Lade Inhalte...
  • NEWSLETTER
  • ABO / EPAPER
  • Lade Login-Box ...
    Anmeldung
    Bitte E-Mail-Adresse eingeben
    Bitte geben Sie Ihre E-Mail-Adresse oder Ihren nachrichten.at Benutzernamen ein.

gemerkt
merken
teilen

Meister der Krippen

Von Edmund Brandner (Text) und Volker Weihbold (Fotos), 05. Dezember 2015, 00:04 Uhr
Meister der krippen
Rund 400 geschnitzte Figuren bevölkern die Landschaftskrippe von Horst Störinger. Bild: VOLKER WEIHBOLD

Horst Störinger (72) ist einer der letzten Krippenschnitzer im Salzkammergut. Er stellt die berühmteste Geburt der Welt nach – und das seit vielen Jahrzehnten.

Horst Störinger versinkt im Stück Lindenholz, das er im Schraubstock vor sich hat. Sein Messer taucht darin ein, als wäre es ein Stück Butter. Schicht für Schicht kringeln sich Späne ab, und sobald erste Formen erkennbar werden, greift der 72-Jährige zu kleineren Eisen. Mehr als 500 Stubai-Messer hat er in seiner Werkstatt liegen. Sie haben sich in den vielen Jahrzehnten, in denen der Altmünsterer Krippenfiguren schnitzt, angesammelt.

Geschnitzt hat Störinger schon immer. Lange Zeit aber nur Tiere. Menschliche Figuren traute er sich nicht zu. "Versuch es einfach", riet ihm 1978 ein alter Viechtauer Krippenschnitzer, den er um Rat fragte. Die Viechtau ist ein abgelegenes Hochtal in Altmünster, in der jahrhundertelang das Holzhandwerk blühte. Die kleine Christusfigur, die Störinger dann schuf, liegt noch heute in der Werkstatt, vorsichtig in ein Taschentuch eingewickelt. Sie bildete den Anfang von Störingers zweitem Leben.

Präzisionsarbeitmit dem Schnitzeisen   Bild: (Volker Weihbold)

Der alte Mann mit dem weißen Backenbart war 45 Jahre lang Gendarm in Altmünster. "Ich war streng, aber immer korrekt", sagt er. Störinger war ein angesehener Beamter. 2012 ging er in Pension, aber es dauerte dann noch mehr als ein Jahr, bis er richtig schlafen konnte. Lange Zeit wachte er auf, wenn er nachts Autos hörte.

Jetzt muss Störinger nur über seine Werkstatt Ordnung halten und über seine vielen Krippen. Die größte – eine riesige Landschaftskrippe im Keller – umfasst mehr als 400 Figuren und ist eine typische Salzkammergut-Krippe. Ein zimmergroßes Universum, in dem der Betrachter versinken kann wie in einem dicken Roman. Jede Figur erzählt eine kleine Geschichte. Und wenn es nur der Hirtenknabe ist, der seinem Hund nachläuft, weil der einen Wolf verfolgt, der sich gerade mit einem Schaf davonmacht.

Mehr als nur ein Handwerk

Horst Störinger besitzt 30 Ausstellungskrippen, sie füllen jeden Winkel seiner Werkstatt aus. Aber sein ganzer Stolz ist diese große bukolische Landschaft im Keller. Jedes Jahr kommen weitere Figuren dazu. Andere müssen dafür Platz machen. Was unverändert bleibt, ist die heilige Familie im Mittelpunkt der Szenerie. Denn für Störinger ist die Darstellung der Geburtsszene in Bethlehem mehr als nur ein Handwerk. "Ein Krippenschnitzer, der behauptet, seine Arbeit habe nichts mit Glauben zu tun, lügt sich selbst in die Tasche", sagt der Alte.

Die Arbeit mit dem Holz hat im Verlauf der Jahre auch an Störinger selbst Spuren hinterlassen. Seiner Fingerkuppen zeugen von schlecht verheilten Schnittverletzungen. Vor einem Jahr trennte ihm seine Bandsäge den halben rechten Zeigefinger ab. "Es hat überhaupt nicht weh getan", sagt Störinger, bevor jemand auf die Idee käme, ihn zu bedauern. Wozu auch? Wie sich herausstellte, geht der Finger beim Schnitzen nicht ab.

