag geregnet. Das habe ich mit meiner Grafik, die sich aus den Mondphasen und den Sternzeichen ergibt, berechnet. Und dann schau ich auf meinen Kalender.

Jäger: So ist ja auch der 100-jährige Kalender entstanden. Abt Mauritius Knauer ist davon ausgegangen, dass der Mond und die damals bekannten sechs Planeten jeweils ein Jahr prägen.

Hoamatland: Spielt der 100-jährige Kalender bei Ihrer Arbeit eine Rolle?

Jäger: In der rein astronomischen Form nicht, eher von den Singularitäten wie Schafskälte und Eismänner, die – mit leichten Verschiebungen – jedes Jahr kommen. Wenn so ein Kälteeinbruch nicht kommt, ist es nicht normal.

Hauzinger: Das kommt daher, weil in Grönland um diese Zeit riesige Wirbelstürme sind, deren Ausläufer die kalte Luft zu uns bringen. Mit der Schafskälte Anfang Juni ist es nicht anders.

Jäger: Stimmt. Solange das Meer kalt ist, kann sich kein stabiler Sommer ausbilden. Aber das mit Ihrer Mondphase ist cool, das sollten Sie weitermachen.

Hoamatland: Was können Sie mit Bauernregeln anfangen?

Hauzinger: 80 Prozent davon sind für den Wind. Ich habe aber eine, die zeigt, wie schneereich der Winter wird, und stimmt. Das hängt von den Obstbäumen, Äpfel und Birnen, ab, wie bald und schnell die ihr Laub verlieren. Vor zwei Jahren ist zwischen 10. und 12. Oktober sämtliches Laub von den Bäumen gefallen, und das wohlgemerkt ohne Bodenfrost. Da hab’ ich gesagt: Wir kriegen einen schneearmen Winter. So war es auch. Und erinnern wir uns an 2005. Da hat es am 17. November zugeschneit, und bei uns in Münzkirchen waren die Obstbäume noch voller Laub. Daraufhin habe ich einen schneereichen Winter prophezeit. Und es kam ein extrem schneereicher Winter. Die Bauernregel heißt "Hängt das Laub noch fest am Ast, so wird der Winter ein schlimmer Gast."

Jäger: Das ist eine großartige Beobachtung, davon halte ich wieder viel mehr. Wir Meteorologen nennen das Proxydaten, also Daten, mit denen man indirekt auf das Wetter schließt. Das hört sich total spannend an. Ob das nicht auch indirekt etwas über die Verhältnisse im Atlantik sagt? Denn wann haben wir einen schneereichen Winter? Dann, wenn es aus Nordwesten vom Atlantik immer wieder zu Kaltlufteinbrüchen kommt. Ein kontinental geprägter Winter von Russland her kann bitterkalt sein, aber trocken.

Wie wird’s Wetter?

Hoamatland: Erlauben Sie sich Naturbeobachtungen?

Jäger: In der Arbeit nicht, weil wir zu sehr mit Kurzzeitprognosen beschäftigt sind.

Hoamatland: Hat man Sie während des Studiums darauf vorbereitet, dass Sie als Meteorologe häufig das Bummerl haben werden?

Jäger: Ein bissl schon. Ich habe ein Jahr lang Physik studiert. Da sagte jeder: Super! Und zu Meteorologie hieß es dann: Ach so, kann man das studieren?

Hoamatland: Wie geht es Ihnen mit der Bezeichnung "Wetterfrosch"?

Hauzinger: In Münzkirchen bin ich als Wetterfrosch eher bekannt wie als Hauzinger.

Jäger: Ich habe mich daran gewöhnt und höre das Liebevolle heraus.

Hoamatland: Warum reden die Menschen ständig über das Wetter?

Hauzinger: Weil es ein jeder so haben will, wie er es mag. Der eine braucht ein schönes Wetter, weil er die Ernte einbringen möchte. Der andere ist damit schon fertig, will düngen und bräuchte ein wenig Regen. Und wenn man Urlaub hat, wünscht man sich Schönwetter.

Jäger: Durch die viel genaueren Kurzfristprognosen, die leicht zugänglich sind, hat sich der Tourismus komplett geändert. Die Leute haben zum Beispiel im Salzkammergut gebucht, dann schauen sie am Donnerstag drauf, sehen, dass es regnet, sagen das Zimmer ab und fahren nach Südtirol. Durch mehr Freizeit hat das Wetter auch einen viel höheren Stellenwert gekriegt.

Wie wird’s Wetter?

Hoamatland: Was haben Sie beide gemeinsam?

Jäger: Das Interesse und die Liebe zur Natur. Ich merke aber auch den wissenschaftlichen Drang, Sachen zu verstehen, Kausalitäten herauszufinden.

