Punschen in der Schmiede
Das ganze Land – so scheint es – ist überzogen von gleichförmigen, normierten Weihnachtsstandeln, Punschtränken und Bratwurstbuden. Das ganze Land? Nein. Eine von sensiblen Menschen bevölkerte Marktgemeinde am Eingang des Almtales leistet dem Einheitsgeschmack Widerstand.
Es ist zum zweiten Mal im Advent, dass die Kultur-Punsch-Schmiede in Pettenbach ihr Tor öffnet. Wenn im denkmalgeschützten Haus am Kirchenplatz 25 die schweren Türflügeln aufschwingen, dann tut sich nicht nur eine Trinkstätte für süße Heißalkoholika auf, sondern ein Weg in die Vergangenheit. Er geht über mehr als hundert Jahre zurück, erzählt vom Leben und Sterben der Leute und so mancher Berufe. Die alte Schmiede mitten in der 5000-Einwohner-Gemeinde zählt zu den pitoreskesten Orten, an denen authentisches Adventgefühl aufkommen kann.
In den 1990ern wurde das Haus, in dem die Schmiede siebzig Jahre im Dämmerschlaf lag, unter Denkmalschutz gestellt. Ans genaue Datum erinnert sich Josef Eisenhofer nicht. Das Jahr, als die Schmiede in den Besitz der Eisenhofers kam, weiß der 80-jährige, hochgewachsene Mann dafür genau: 1899. Sein Großvater arbeitete hier als Schmied, sein Vater, und er sollte es auch dereinst tun. Doch die Zeitenläufe gruben abweichende Lebensflüsse.
Josef Eisenhofer, Schmiedenbesitzer: „Es ist ein Leben hereingekommen und das freut mich“.
Josef Eisenhuber, geboren 1906, der Vater des heutigen Besitzers, zählte zu den letzten Männern, die zum Zweiten Weltkrieg eingezogen wurden – gegen Proteste der Bauern, die aber nichts halfen. Er war der letzte verbliebene Hufschmied in der Region. Anfang 1944 holte ihn die Wehrmacht, nur ein knappes Jahr später meldete sie, Josef Eisenhofer werde vermisst. In Polen. Als der Krieg ein paar Monate später zu Ende war, zeichnete sich auch das Ende der Schmiede ab. Zuerst wurde sie noch als "Witwenbetrieb" einige Monate weiterbetrieben.
Die Hämmer schwangen zwei Wehrmachtssoldaten aus Niederösterreich solange bis sich eine Rückkehr in ihre von den Sowjets besetzte Heimat als risikolos entpuppte. In den Wohnräumen ein Stockwerk über der Schmiede residierten US-Amerikaner, die hier eine Funkstation betrieben. Derweil mussten der kleine Josef und seine Mutter Marianne (1912–1999) mit der schmalen Gesellenkammer vorlieb nehmen. Aus den letzten Tagen des "Tausenjährigen Reichs" künden heute nur noch ein paar feuchtschiefe Pappkartons voller Hufeisenstollen. Im Herbst 1945 versank die Schmiede in einen Dämmerschlaf, der fast siebzig Jahre dauern sollte.
Auftritt Gottfried Kahr, Obmann des Fördervereins Schrift- und Heimatmuseum Bartlhaus in Pettenbach. Der Bautechniker suchte eine Präsentationsmöglichkeit für sein Museum, das etwas außerhalb liegt, im Zentrum von Pettenbach. "Als ich die alte Schmiede zum ersten Mal sah, war ich hin und weg", erinnert er sich. Nach ausgiebigen Verhandlungen schlugen er und Besitzer Eisenhofer ein. Der Deal: "Wir räumen auf, entrümpeln, putzen und dürfen dafür die Räumlichkeiten für kulturelle Aktivitäten nutzen und hin und wieder Glühwein ausschenken. Und so ist die Schmiede eine Außenstelle des Heimat- und Schriftenmuseums Bartlhaus geworden", erzählt Kahr.
Doch es dauerte, bis wieder Feuer in der Esse prasseln konnte. Der Kamin war teilweise eingebrochen. Ihn herzurichten, war für die freiwilligen Helfer des Vereins eine rußige Angelegenheit, an die noch die "g’söchte Tau’m" erinnert, die damals zum Vorschein kam.
