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"Die Überfülle im Leben macht uns nicht reicher"

Von Reinhold Gruber, 20. April 2019, 10:14 Uhr
"Die Überfülle im Leben macht uns nicht reicher"
Christian Koller (r.) leitete die Jugendlichen an, wie sie mit dem Stein umgehen können. Bild: privat

LINZ/PÖNDORF. Bildhauer Christian Koller begeisterte 200 Schüler für Projekt "Pilgerwege der Hände".

Mehr als 200 Schüler in Oberösterreich, Niederösterreich und Salzburg konnte Bildhauer Christian Koller aus Pöndorf für sein Projekt "Meilensteine – Pilgerwege der Hände" begeistern. Die Jugendlichen haben sich eingehend mit den Geschichten, Symbolen und Gleichnissen des Alten und Neuen Testaments befasst. Die Naturstein-Reliefs, die daraus entstanden sind, haben sich biblische Themen als Inspiration genommen, sind aber keine Nachahmungen oder Kopien, sondern denken die Themen weiter, wie Koller sagt.

 

OÖN: Was war der Ausgangspunkt der Überlegungen für das Projekt "Pilgerweg der Hände"?

Christian Koller: Pilgerwege zu gehen heißt, Abstand zu gewinnen, eine neue Sicht auf das Leben zu finden und sich von dem zu befreien, was uns belastet. Pilgerwege bedeuten Neuorientierung. Die Schritte, die uns dabei voranbringen, folgen unserem ganz persönlichen Rhythmus. Diesen finden wir auch auf den angeführten Pilgerwegen, für die wir nur ein kleines Stück Land brauchen: Es sind die Pilgerwege der Hände, die in der Geografie des kleinen Bildhauer-Steinblocks all das bieten, was auch für die weiten Wege übers Land gilt.

Sie sprechen damit bewusst junge Menschen an. Warum?

Die Jugend hat einen ganz besonderen Anspruch darauf, sich in ihrem Heranwachsen und Weiterentwickeln auszudrücken. Und dass sie dabei sie selbst sein darf. Für die starke Energie, die aus ihr sprudelt, kann dieses Projekt eine Projektionsfläche, ein Reibebaum, eine Plattform sein, die ganz ihr gehört. Die jungen Menschen dürfen bei diesem Vorhaben am Stein ihre ureigenste Sprache sprechen. Sie können sich alles von der Seele reden – auch das, wofür Worte nicht mehr reichen.

Macht Ihnen die Bildungspolitik von heute Sorgen?

Die jungen Menschen werden möglichst zu berechenbaren Wirtschaftsfaktoren herangebildet, um zum künftigen Bruttosozialprodukt in planbarer Weise beizutragen. Die Unberechenbarkeit des Schöpferischen, das Horizonte erweitert, ist vom System weniger erwünscht. Aber die beteiligten Schulleiter und Kollegen aus den Bereichen Bildnerische Erziehung und Religion sind bewusst und mit vollem Einsatz hinter diesem Projekt gestanden. Und die Hauptdarsteller, die Schüler, haben durch den enormen Einsatz ihrer schöpferischen Kräfte gezeigt, welches Potenzial in ihnen steckt. Und sie haben es sichtbar gemacht.

Das Projekt verstehen Sie als Brückenbau – auch zur Langsamkeit. Warum haben wir diese Entschleunigung nötig?

Die Brücke vom atemlosen Treiben unserer Tage hin zur Langsamkeit ist getragen von Selbstbestimmtheit. Sie wird gerne begangen von all jenen, die erkennen, welcher Wert im Reduzieren liegt. Jeder Schritt hat in diesem Fall Gültigkeit auf Dauer. Der Stein gibt sehr gute Rückmeldungen an denjenigen, der in ihm einen Speicherplatz für alles Persönliche erkennt. Wer mit den Handwerkzeugen die ersten Klopfzeichen am Block hervorruft, verhält sich in seiner Einstellung ähnlich wie jemand, der an einer der Pforte eines Klosters anklopft und um Einlass bittet, um drinnen die Stille und den Reichtum des Einfachen zu empfinden. Genau diese Art der Entschleunigung steuern wir an.

