Scharfmacher

Von Bernhard Lichtenberger   21.März 2015

Ihre Vielfalt betört. Sie leuchten gelb, orange und rot, zeigen sich länglich, rund, glockenförmig, glatt oder runzelig. Vom harmlosen Gemüsepaprika bis zum unerbittlich feurigen „Trinidad scorpion“ reicht die Palette der Züchtungen. Experimentierfreudige Hobbygärtner mühen sich, ihren Topfpflanzen eine gute, gepfefferte Ernte abzuringen und einander mit selbstgemachten Chili-Soßen zu übertrumpfen, die dem Gegenüber die Schweißperlen auf die Stirn treiben.

Auf die Schote, die botanisch gesehen eine Beere ist, kam der in der Nähe von Marchtrenk angesiedelte Familienbetrieb vor mehr als zehn Jahren, als Karin Kempls Vater Adolf Ehmeier die Frucht für sich als Schlankmacher entdeckte und in seinen Gewächshäusern zu kultivieren begann.

Auf schiebbaren, beheizten und mit einer Wärmematte versehenen Tischen sprießen Tausende Pflänzchen. Anfang Jänner hat Karin Kempl mit der Aussaat der Samen begonnen. Sobald sich die Keimblätter entfaltet haben, geht es mit viel Fingerspitzengefühl ans Pikieren, das Vereinzeln der jungen Pflanzen. Ab Mitte April werden die bis dahin etwa 30 Zentimeter großen Nachtschattengewächse, ungefähr 300 bis 400 Stück pro Sorte, Chili-Enthusiasten für 2,50 bis 3,50 Euro feilgeboten – in der Gärtnerei sowie freitags beim Bauernmarkt in Traun und am Samstagvormittag auf dem Standlmarkt in Leonding.

Wenn Karin Kempl, seit 2007 Inhaberin der Landgärtnerei, durch ihr Reich der Schärfe führt, spürt man, dass sie selbst dem teuflischen Charme der Chili-Pepper erlegen ist. An ihren Gaumen lässt die 38-Jährige welche, die sich auf der zehnstufigen Schärfeskala zwischen 7 und 8 bewegen. „Einen Habanero hält man schon noch aus“, sagt sie, „mit Schafkäse gefüllt und mit Speck ummantelt mundet er besonders. Mein Mann Peter steigt aber schon früher aus“. Die Sorte „Elefantenhaut“, die dem Genießer keine Milde zeigt, schätzt sie als Grillgut, „außen schön knusprig und innen weich“. Der „Amando“ wiederum sei extrem reich an Vitaminen. Optisch gibt der Baumchili einiges her. Die Pflanze wird zwei Meter hoch und trägt Früchte wie kleine Äpfel. Der Baumchili ist der einzige mit schwarzen Kernen.

Tipps für Chili-Freunde

Die studierte Betriebswirtin und ausgebildete Gärtnerin weiß, was Chilis lieben. Jeder Pflanze gebührt ein eigener, nicht zu tiefer Topf an einem warmen Platz. Ins Freie sollte man die Sonnenanbeter erst Anfang Mai setzen. Nährstoffreiche Erde, Kompost abgemischt mit Hornspänen und Naturdünger (Pferdemist stärkt!) lässt genügend Luft und Wasser zu den Wurzeln. Nach der ersten Ernte sollte noch einmal nachgedüngt werden. Mit dem Wasser darf man es nicht übertreiben: „Wer zu viel gießt, macht seine Chilis milder.“ 

An der Vielfalt im Hause Ehmeier haben auch die Kunden einen erklecklichen Anteil, die ihre scharfen Entdeckungen von Reisen mit- und in der Gärtnerei vorbeibringen. Karin Kempl bedient sich dann an den Samen der reifen Souvenirs aus Thailand, der Türkei, Marokko oder Indien.

Apropos Samen: Diese werden den frischen, einwandfreien Früchten abgenommen, langsam getrocknet und anschließend kühl und trocken gelagert.

Neben Pflanzen und reifen Schoten erwärmt sich das Herz der Chili-Aficionados auch für Saucen und Chutneys, die Seniorchefin Brigitte Ehmeier mit Pfiff abschmeckt.

Wenn Männer weinen. . .