G’söchte Tau’m: Kam bei der Kamininstandsetzung zum Vorschein.
Nicht nur die Schmiede erzählt von der Geschichte. In der Wohnung darüber hat sich ebenfalls seit 1945 nicht viel verändert. Die Mutter Witwe, der Sohn Lehrling, "da war kein Geld für Renovierungen da", erzählt Josef Eisenhofer. Als man die Räumlichkeiten im vergangenen Jahr, sechs Jahre nach dem Tod der Mutter, für die Kulturaktivitäten des Vereins öffnete, stellten sich die Leute an. "Da war auch jener Maler dabei, dessen Auftrag es als Lehrling war, ebendiese Räume auszumalen. Und tatsächlich war es ,seine‘ Farbe, die noch an den Wänden war. Etliche alte Leute erzählten ihre Erinnerungen an das Haus", berichtet Kahr.
Josef Eisenhofer ist froh, "dass wieder etwas geworden ist aus der Schmiede, dass sie belebt worden ist". Es habe begeisterte Rückmeldungen dafür gegeben – über die Landesgrenzen hinaus, sagt der pensionierte stellvertretende Direktor der Berufsschule für Metalltechnik in Wels. Zuvor hatte der Herr Fachlehrer den Schmiedeberuf erlernt, Meister- und Hufbeschlagsprüfung abgelegt – und den Beruf gewechselt. Wie es die Zeiten verlangten, sattelte er um auf Landmaschinenmechaniker und entdeckte dann später die pädagogische Laufbahn.
Hermann Allinger
Als gute Seelen der Schmiede, als Einheizer, Deko-Verantwortliche und Hausmeister fungieren heute Maria und Hermann Allinger. "Wir sind eine große Familie in Pettenbach, eine fröhliche Runde", sagt Hermann. Tatsächlich zählt der Förderverein "Schrift- und Heimatmuseum Bartlhaus" 400 Vereinsmitglieder. Schriftkünstler, zumeist Kalligrafen, die im Bartlhaus ausstellen, schätzen diese familiäre Atmosphäre sehr. Darunter befindet sich Annika Rücker, die in Hagenbrunn in Niederösterreich zurückgezogen lebt, aber in Schweden geradezu verehrt wird. Als eine der besten Kalligrafinnen der Welt schreibt sie seit 1988 bis heute die Nobelpreisurkunden.
Schönes Altes gefühlvoll zu bewahren, es respektvoll zugänglich zu machen und so das Licht auf die Tradition angenehm zu lenken, das gelingt den Pettenbachern mit dem Bartlhaus und nun auch mit der alten Schmiede in beispielhafter Weise.
Programm der Kultur-Schmiede in Pettenbach
Das Feuer in der Esse wärmt von außen, ein Schluck vom guten Punsch von innen. Und dazu wird Geistiges serviert. Nicht etwa noch mehr Rum, sondern Literatur und Gesang. Hier das Programm der Kultur-Punsch-Schmiede am Pettenbacher Kirchenplatz 25:
5. Dezember: Musik von Gruber und Hase (ab 17 Uhr), ab 19 Uhr Lesung mit Gesang. Wer als Kramperl oder Nikolaus verkleidet erscheint, erhält einen Punsch gratis.
8. Dezember (Weihnachtsmarkt): Das Schriftenmuseum präsentiert sich und seine Geschenkideen ab 14 Uhr. Furchterregende Perchten werden zu Gast sein.
12. Dezember: Irisch-keltische Musik von „Inisheer“ (ab 17 Uhr), um 19 Uhr Lesung.
19. Dezember: Um 15 Uhr gibt’s eine Lesung für Kinder, um 17 Uhr wird aufgespielt, um 19 Uhr wird für Erwachsene gelesen.
Die Lesungen finden im ersten Stock der Schmiede statt, in der alten Stube, die Einblick in das Leben von vor 70 Jahren gibt.
Ja, auch ein kleiner Ort hat Anrecht auf sein persönliches "Musiktheater" in dem Kultur gelebt und gefördert wird. Gratuliere euch zu diesem Weitblick.