Hauzinger: Ich beobachte zum Beispiel für Kurzzeitprognosen die Ameisen. Wenn sie ein faustgroßes Häuferl machen, dann kommt einmal ein Gewitterregen oder es regnet zwei, drei Tage nach. Wird der Erdhaufen größer, ist eine längere Regenzeit zu erwarten. Die Ameisen brauchen Luft, die haben im Erdboden ihre eigene Klimaanlage, und je nässer das Wetter wird, umso mehr müssen sie ihren Bau ausbauen, um zu überleben. Etwas Interessantes bemerke ich auch im Winter beim Vogelhaus. Wenn ein Haufen Futter drin ist, aber den ganzen Tag kein Vogel kommt, heißt das, dass das Wetter in den nächsten 24 bis 48 Stunden bleibt, wie es ist. Der Vogel spürt den Luftdruck schon vorher, und wenn ihm der Schlechtwetter deutet, sagt sich der Vogel, dass er sich etwas zu futtern holen muss.

Hoamatland: Wie weit trauen Sie sich meteorologisch in die Zukunft schauen?

Hauzinger: Ich versuche es für ein ganzes Jahr. (Jäger bricht in schallendes Gelächter aus.) Aber das ist eine Raterei.

Jäger, Hauzinger
Jäger, Hauzinger

Jäger: In Europa funktionieren Langzeitprognosen ganz schlecht.

Hoamatland: Wie wird der heurige Sommer?

Jäger: Ich hab’ keine Ahnung.

Hauzinger: Er wird schön und warm. Wenn es nicht so ist, kann ich aber nichts dafür.

Hoamatland: Wer hat einen Meteorologenwitz auf Lager?

Hauzinger: Sind zwei europäische Meteorologen im Hochsommer nach Amerika ausgewandert. Im Herbst fragt der eine den anderen: "Wie sind eigentlich da herüben die Winter?" Sagt der andere: "Machen wir halt einen Haufen Holz." Danach sagt der eine: "Aber wie streng wird jetzt der Winter wirklich?" Der andere: "Hinterm Berg ist ein Indianerstamm, den Häuptling, den fragen wir. Der ist ein Einsässiger, der muss das wissen." Der Häuptling sagt: "Heuer strenger Winter." Also machen die Meteorologen noch einmal einen Haufen Holz. Dann gehen sie wieder rüber und fragen. "Uh, heuer sehr, sehr strenger Winter", antwortet der Häuptling. Woran er das erkenne, wollen die Meteorologen wissen. "Weil weißer Mann so viel Holz macht", sagt der Häuptling.

Jäger: Meine Lieblingsbauernregel lautet: "Steht im Jänner noch das Korn, ist’s vergessen wor’n."

 

Das aktuelle Wetter in Oberösterreich auf nachrichten.at


Franz Hauzinger: Der 56-jährige Innviertler aus Münzkirchen zeichnet seit 25 Jahren täglich das Wetter auf. Der Hobby-Wetterfrosch arbeitet als Elektromotorenmonteur im bayerischen Ruhstorf an der Rott.

Andreas Jäger: Der 49-jährige gebürtige Hohenemser hat Meteorologie studiert. Er redete sechs Jahre lang im Ö3-Wecker über das Wetter. Seit 2009 moderiert er bei
ServusTV.

Schafskälte im juni
Ob das Hauberl hilft?

Schafskälte im Juni

Die Schafskälte tritt im Alpenraum häufig Anfang bis Mitte Juni auf. Die Meteorologen sprechen von einer Singularität, also von einer Wetterlage, die zu bestimmten Zeitabschnitten im Jahr mit hoher Wahrscheinlichkeit auftritt. Dazu gehören etwa auch die Eisheiligen im Mai, die Hundstage zwischen 23. Juli und 23. August, der Altweibersommer und das Weihnachtstauwetter.

Während das Land im Juni bereits stark erwärmt ist, ist das Meer noch realtiv kalt. Das über Europa entstehende Tiefdruckgebiet führt dann von West bis Nordwest Kaltluft polaren Ursprungs heran.

Benannt ist diese Wetterlage nach den Schafen, die bis dahin bereits geschoren wurden und deshalb frieren mussten.

Spannend wird es am Siebenschläfertag (27. Juni). Die Zeit um diesen Lostag gilt als entscheidend, ob sich ein Hitzesommer etablieren kann oder ob sich ein Auf und Ab fortsetzt. „Wie’s Wetter am Siebenschläfertag, so es sieben Wochen bleiben mag“, lautet die dazugehörige Bauernregel. Der Name bezieht sich auf die Legende von den sieben christlichen Brüdern, die zur Zeit der Christenverfolgung unter Kaiser Decius im Jahre 251 in eine Höhle bei Ephesus flüchteten. Sie wurden dort eingemauert und fielen in einen tiefen Schlaf. Angeblich wurden sie beinahe 200 Jahre später befreit und wachten völlig unversehrt auf. Der 27. Juni ist der Erinnerungstag ihrer Befreiung.

 

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19. April 2024