Am stärksten ist die Nachfrage nach der „Chili Sauce Extra Hot “ (6,80 Euro), die sich nicht nur im Gedächtnis einbrennt. Der Scharfmacher aus der Oberliga hat das Potenzial, übermütig verkostende Männer zum Weinen zu bringen oder in einem Schweißbad aufzulösen. Mit weniger Vorsicht ist die normale „Chili Sauce“ zu genießen, die als „gemütlich scharf“ angepriesen wird.

Chili-Pulver aus Marchtrenk

Wie Marmelade werden die süß-sauren Chutneys eingekocht. Brigitte Ehmeier paart die Chilis mit verschiedenen Gemüsen und Früchten: Kürbis, Zwiebel, Sellerie, Limetten, Marillen, Apfel, Kirschen oder Feigen. „Das Zwetschken-Chili-Chutney schmeckt besonders zum Wiener Schnitzel“, sagt sie. Für das Chili-Pulver – das Kilo kostet zwischen 40 und 50 Euro – werden vor allem dünnfleischige Sorten verwendet. Gemahlen wird mit schützenden Masken, „mehr als sieben Gläser kann ich trotzdem nicht abfüllen“, sagt Karin Kempl.

Im Chili-Tunnel, wie sie das spezielle Gewächshaus nennt, gedeihen Sorten mit klingenden Namen. „Joe’s Long Cayenne“ deutet darauf hin, dass die Würze hier nicht in der Kürze liegt. Der „7 pot Jonah Strain“ schafft auf der Schärfe-Skala die Bewertung 10+++. Der peruanische „Santa Rosa Blanco“ verrät, dass er zuerst weiß und erst dann rot wird. Nur der „Orange Peter“ heißt nicht wirklich so. Er wurde von der Gärtner-Familie umgetauft, weil seine Originalbezeichnung nicht für den Verkauf tauge: Penis-Chili. 

 

Zur Person: Karin Kempl

Die studierte Betriebswirtin und ausgebildete Gärtnerin lenkt seit 2007 die Geschicke der Landgärtnerei Ehmeier in Holzhausen bei Marchtrenk. Der Anbau von Bio-Chili, von verträglicher bis teuflischer Schärfe, ist ihre Spezialität. Heuer werden 40 verschiedene Sorten angeboten.

 

In einem Monat werden Karin Kempls Chili-Pflanzen verkaufsbereit sein.  

In einem Monat werden Karin Kempls Chili-Pflanzen verkaufsbereit sein.  

Chili- Wissen

Capsaicin: Der Stoff, von Drüsen in der Frucht produziert, macht Chili scharf. Er löst einen Hitze- beziehungsweise Schmerzreiz aus.

Scoville: Die Schärfe wird in Scoville-Einheiten gemessen. Mit 2,2 Millionen Scoville gilt der „Carolina Reaper“ als schärfster Chili der Welt. Das heißt, man benötigte 2200 Liter Wasser, um 1 Milliliter „Carolina Reaper“ völlig zu entschärfen.

Erste Hilfe: Wenn’s im Mund brennt, nützt Wasser nichts. Fetthaltige Milch, Topfen, Käse, Öl und Brot lindern den Schmerz.

Vorsicht: Bei der Verarbeitung der Früchte sind dünne Einweghandschuhe anzuraten. Wer’s schutzlos versucht: Hände erst mit Öl, dann mit Seife waschen – und vorübergehend die Finger von empfindlichen Stellen lassen.

 

Geschichte: Columbus machte uns scharf

Ausgrabungen belegen, dass in Mexiko bereits um 7000 vor Christus eine Wildform von Chili-Pflanzen als Nutzpflanze diente. Inka, Maya und Azteken würzten ihre Speisen mit Zuchtformen. Dass die Scharfmacher, die zudem das Verderben von Fisch und Fleisch verzögerten, ihren Weg zu uns fanden, verdanken wir Christoph Kolumbus.

Die Reisen des Seefahrers im Auftrag der spanischen Krone ab 1492 verfolgten auch das Ziel, das Monopol Venedigs im Gewürzhandel zu brechen. Das gefundene Land, das er für Indien hielt, war Amerika. Die scharfen Früchte, die er als Pfefferart deutete, waren Chilis, die durch die Entdeckung Amerikas und durch den Kolonialismus weltweit verbreitet wurden.

Chili-Pepper sind reich an Vitamin A und C, ihre Stoffe fördern die Durchblutung, wirken entzündungs- und schmerzhemmend, regen die Verdauung an, gelten als Schlankmacher und sollen auch als Aphrodisiakum taugen, weil die Schärfe zur Ausschüttung von Glückshormonen führt.