"Die Überfülle im Leben macht uns nicht reicher"
Die jungen Menschen verewigten ihre Gedanken in Stein-Reliefs. Bild: privat

Die jungen Menschen verewigten ihre Gedanken in Stein-Reliefs.

 

Sie sagen, es geht auch um einen Aufbruch. Wer gewohnte Wege verlässt, wird was erleben?

Wenn wir unsere gewohnten und eingefahrenen Verhaltensweisen in Frage stellen, kommen wir um Bruchstellen nicht herum. Wir können allerdings aus der Not eine Tugend machen und uns bewusst für einen Aufbruch zu einer neuen Sicht der Dinge entscheiden. Der Stein hilft uns dabei, dass dieser Aufbruch Richtung Neuland nicht die Sorge um den ungewissen Ausgang mit sich bringt.

Was kann man beim Bearbeiten eines Steins für sich lernen?

An einer Herausforderung zu wachsen, Vertrauen in die eigene Kraft des Schöpferischen zu entwickeln, sich gegenüber dem Unbekannten zu öffnen. Ebenso das innere Kind bei Entscheidungsfindungen mitreden zu lassen, den eigenen Selbstwert zu stärken und in schwierigen Situationen die neuen Erfahrungen kreativer Lösungsansätze zu nutzen.

Weniger ist mehr, das ist auch so ein Credo des Projektes.

Wir reduzieren beim Bildhauern. Splitter um Splitter fallen dabei ab. Unweigerlich wird der Block weniger. Die Überfülle in unserem Leben macht uns de facto nicht wirklich reicher, sondern erschwert vielmehr die Suche nach einem zentralen Leitfaden. Im Stein suchen wir auch nach dem wertvollen Kernstück, das noch verborgen und verschlossen vor uns liegt, dem Ergebnis unserer schöpferischen Mühe. Genauso geht es unseren inneren Bildern, denen wir erst einen Weg aus dem Dunkeln heraus ins Licht der Welt frei machen müssen.

Inneren Bildern zu folgen, mag neue Horizonte eröffnen. Ist dies nicht ein Prozess, der gerade für Erwachsene noch viel wichtiger wäre als für Jugendliche?

Ja, sehr wichtig. Aber mit anderen Vorzeichen als bei der Jugend. Bei Erwachsenen haben Existenz und Familiengründung sowie beruflicher Aufstieg viel Kraft gekostet. Auf der Strecke geblieben ist: Zeit für sich selbst. Nach der Lebendigkeit und dem Ausdrückenwollen von inneren Bildern hat niemand gefragt. Der lebensbejahende Ausruf "Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s sein" aus Goethes Osterspaziergang war nicht zu vernehmen im lauten Getöse des Müssens ohne Ende. Der Langzeitpartner Stein lädt uns ein, die Lasten des Alltags behutsam beiseite zu schieben und einzutauschen. Jetzt in der Karwoche können wir Erwachsene durchaus darüber nachdenken, was es bedeutet, mit der schöpferischen Hingabe an den Stein das Ego zu Grabe zu tragen und eine Auferstehung des Selbst einzuleiten.

Was wäre für Sie das Schönste, das aus dem Projekt herauskommen könnte?

Wenn wir alle unserem inneren Kind etwas mehr Mitspracherecht geben könnten, dann wären die Aufgaben des Lebens mit spielerischer Leichtigkeit erfüllbar.

"Die Überfülle im Leben macht uns nicht reicher"
Ein Beispiel, was dabei herausgekommen ist.

Ein Beispiel, was dabei herausgekommen ist.

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Autor
Reinhold Gruber
Lokalredakteur Linz
Reinhold Gruber

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1  Kommentar
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( Kommentare)
am 20.04.2019 06:31

Wie wahre Worte dieser Bildhauer sagt!Das überfüllte im Leben macht uns nicht glücklich!
Wieder mehr das Kind in sich sein lassen,wieder dem mehr mitspracherecht zu lassen!

Auch darüber nachzudenken, woher komme ich, und wohin gehe Ich!
Besonders in der Fastenzeit! Die Zeit des Kreuzes.🤔

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