Meister der krippen
Störinger versunken in der Arbeit Bild: VOLKER WEIHBOLD

Zum Glück. Denn die Arbeit an seinen Figuren ist der Lebensinhalt des hageren Mannes. Der Pensionist zieht sich nach dem Frühstück in seine Werkstatt zurück und verlässt sie untertags nur, um anderen das Schnitzen beizubringen. Störingers Kurse in der örtlichen Volkshochschule sind seit Jahren voll belegt, und in der Neuen Mittelschule Altmünster gibt er seine Kunst an Kinder weiter. So wie er früher als Gendarm eine Autorität war, ist er heute eine Autorität als Schnitzer. Oft holen sich Leute Rat bei ihm. Wenn er wieder nach Hause darf, kehrt er in die Ruhe seiner Werkstatt zurück. "Am liebsten würde ich bis spät nachts hier arbeiten, aber das erlaubt mir meine Frau nicht", sagt der alte Gendarm und grinst.

Talent und Erfahrung

Störinger ist zweifacher Großvater, und er würde sein Können gerne auch an seine Nachfahren weitergeben: Das Wissen über die Vorzüge geschmiedeter Schnitzeisen. Der Blick für die Holzmaserung. Das Gefühl dafür, wie sich Jahresringe möglichst glatt durchschneiden lassen, ohne auszubrechen. Von welcher Seite man die Klinge ansetzen muss und welchen Widerstand das Holz dem Werkzeug leistet. Was man dem Holz zutrauen kann – und was nicht. "Das Gesicht der Figuren muss genau im richtigen Winkel zur Maserung stehen, sonst bricht die Nase am Ende ab", murmelt Störinger, während er eine Figur bearbeitet. Und dann sagt er: "Mein Enkelsohn hätte großes Talent zum Schnitzen. Er interessiert sich momentan aber noch mehr für andere Dinge." Störinger nimmt es gelassen. So wie beim Holz lässt sich beim Menschen nichts erzwingen. Außerdem ist sein Enkelsohn noch jung, und Großväter sind geduldig.

Meister der krippen
Horst Störinger verbringt die meiste Zeit in seiner Werkstatt, wo in Feinarbeit Krippenfiguren entstehen. Bild: VOLKER WEIHBOLD

Als Horst Störinger selbst noch ein Kind war, verbrachte er jede freie Minute im Wald. In den Nachkriegsjahren hatten Kinder viel Freiheit. Niemand fragte nach, ob sie ihre Hausaufgaben machten, und Störinger wäre kein Bub gewesen, wenn er sich nicht lieber in der Natur herumgetrieben hätte. "Damals konnte ich es nicht wissen", sagt der Krippenschnitzer. "Erst jetzt, als alter Mann, ist mir klar geworden, dass bei mir von Beginn an alles aufs Schnitzen hinauslief. Ich hatte nicht einmal ein Taschenmesser, als ich im Wald spielte, aber die Richtung war schon vorgegeben. Das Holz zog mich an, und sobald ich irgendwie konnte, bearbeitete ich es."

Ohne Talent geht’s nicht

Vieles lasse sich beim Schnitzen erlernen, sagt der 73-Jährige. Seit er unterrichtet, weiß er aber auch: "Ohne Talent stehst du bald an." Gute Schnitzer müssen nicht nur gut zeichnen können. Es braucht auch große räumliche Vorstellungskraft, um aus einem Stück Holz eine lebensechte, ausdrucksstarke Figur machen zu können. Horst Störinger würde am liebsten überhaupt nichts anderes tun. Das Schnitzen ist sein Leben. 

Meister der krippen
Horst Störinger verbringt die meiste Zeit in seiner Werkstatt, wo in Feinarbeit Krippenfiguren entstehen. Bild: VOLKER WEIHBOLD

 

Horst Störinger: Der 73-jährige Altmünsterer ist einer der letzten Krippenschnitzer im Salzkammergut. Der pensionierte Gendarm kann sich vor Aufträgen nicht retten. Er gibt in der Neuen Mittelschule seiner Heimatgemeinde und in der Volkshochschule aber auch sein Können weiter.

 

Krippenroas am Traunsee

Ebensee: Krippenbesitzer in Ebensee öffnen von 27. Dezember bis 2. Februar ihre Pforten, um Besuchern die spektakulären Landschaftskrippen zu zeigen. Infos im Tourismusbüro unter Tel. 06133 / 8016

Altmünster: In Altmünster werden in den Tagen nach Weihnachten ebenfalls Krippenroasen angeboten. Infos im Tourismusbüro unter Tel. 07612 / 87 181

Jesus unter Wilderern
Krippenszenen spiegeln das Salzkammergut des 19. Jahrhunderts wider. Bild: VOLKER WEIHBOLD

Jesus unter Wilderern

Am Fuß des Dachsteins hat sich eine einzigartige Krippenkultur entwickelt.

Nachdem Kaiser Joseph II. 1782 den Kirchen per Dekret verbot, prunkvolle Krippen in Gotteshäusern aufzustellen, begannen Menschen, die Geburtsszene Jesu in den eigenen vier Wänden nachzubilden.

Im isolierten Salzkammergut entwickelte sich im 19. Jahrhundert eine einzigartige Form des Krippenwesens: überdimensional große Landschaftskrippen. Die „Krippön“ spiegeln nicht nur die Landschaft des Salzkammergutes wider, sondern auch dessen Sozialstrukturen. Dargestellt wird die Arbeit und das Leben der Bauern, Hirten, Salinenarbeiter, Holzarbeiter, Jäger und Wilderer sowie das Leben auf den Almen. Dabei haben sich besondere Typen von Figuren herausgebildet, wie beispielsweise der „Naz mit der Henne“, der „Voda lass mi a mitgehn“ und viele andere klassische Gestalten, die in keiner Salzkammergut-Krippe fehlen dürfen.

Die Krippenfiguren schnitzten die Salinenarbeiter und Holzknechte in ihrer Freizeit, und noch heute sind die meisten „Schnegerer“ (Schnitzer) Amateure, die ihre Kunst von Generation zu Generation weiterreichen. Dazu zählt auch das richtige Aufstellen der Krippen, für die oft ganze Wohnräume freigeräumt werden.

Traditionell werden die raumfüllenden bukolischen Miniaturlandschaften meist zu Maria Empfängnis (8. Dezember) in den Privathaushalten aufgebaut. Das Jesuskind selbst betritt natürlich erst am 24. Dezember die Szene.

 

mehr aus Hoamatland

Spitzenküche beim Aichingerwirt: "Die Gerichte entstehen beim Bauern"

Auf den Spuren des Salzes im Bergwerk Altaussee

Hotel Villa Sommerfrische: 20 Zimmer, kein Lift und 2 Hausesel

Hoftaverne Ziegelböck: Seit 500 Jahren ein Ort der Geselligkeit

Lädt

info Mit dem Klick auf das Icon fügen Sie das Schlagwort zu Ihren Themen hinzu.

info Mit dem Klick auf das Icon öffnen Sie Ihre "meine Themen" Seite. Sie haben von 15 Schlagworten gespeichert und müssten Schlagworte entfernen.

info Mit dem Klick auf das Icon entfernen Sie das Schlagwort aus Ihren Themen.

Fügen Sie das Thema zu Ihren Themen hinzu.

2  Kommentare
2  Kommentare
Die Kommentarfunktion steht von 22 bis 6 Uhr nicht zur Verfügung.
Neueste zuerst Älteste zuerst Beste Bewertung
Viechtauer (36 Kommentare)
am 08.12.2015 06:48

Hallo Redakteure!
Ich wohne in der Viechtau, dem abgelegenen Hochtal in Altmünster.
Wollte euch nur mitteilen, dass wir schon elektrischen Strom haben;-)

lädt ...
melden
geotraunkirchen (15 Kommentare)
am 08.12.2015 06:42

Hallo Leute

Wie kommt Ihr auf die mehr als kuriose Idee zu schreiben, es handle sich hier um einen der letzten Krippenschnitzer im Salzkammergut?

Krippenschnitzen ist hier lebendige Tradition und zahlreiche Schnitzer machen das und neue finden zu dieser Leidenschaft. Vielleicht könnt Ihr einmal ein bißchen besser nachschauen, zum Beispiel im Inneren Salzkammergut von Ebensee südwärts.

Grüße
Peter Baumgartner

lädt ...
melden
Aktuelle Meldungen